Getürkte Weine: Panschen, spritzen, Etiketten kleben

26.11.2009 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Paris) - Luxus-Handtäschchen, teure Markenbrillen, edle Armbanduhren und Designerkleidung - nichts, was beim Kunden begehrt ist, ist vor Produktfälschern sicher. Neu ist, dass es immer öfter auch edle Weine trifft. Besonders betroffen sind renommierte Tropfen aus den Weinbergen um Bordeaux und im Burgund. Flaschen, deren Etiketten noble Namen wie Petrus, Château d'Yquem oder Romanée-Conti zieren, gehen im Internet und bei Versteigerungen teils für tausende Euro weg - und sind immer häufiger plumpe Fälschungen.

 

Gefälschte Lagenweine habe es zwar schon früher "hie und da gegeben", erläutert Sylvain Boivert, Leiter einer Interessengemeinschaft von Winzern, die Spitzenweine keltern. Und bisher habe die Produktpiraterie auch noch keine "industriellen Ausmaße" angenommen, wie dies beim Fälschen von anderen Luxus-Markenartikeln der Fall sei. Doch mit der steigenden Nachfrage und den in die Höhe kletternden Preisen entdeckten immer mehr Fälscher das lukrative Geschäft.

Besonders anfällig für gepanschte Weine sind die Verkäufe im Internet und auf Versteigerungen, vor allem im Ausland. Denn während Spitzenweine in Frankreich einer Analyse unterworfen werden müssen, bevor sie unter den Hammer kommen, ist dies anderswo oft nicht der Fall. Grundsätzlich gelte die Faustregel, "je weiter weg, desto plumper die Methoden", erläutert Angélique de Lencquesaing, Gründerin der Internet-Seite IdealWine.

In Russland oder China beispielsweise sind Fachleuten zufolge schon Flaschen mit fotokopierten Etiketten versteigert worden, oder aber Weine, deren Name auf dem Etikett nicht mit dem auf dem Korken übereinstimmte. In anderen Fällen waren Etikett und Korken zwar echt, nicht aber der Inhalt der Flasche. Eine beliebte Methode besteht darin, einen Teil des Spitzenweins mit billigerem Rebensaft zu vermischen - etwa mit Hilfe einer Spritze, die durch den Korken geführt wird.

Entwickelt habe sich die einträgliche Panscherei nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, "als die Russen und Chinesen begannen, teure Weine zu kaufen", erläutert der Bernard Magrez, Eigentümer von 35 Weinbergen bei Bordeaux. Die Nachfrage sei enorm gewesen - und damit auch die Versuchung. Zumal mit seltenen Nobelweinen viel Geld zu verdienen ist: Bei Versteigerungen in New York, London oder Hongkong berappt so mancher Käufer mehr als 10.000 Euro für eine Flasche.

Da die Nachfrage in Asien weiter rasant ansteige, werde sich auch die Produktpiraterie in diesen Ländern weiter entwickeln, fürchten die französischen Branchenkenner. Mitverantwortlich seien nicht zuletzt die Auktionshäuser, die es mit den Kontrollen nicht sehr genau nähmen, sagt David Ridgway, Sommelier im Pariser Gourmet-Tempel "La Tour d'Argent". So seien bereits Tausende von Flaschen mit dem Etikett Romanée-Conti Jahrgang 1945 versteigert worden - "dabei ist bekannt, dass in diesem Jahr nur 600 Flaschen produziert wurden".

Ein Lied von der Panscherei kann auch Laurent Ponsot singen, Eigentümer des renommierten Weinguts Domaine Ponsot im Burgund. Er erfuhr 2008 von einer Versteigerung in New York, bei der laut Katalog Weine mit der Ursprungsbezeichnung "Clos Saint Denis" Jahrgang 1945 unter den Hammer kommen sollten. "Doch dieser Lagenwein wurde überhaupt erst ab 1982 gekeltert", sagt Ponsot. Der Franzose fuhr eigens nach New York, um die Versteigerung zu verhindern, und zog mit viel Medienrummel vor Gericht.

Mit dieser Offenheit steht Ponsot unter den Opfern der Produktpiraterie allerdings ziemlich alleine da. "Es gibt ein Gesetz des Schweigens", sagt der Weintester Claude Maratier. Die meisten Erzeuger hätten zu viel Angst um den guten Ruf ihrer Weine. Sie reichten zwar oft Klage ein, aber sehr diskret.