Run auf Lager

Champagner bis zur Ekstase

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 26. März 2019


UK (London) – Harter oder geregelter Brexit? April, Mai, Juni oder wann oder überhaupt? Während vor und hinter den Kulissen erregt um die Ausgestaltung des EU-Austritts von Großbritannien gerungen wird, haben viele Firmen eigene Strategien für das große Fragezeichen Brexit entwickelt. Sie zeugen von Pragmatismus und Humor, wobei alle das Gleiche befürchten, was passiert, wenn …

Allen voran die Schäumer

Beim Schaumwein hört der Spaß auf, sind doch die Briten Großabnehmer in Sachen Champagner. Dass die Umsätze einbrechen könnten und damit das Horten unzähliger Flaschen auf britischem Boden begonnen hat, bedingt sich, weil eine Importsteuer bei Austritt der Briten aus der EU seitens der Produzenten des edlen Pricklers befürchtet wird. Der andere Grund ist der Sorge geschuldet, dass der britische Handel nicht genug zum Feiern bei Verbleib oder bei Austritt – ist eigentlich in dem Fall egal – vorhanden ist.
 
Dies sind die Sorgen nicht nur französischer Champagnerhersteller, die vorbereitet sein wollen, wenn nach den Geschehnissen bei den Brexit-Fans oder eben den No-Brexit-Fans die Korken knallen. Als Vorreiter haben gerade die Franzosen in jüngster Vergangenheit vorausschauend mehr als zehn Millionen Flaschen des edlen Schaumweins auf britischem Boden gehortet. Schon bald könnten es 15 Millionen Champagnerflaschen sein. Damit wappnen sie sich gegen den Worst Case: neue Einfuhrzölle und Monsterstaus für Lieferanten an den Grenzen. Ich berichtete bereits: „Millionen Champagner-Flaschen für den Brexit

Einen Plan „für harte Zeiten“ schmiedete auch das britische Weinhandelshaus Majestic Wine. Es erklärte bereits im letzten Herbst, die verbleibende Zeit bis zum Brexit zu nutzen, um aus der EU Wein im Wert von bis zu neun Millionen Euro zu importieren und einzulagern. Lesen Sie dazu mehr in meinem Bericht: „Britischer Weinhandel startet Hamsterkäufe“. Auch Unternehmen wie Premier Foods und die Cateringfirma Compass kündigten Hamsterkäufe an. Der „irische Champagner“, das heißgeliebte Guinness, könnte wegen des Brexit teurer werden - dafür sensibilisierte die irische Brauerei ihre Fans ebenfalls schon im Herbst. 

Lagerraum wird knapp

Dem Beispiel der Champagne folgen nach und nach auch anderen Weinregionen Europas. Alle, die einen Großteil ihrer Weine in Großbritannien absetzen, sind jetzt aktiv. Die Weinproduzenten sind dabei nicht die einzigen, die mögliche Lieferschwierigkeiten abwenden und ihre Waren bunkern wollen. Daraus folgt, dass die Nachfrage nach Lagerraum steigt. Der britische Verband der Lagerunternehmen rechnet aktuell mit einer Unterbrechung der Lieferkette. Das sei „eine gute Nachricht für die Branche“, weil dafür mehr Lagerhallen benötigt werden. Sie sind heute schon fast vollständig ausgelastet - normalerweise nur zwischen 85 und 90 Prozent.

Wer profitiert im Moment?

Bezüglich der Lieferkette für Waren aller Art sind auch die Niederlande eine wichtige Schleuse für Alkoholika nach Großbritannien. Außenminister Stef Blok ließ Eu-Mitgliedsstaaten wissen, sich Gedanken über einen harten Brexit zu machen und ihre Warenströme nach Großbritannien entsprechend zu planen. Die Niederlande sind wohl in jedem Fall eine Gewinnerin der EU ohne das Vereinigte Königreich. Das Land ist einer der Hauptumschlagplätze für den Warenverkehr mit Großbritannien, Drehscheibe ist Europas größter Hafen Rotterdam. Schon über 40 Firmen aus Großbritannien konnte Den Haag abwerben. Sony verlegt seinen Europasitz von London nach Amsterdam und auch die Europäische Arzneimittelbehörde zieht von dort nach Amsterdam um.

Welche skurrilen Blüten der Brexit treibt

Einen Siegeszug erlebt derzeit Mozzarella „made in Britain“. Deren Hersteller profitieren von der Unsicherheit beim Brexit, denn viele Abnehmer schwenken auf heimische Produkte um. Die Wasserbüffel genießen die grünen Wiesen der Insel voller Kräuter und Klee – und der britische Gaumen entwöhnt sich allmählich vom italienischen Original.

Schon länger bemerkbar macht sich der Brexit in der Flaggenproduktion. Die Nachfrage nach EU-Fahnen brach drastisch ein, die Bestellungen der britischen Landesflagge nahmen hingegen seit dem Sommer um 75 Prozent zu.

Die Modebranche ist beinahe geschlossen gegen den Brexit – 96 Prozent der Unternehmensführer stimmten damals beim Referendum dagegen. Die für ihr politisches Engagement bekannte Modeschöpferin Katharine Hamnett ließ kürzlich unmissverständliche Slogans auf ihre Shirts drucken: „Mode hasst Brexit“ oder „Sagt den Brexit ab“.

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