Travel like a Pro
48 Stunden in Jerusalem
Text und Fotos: Reto E. Wild
Jerusalem, nur eine Fahrstunde von Tel Aviv entfernt, gehört zu den interessantesten und meist umkämpften Orten der Welt. Dabei geht vergessen, dass die umstrittene Hauptstadt Israels auch ein lohnenswertes Ziel für Gourmets ist – mit innovativen Restaurants und Winzern vor den Toren der Heiligen Stadt.
Was für ein Ausblick! Vom Ölberg aus gesehen liegt einem die Altstadt von Jerusalem mit der goldenen Kuppel des Felsendoms zu Füssen. Ausserhalb der Stadtmauer dehnt sich der moderne Teil Jerusalems mit seinen nahezu 900 000 Einwohnern aus.
Ausgerechnet «Stadt des Friedens», Yerushalaim, ist die Zusatzbezeichnung der umstrittenen Hauptstadt Israels, die vor 3000 Jahren vom jüdischen König David auf 800 Meter über Meer zum geistlichen Zentrum gemacht wurde. «Jerusalem betet, Haifa arbeitet und Tel Aviv lebt», heisst eines der bekanntesten israelischen Bonmots. Tatsächlich übt die Heilige Stadt mit ihren rund 1000 Synagogen, 158 Kirchen und 73 Moscheen eine einzigartige Faszination aus.
Doch in Jerusalem leben auch Genussmenschen. Sonst wäre die Machneyuda-Gruppe nicht so erfolgreich. Sie eröffnete in den letzten Jahren in der Nachbarschaft des bekannten Mahane Yehuda-Markts gleich eine Handvoll Restaurants, vor denen sich Abend für Abend Warteschlangen bilden. Geboten wird frische und lokale Marktküche. Zu lauter Musik sitzt man auf Barhockern und schaut den Köchen beim Zubereiten der Gerichte zu. Rund um den Markt sind in den letzten Jahren zahlreiche trendige Restaurants, Bars und Cafés entstanden. Das gilt auch für die nahgelegenen Fussgängerzonen Ben Yehuda und das Viertel Nachlat Shiva.
Diese «In»-Restaurants wie «Yudale», «Chakra» oder «Machneyuda» bieten lokale Weine von Top-Weingütern an, die sich nur ein paar Kilometer ausserhalb von Jerusalem befinden. Es lohnt sich deshalb, eine Degustation bei Domaine du Castel, Sea Horse und/oder Tzora einzuplanen und direkt vor Ort zu verkosten.
Jaffa heisst die längste Einkaufsstrasse. Sie führt unweit der Altstadt und der Mamilla Mall, einer Einkaufsmeile mit Kleiderläden, Kunstgalerien, Restaurants, Cafés und dem luxuriösen «Mamilla Hotel», zum Machane Yehuda und zum Busbahnhof. Autos wurden verbannt. Dafür zirkuliert auf der Jaffastrasse seit 2011 eine Stadtbahn, die umgerechnet über eine Milliarde Euro kostete und bis zum Herzlberg hochfährt, der Heimat des eintrittsfreien Holocaust-Museums Yad Vashem.
Tag 1
8.30 h Aussicht vom Ölberg1
Wo anfangen in Jerusalem, dieser uralten Stadt in den judäischen Bergen zwischen Mittelmeer und dem Toten Meer? Um sie zu erfassen, nimmt man am besten ein Taxi und fährt zum Ölberg hoch (auf Englisch: Mount of Olives, Preis rund 50 Schekel/13 Euro). Im Vordergrund befindet sich ein jüdischer Friedhof, im Hintergrund breiten sich links das moderne Jerusalem und in der Mitte die Altstadt mit der mächtigen Stadtmauer aus, die auf den osmanischen Sultan Suleiman der Prächtige und somit auf das 16. Jahrhundert zurückgeht.
Mount of Olives, Viewpoint
9 h Spaziergang zur Altstadt2
Eine steile Strasse führt vom Aussichtspunkt zum überraschend kleinen Garten Gethsemane und der Kirche aller Nationen. Davor stehen Olivenbäume, die bis auf die Zeit von Jesus zurückgehen sollen. Via Löwentor gelangt man in die Jerusalemer Altstadt mit ihrem arabischen, jüdischen, christlichen und armenischen Viertel. Wichtigste Sehenswürdigkeiten neben den unzähligen Marktständen, die ein Labyrinth bilden: die Klagemauer, der Felsendom (Letzterer ist für christliche Besucher meist geschlossen) und die Grabeskirche (Church of the Holy Sepulchre).
Old City of Jerusalem
12 h Spaziergang zum Mahane Yehuda3
Via Jaffator, Teil der Altstadt, und Einkaufsmeile Mamilla Avenue geht’s zur Jaffastrasse hoch, zum Mahane Yehuda, dem mit täglich gut 200 000 Besuchern grössten Markt Israels (ab Freitagnachmittag bis Sonntagmorgen geschlossen). Einst fand man vor allem Früchte, Gemüse, Fleisch, Fisch und Brot. Heute gibt es vermehrt Geschäfte, die sich auf Sushi, Käse, Wein oder Bier konzentrieren. Die Bar BeerBazaar bietet beispielsweise 100 verschiedene israelische Craftbier-Sorten und das Taybeh-Bier aus dem Westjordanland, hergestellt von der einzigen Bierbrauerin im Nahen Osten!
BeerBazaar
Etz Hayyim Street
Tel. +972 2 671 25 59
www.beerbazaar.co.il
13 h Staunen im Machneyuda4
Beim Mahane Yehuda befindet sich das Restaurant «Machneyuda», das die Jerusalemer Gastronomie mit seiner frischen Marktküche stark beeinflusst. Es ist praktisch unmöglich, in diesem kleinen, zweistöckigen Lokal mit offener Küche einen Tisch ohne Reservierung zu ergattern. Die Menüs bestehen aus Gemüse vom Markt, Fisch und Fleisch. Dazu sollte man sich einen Chardonnay vom Weingut Domaine du Castel oder von Clos de Gat gönnen. Vis-à-vis befindet sich seit drei Jahren die Yudale-Bar, die ebenfalls für kreative Küche steht.
Machneyuda, Beit Ya’akov Street 10
Tel. +972 2 533 34 42
www.machneyuda.co.il
15.30 h Per Taxi ins Weingut5
Im Umland von Jerusalem wachsen seit über 2000 Jahren Trauben. Aber erst in der Neuzeit wird auch richtig guter Wein kultiviert. Eli Ben-Zaken, Gründer des noblen Weinguts Domaine du Castel, erzählt: «1988 haben wir als Hobby die ersten Reben gepflanzt, sieben Jahre später die ersten Flaschen gefüllt. Im Jahr 2000 produzierten wir 80 000 Flaschen, heute sind es rund fünfmal mehr.» Weitere Weingüter im Radius von 30 Kilometern: Weingut Gush Etzion, Sea Horse und Tzora Vineyards. Bei allen Weingütern gilt: Weindegustation mit einer E-Mail ankündigen, samstags geschlossen!
www.tzoravineyards.com
www.castel.co.il
www.seahorsewines.com
www.gushetzion-winery.com
18.30 h Zurück in die Antike6
Nach der Weinverkostung wird das Rad der Geschichte nochmals zurückgedreht: En Karem ist ein antikes Dorf (seit der Bronzezeit besiedelt!), das sich innerhalb der Stadtgrenze von Jerusalem und knapp zehn Kilometer vom Jaffator entfernt befindet. Heute besteht der an Gärten reiche Geburtsort von Johannes dem Täufer aus ein paar Häusern, fünf Kirchen und Klöstern. Und vor ein paar Jahren eröffnete hier das «Alegra Boutique Hotel», ideal für Ruhesuchende. Nach Voranmeldung kann man hier gediegen essen.
Alegra Boutique Hotel, Derech Ha’achayot Street 13, Tel. +972 2 650 05 06
www.hotelalegra.co.il
Tag 2
9 h Zum Morgencafé an der Jaffastrasse7
Jerusalem hat traditionsreiche Strassencafés und Bäckereien. Ein besonders schönes Lokal dieser Art befindet sich mit der Trattoria Haba ganz in der Nähe des Markts Mahane Yehuda. Hier lässt es sich so richtig herzhaft frühstücken und man kann die vorbeiziehenden Passanten beobachten. Israelis essen gerne Salate oder Shakshuka (das vegetarische Nationalgericht) zum Start des Tages: Dabei handelt es sich um pochierte Eier mit Tomaten, Peperoni, Kräutern, Zwiebeln und Olivenöl. Wer will, kann aber auch nur Croissants oder Baguettes geniessen.
Trattoria Haba, Jaffa Street 119
Tel. +972 2 623 33 79
www.haba.co.il
10 h Holocaust-Gedenkstätte8
Ganze zehn Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung des Museums zur Geschichte des Holocaust, das 2005 eröffnet wurde. Das 180 Meter lange Gebäude in der Nähe des Herzlbergs bohrt sich wie ein Keil durch den Hügel (Anreise mit der Strassenbahn bis Endstation, danach weiter mit einem Shuttle, Eintritt kostenlos, freitagnachmittags und samstags geschlossen). Die Aussichtsterrasse gibt einen Panoramablick auf Jerusalem frei. Doch wie immer auch das Wetter ist: Nach so viel trauriger historischer Realität mit Augenzeugenberichten von Überlebenden bleibt die Stimmung getrübt.
Holocaust-Gedenkstätte, Herzl Boulevard
Tel. +972 2 644 34 00, www.yadvashem.org
14 h Jerusalemer Zwischenverpflegung9
Es wird nicht leicht sein, nach diesem Besuch wieder ans Essen zu denken. Doch am besten macht man es wie die Israelis und versucht, die Gegenwart zu geniessen: Die Strassenbahn Nummer 1 (es gibt nur eine Linie...) nehmen und bei der Station Yehuda Camp aussteigen. Von dort sind es nur 200 Meter bis zum unprätentiösen Restaurant «Sima» – bei Arbeitern, Parlamentariern und Touristen eine Institution seit 1969. Die Karte führt Suppen, Hühnerherzen, Steaks, diverse Salate und selbstverständlich Hummus und Tahina.
Restaurant Sima, Agripas Street 82
Tel. +972 2 623 30 02
(So–Do 11 bis 1 Uhr, am späteren Freitagnachmittag und am Samstag geschlossen)
15.45 h Verdauungsspaziergang mit Aussicht10
Die Haas-Promenade gehört zu den besten Aussichtsorten. Bei den Einheimischen als «Tayelet» bekannt, besteht sie aus diversen Trottoirabschnitten, die Namen tragen wie Walter und Elise Haas, Richard und Rhoda Goldman oder Gabriel Sherover. Von hier aus liegt einem Jerusalem wiederum zu Füssen, doch die Perspektive ist anders als vom Ölberg, der sich rechts im Blickfeld erhebt. Zwischen neuen Wolkenkratzern sieht man den YMCA-Turm sowie das geschichtsträchtige Luxushotel «King David». Touristen sind abgesehen von Segway-Touren auf dieser Anhöhe selten anzutreffen.
Tayelet Haas Promenade (per Taxi)
19.30 h Der Geschmack der Stadt11
Eine Verschnaufpause ist verdient, bevor abends erneut eine feine Adresse winkt: Das «Chakra» gehört seit 20 Jahren zu den besten Restaurants Jerusalems. Im Sommer geniessen die Gäste im Garten, zur kälteren Jahreszeit is(s)t man mit Aussicht auf die Bar und – hinter einer Glasscheibe – die Küche von Eran Peretz, der israelisch-italienisch kocht. Besonders Hungrige fragen nach dem «Tasting»-Menü (325 Schekel, ca. 85 Euro). Eine Empfehlung für kräftige Rotwein-Cuvées: Shoresh von Tzora, Grand Vin von Castel oder Geshem von Château Golan.
Restaurant Chakra, King George Street 41
Tel. +972 2 625 27 33 (abends täglich geöffnet)
www.chakra-rest.com
22 h Ein Glas Wein12
Um den Abend beschwingt zu beschliessen, lockt der Besuch der Weinbar Talbiye (Talbiye heisst auch eine vornehme Nachbarschaft), die sich im Parterre des Jerusalem-Theaters befindet und bereits um 17 Uhr öffnet. Wer das Abendessen im «Chakra» auslassen möchte, kann hier europäische, modern interpretierte Gerichte wie Linsenrisotto mit Labane-Joghurt, Calamari mit dem Nationalgewürz Zaatar oder Muscheln bestellen und an der Theke oder an Tischen geniessen.
Weinbar Talbiye, Chopin Street 5
Tel. +972 2 581 19 27
www.talbiye.com