Die Wende Teil-I: Den Weinen der Mitteklasse gehört die Zukunft in China

12.04.2014 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Peking) - Das Gros der chinesischen Konsumenten konzentriert sich traditionell auf inländische Marken. So wurden bisher mehr als 80 Prozent der konsumierten Weine in China hergestellt. Die Einfuhren schwankten in den letzten fünf Jahren zwischen 15 und 20 Prozent, gemessen am Gesamtvolumen des Handels. "Der größte Vorteil für den chinesischen Wein liegt im Verständnis des Marktes", sagt Judy Leissner, Verwalterin von Grace Vineyard, das zur Torres-Gruppe gehört. "Die heimischen Händler aber auch die Erzeuger wissen, wie sie die Konsumenten erreichen und das ist ihr Vorteil. Um diesen Vorteil auszugleichen, wenn überhaupt, benötigen die ausländischen Erzeuger noch Jahre."

 

Dieser von Judy Leissner angesprochene Vorteil ist offensichtlich. Die Erzeuger wissen, wie sie sich darstellen und auftreten müssen, sie kennen die Behördenstruktur und wissen, wie sie Schwierigkeiten umgehen können. Erst in 1997 gegründet, hat Grace Vineyard bereits mehrere internationale Auszeichnungen und so weltweite Anerkennung erhalten. "Die noch relativ kleine Anzahl chinesischer Produzenten kann leicht mit der hohen Nachfrage nach inländischen Weinen umgehen", sagt Judi Leissner. "Es ist einfacher einen Wein Made in China zu vermarkten - allein schon wegen der fehlenden Konkurrenz. Bordeaux beispielsweise hat weit über 10.000 - wir in China nicht mehr als 1.000 Erzeuger. Unser Verhältnis als chinesisches Weingut zum eigenen Markt ist weit entspannter."

Dennoch bekommt auch Grace Vineyard den Druck der Sparmaßnahmen der Regierung zu spüren. In 2013 war es das erste Mal seit 2003, dass inländisch produzierte Weine nicht mehr über ein zweistelliges Wachstum kamen. Die drastisch geschrumpfte Nachfrage nach High-End-Weinen und die deutliche Tendenz zu günstigeren Weinen kommt gerade den chinesischen Erzeugnissen zugute. Im Wettbewerb mit nun auch günstiger importierten Weinen sind die weniger anspruchsvollen chinesischen Weine plötzlich in Mode. Sie treffen den Geschmack der Konsumenten und das nicht nur im Glas, sondern auch mit ihrer Verpackung, Ausstattung und passenden Verkaufsargumenten.

"Meine Landsleute verbinden den Wein mit einem Gefühl von Status. Die großzügigen Geschenke der Regierung haben auch dazu beigetragen", sagt Jim Boyce, Autor des in Peking ansässigen Weinblogs Grape Wall of China. "In den letzten zehn Jahren war der Geschmack des Weins kein Entscheidungsgrund für den Kauf. Jetzt müssen die Händler Kunden finden, die ihre Weine aus Gründen des Geschmacks kaufen wollen. Ich denke, wir bewegen uns nun in eine Ära, wo der Konsument mehr Macht bekommt."

Und so wird es kommen, dass bescheinigen auch Kenner der Wein- und Wirtschaftsszene gleichermaßen. Die Verlegung der Kaufentscheidung auf den Konsumenten wird einen gesünderen Markt ergeben, sagen die Experten. Ab jetzt tritt der Geschmack sowie das Preis-Leistungsverhältnis in den Vordergrund. Die schrittweise Abkehr von Premium-Weinen berühmter Erzeuger öffnet auch den kleineren ausländischen Erzeugern die Tür. Dazu passt natürlich auch, dass sich der chinesische Konsument beginnt, sich statt auf Status auf den Geschmack zu konzentrieren. Allerdings, der chinesische Geschmack ist eigen - ausländische Gewohnheiten einfach so zu übertragen wäre der falsche Weg.