Im Gespräch: Histamin-Intoleranz – Was Wein, Käse & Co. bewirken
23.11.2010 - arthur.wirtzfeld
ITALIEN: (Bruneck / Südtirol) - Der Artikel von Alexander A. Kohnen (IWI Internationales Weininstitut) zum Thema Histamin mit dem Titel „Kopfweh durch Wein“ hat großes Interesse bei unseren Lesern gezeigt und viele Fragen aufgeworfen. Wir sprachen daraufhin mit Martin Mairhofer über Histamin-Intolleranz, Auswirkungen auf Körper und Gesundheit und was man bei einer Unverträglichkeit beachten sollte. Martin Mairhofer ist Executive Chef im Hotel Reipertingerhof, Reischach Südtirol, WACS Global Master Chef und Küchenmeister, geschulter Diätkoch der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und diplomierter Diätkoch und Teamchef von COOKART South Tirol.
YOOPRESS: Herr Mairhofer Sie haben angeregt, das Thema „Histamin“ - aufgrund des Artikels von Alexander A. Kohnen (IWI Internationales Weininstitut) auf YOOPRESS mit dem Titel „Kopfweh durch Wein“ zu vertiefen. Welchen Bezug haben Sie zu „Histamin“?
M. MAIRHOFER: Ich selbst habe eine Histamin-Intoleranz. Ich bin diplomierter Diätkoch und denke, dass ich einige wichtige vertiefende Informationen zum Artikel beitragen kann. Hier spreche ich von meiner Histamin-Intoleranz, meinem Leben und meinen Erfahrungen mit Histamin.
YOOPRESS: Wie haben Sie Ihre Histamin-Intoleranz festgestellt?
M. MAIRHOFER: Der Auslöser meiner Histamin-Intoleranz war eine Fischvergiftung, die ich mir bei einem Aufenthalt an der Adria zugezogen habe.
YOOPRESS: Fischvergiftung? Wo ist da der Bezug zu Histamin?
M. MAIRHOFER: Bei einer solchen Lebensmittelvergiftung wird die Darmwand angegriffen - genau dort wo das Abbau-Enzym Daiminoxiadase gebildet wird. Durch einen solchen „Angriff“ kann die Darmwand wesentlich geschwächt werden. Seit dieser Vergiftung ist es meinem Körper nicht mehr gelungen, den angegriffenen Darm wieder so aufzubauen, dass er in der Lage gewesen wäre ausreichend Daiminoxidase zu produzieren. Aufgrund dieser Kenntnis, fing ich an mich für das Enzym Histamin zu interessieren und über das Vorkommen und Auswirkungen dieses Enzyms im Körper.
YOOPRESS: Was haben Sie herausgefunden?
M. MAIRHOFER: Die wichtigste Funktion von Daiminoxidase (Abbau Enzym von Histamin) besteht in der Abwehr körperfremder Stoffe. Bekanntlich wird Histamin im Körper durch das Enzym Daiminoxiadase abgebaut. Bei Menschen mit einer Histamin-Unverträglichkeit ist die Aktivität des Enzyms allerdings eingeschränkt. Dadurch kann das im Körper gebildete und das durch die Nahrung aufgenommene Histamin nicht oder nur teilweise abgebaut werden - was dann in der Regel zu Beschwerden führt.
YOOPRESS: Und was sind die Funktionen von Histamin im Körper?
M. MAIRHOFER: Histamin wird bei allergischen Reaktionen freigesetzt und ist für die unangenehmen und bisweilen sogar lebensgefährlichen Symptome bei Allergien und Asthma verantwortlich. Weitere wichtige Funktionen von Histamin sind beispielsweise die Erhöhung der Schlagkraft und der Schlagfrequenz des Herzens über die Freisetzung von Adrenalin, Auflösen von Erbrechen, Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus, Appetitzügler. Teilweise wirkt Histamin an der Regulation der Körpertemperatur mit, beeinflusst den Blutdruck sowie das Schmerzempfinden, ist an der Magensäureproduktion beteiligt und übernimmt Funktionen des Magen-Darmtraktes bei der Verdauung.
YOOPRESS: Wir verstehen also: Histamin im Zusammenspiel mit einer intakten Daiminoxidase hat durchaus positive, ja wichtige gesundheitliche Auswirkungen auf den Körper. Dagegen ist eine Histamin-Intoleranz ein echtes Gesundheitsproblem. Das bedeutet dann auch, dass jeder Mensch davon betroffen sein kann?
M. MAIRHOFER: Besonders Menschen mit einer entzündlichen Darmerkrankung oder Menschen mit einer Nahrungsmittel-Kreuzallergie haben ein erhöhtes Risiko. Ganz wenige Menschen haben einen angeborenen Enzymdefekt.
YOOPRESS: Und was können Auslöser von Unverträglichkeit sein?
M. MAIRHOFER: Einen solchen Histamin-Überschuss können entweder Lebensmittel auslösen, die selbst viel Histamin enthalten oder auch sogenannte Histaminliberatoren. Diese führen zu einer Freisetzung von Histamin aus den Körperzellen. Folge: Allergische Beschwerden.
YOOPRESS: Und Umwelteinflüsse - spielen die auch eine Rolle?
M. MAIRHOFER: Ja, zu einem kurzen Histaminanstieg kann es auch kommen bei körperlicher Anstrengung, plötzlichem Stress, Infektionskrankheiten und bei Einnahme von bestimmten Medikamenten.
YOOPRESS: Kommen wir zum Verhalten bei der Nahrungsaufnahme. Worauf sollten Menschen achten, die eine Histamin-Intoleranz haben?
M. MAIRHOFER: Grundregeln für die Ernährung bei einer Histamin-Intoleranz wären beispielsweise die Lebensmittel möglichst frisch zu verzehren, also keine überreifen Lebensmittel und möglichst keine Lebensmittel aus Konserven. Natürlich sollte man unbedingt auf die Hygiene achten. Auch sollte man Lebensmittel mit Reifeprozessen wie Sauerkraut oder auch reifen Käse vermeiden. Vorziehen sollte man frischen oder tiefgekühlten Fisch gegenüber geräuchertem, getrocknetem oder gesalzenem. Und schließlich sollte man wissen, das Kochen, Backen oder Einfrieren den Gehalt an biogenen Aminen im Lebensmittel nicht verändern.
YOOPRESS: ...und bei Alkoholika?
M.MAIRHOFER: Möglichst keinen Rotwein. Weder vor, zu noch nach dem Essen, und wenn es sein muss dann schlage ich eine Kombination einer histaminarmen Kost vor mit der gleichzeitigen Einnahme eines Enzympräparates, erhältlich in der Apotheke. Dieses nimmt man vor und nach dem Essen, so kann auch ein Glas Rotwein genossen werden. Aber das funktioniert bei jedem Menschen anders. Jeder mit Histamin-Intoleranz sollte seinen Körper und dessen Reaktionen mittels Ernährungstagebuch überwachen und hier die eingenommenen Lebensmittel, jedenfalls auch die Alkoholika notieren und die Reaktionen darauf. Rotwein und Weizenbier würde ich aber möglichst vermeiden.
YOOPRESS: Interessant wäre auch zu wissen, ob Menschen mit einer Histamin-Intoleranz bei der Einnahme von Medikamenten etwas beachten müssen?
M. MAIRHOFER: Sicher, hier gibt es wichtiges zu beachten. Man sollte bei einer ärztlichen Behandlung immer auf eine Histamin-Intoleranz hinweisen. Vor allem bei Operationen oder Narkosen. Gewisse Medikamente sollte man vermeiden, auch hier informiert der behandelnde Arzt. Dieser kann auch ein Notfallset verschreiben, das entsprechende Medikamente enthält und die bei einer zu hohen Histaminaufnahme sofort verabreicht werden müssen.
YOOPRESS: Können Sie uns mal aufklären in welchen Nahrungsquellen oder in welchen Nahrungsmitteln sich Histamin befindet?
M. MAIRHOFER: Ja gerne, also: Histamin ist in unverarbeiteten Lebensmitteln nur in geringem Maß vorhanden. Histamin kann sich aber beispielsweise bei der Weinproduktion bilden durch Gärung, Reifeprozesse, Fermentation und kann durch Lagerung stark ansteigen. Auch bei unsachgemäß gelagerten oder leicht verderblichen Lebensmitteln kann sich Histamin bilden.
YOOPRESS: Sie sprechen Wein und Lebensmittel an, welche alkoholischen Getränke bzw. welche Lebensmittel sind histaminreich bzw. zählen zum Risikobereich - können Sie mal einige aufzählen?
M. MAIRHOFER: Also - Alkoholische Getränke, insbesondere Rotwein, bestimmte Biersorten und Sake gehören dazu. Weiterhin Käse mit einer längeren Reifezeit. Rohwurst, Salami, Mettwurst und bei Fleisch wären das Schwein- und Rinderleber, die einen sehr hohen Histamin-Gehalt haben sowie Pharmaschinken, Bündnerfleisch, Speck - hier gilt je reifer desto höher der Histamin-Gehalt. Bei Fisch und Meeresfrüchten sind dies besonders Makrele, Sardellen, Hering, Thunfisch auch eingelegte Fische enthalten Histamin.
YOOPRESS: Und wie sind die Verhältnisse bei pflanzlichen Produkten?
M. MAIRHOFER: Hier zählt man Hefe, Kaffee, Kakaopulver, Schokolade zu histaminreichen Nahrungsmitteln. Aber auch Soja- und Tofuprodukte und Weizenmehl. Bei Gemüse und Früchten sind das vor allem Sauerkraut oder in Essig eingelegte Gemüse und Gemüsemarinaden. Bei Früchten sind das Erdbeeren, Himbeeren, Kiwi, Birnen, Bananen, Zitrusfrüchte, Ananas. Insbesondere steigen bei letzteren die Histaminwerte bei der Verarbeitung und Nüsse aller Art wären noch zu erwähnen.
YOOPRESS: Und schließlich interessieren uns noch die Exoten der Ernährungszutaten – gibt es hier auch histaminreiche Vertreter?
M. MAIRHOFER: Ja, und ob. Beispielsweise zählen Geschmacksverstärker dazu. Auch Farbstoffe können Histamin enthalten. Gerade unter diesen gibt es welche die zusätzlich Histamin im Körper freisetzen, also Histaminliberatoren (Anm. der Red.: Bezeichnung für eine Substanz, die den Körper dazu bringt, Histamin freizusetzen) bilden, die dann wiederum das Enzym Diaminoidase blockieren. Wichtig ist mir, dass Ihre Leser wissen, dass die von mir aufgezählten Lebensmittel und Zusatzstoffe nicht vollständig sind. Meine Aufzählungen beruhen auf Erfahrung und muss ständig ergänzt werden, denn jeder Körper ist einzigartig in seiner Verfassung und Reaktion auf Histamin.
YOOPRESS: Was war nach all diesen Erkenntnisse Ihr Fazit?
M. MAIRHOFER: Erstens - Allein die Menge macht die Intoleranz. Und zweitens - Meine Histamin-Intoleranz hat meinen Kochstil sehr stark beeinflusst. Meine Küche ist eine reine frische Küche. Ich muss auch nicht mehr auf Rotwein verzichten. Seit einiger Zeit ist ein Enzympräparat auf dem Markt erhältlich, das dem Körper zusätzliche Diaminoxidase zuführt. Leider bedeutet die Einnahme des Enzyms nicht unbedingt, dass man eine nötige Diät absetzen kann, aber es kann einem weiter helfen bei Lebensmitteln oder Getränken mit einen geringen Histamingehalt - ist aber letztlich auch keine Garantie, das man gefeit wäre vor Unverträglichkeiten.
YOOPRESS: Für unsere Leser ist das Thema Wein sehr wichtig – Haben Sie hierzu eine Empfehlung?
M. MAIRHOFER: Ja, gut das Sie das fragen. Was mir am Herzen liegt wäre eine Liste von Weinen und deren Histamingehalt. Es gibt viele Weinhersteller die diese Informationen schon im Haus haben - jedoch wissen sie nicht wie wichtig diese Werte für die Betroffenen sind. Mit diesen Informationen kann man wiederum helfen, damit die jeweiligen Betroffenen auch ein gutes Glas Wein zu den Mahlzeiten genießen können.
YOOPRESS: Herr Mairhofer, wir danken Ihnen für das ausführliche Gespräch.
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