Karl Heinz Johner In Neuseeland: Ein Kaiserstühler am Ende der Welt
16.02.2017 - R.KNOLL
NEUSEELAND (Wairarapa) – Er studierte in den siebziger Jahren auf der Uni Geisenheim Weinbau. Dann war er einige Jahre Winemaker in England, als dort Weinbau noch keinerlei Bedeutung hatte. Aber dann zog es den umtriebigen Karl Heinz Johner zurück in die Heimat, wo er 1985 mit seiner Frau Irene ein Weingut in Bischoffingen am Kaiserstuhl gründete. Bald erregte er Aufmerksamkeit, weil er viel – und durchaus gekonnt – mit Barriques hantierte und sogar den Müller-Thurgau dem neuen Holz aussetzte. Seine Vorbilder waren die Weine der Bourgogne, kraftvolle, elegante Gewächse mit einem sanften Holztouch (der vor 30 Jahren die Weinprüfer noch arg irritierte).
Johner machte Karriere. Sein 17-Hektar-Betrieb gehört heute zu den führenden badischen Weingütern. Aber irgendwann wurde ihm der Kaiserstuhl etwas zu eng. Es traf sich gut, dass Junior Patrick (Jahrgang 1972) Interesse am Weinbau zeigte, ebenfalls Weinbau studierte und nach Meinung des Vaters auch die neue Welt kennenlernen sollte. Also reiste man gemeinsam, unter anderem nach Australien. Auf einer dieser Touren registrierte Karl Heinz Johner ein Verkaufsanzeige: 50 Hektar Rebfläche in Neuseeland für umgerechnet 220 000 D-Mark. Er nahm Witterung auf…
Schnell stellte sich heraus, dass die Offerte nicht seriös gewesen war. Aber Johner bekam andere Kontakte, spielte zwischendrin auch mit dem Gedanken einer Partnerschaft mit einem Kollegen aus Deutschland. Die Pläne zerschlugen sich wegen unterschiedlicher Auffassungen. Doch der Reiz, zwei Ernten in einem Jahr einzufahren und dabei den Winter in Deutschland hinter sich lassen können, führte schließlich zum Entschluss, in Neuseeland ein Weingut aufzubauen. Den Betrieb am Kaiserstuhl wusste er bei Patrick in guten Händen. Er begann mit 14 Hektar im Wairarapa-Tal in der Nähe der Hauptstadt Wellington.
Faszinierend war es für den Badener, auf grundlegend anderen Böden als am vulkanischen Kaiserstuhl in einem unterschiedlichen Klima mit kühlen Nächten und ständigem Wind Wein zu machen. Die Weinberge sind dichter bepflanzt. Die Trauben werden wie am Kaiserstuhl streng reduziert. Grundsätzlich sind die Erträge nur etwa halb so hoch wie in Deutschland. Angestrebt wird ein eigenständiger Stil. Viele neuseeländische Weine sind Muskelprotze mit reichlich Alkohol. Bei Johner Estate sind vor allem die Weißweine wie Sauvignon blanc, Pinot Gris, Chardonnay, Riesling eher schlank, verspielt, saftig. Sie haben Trinkfluss. Auch der Pinot Noir kann in der Basislinie leichtgewichtig ausfallen. Die gehobenen Qualitäten sowie Syrah und Cuvées fallen dagegen schon mal kraft- und druckvoll aus. Beliebt bei Kunden sind seine Sparklings (Blanc de Blanc und Blanc de Noir). Und der nach Erdbeeren duftende Rosé vom Pinot ist jedes Jahr als erster Wein ausverkauft. Die Rotweine vom Pinot Noir haben eine gute Stabilität. Die Jahrgänge 2006 und 2010, die er in einem gekühlten Container (seine improvisierte „Schatzkammer“) gelagert hat, zeigten sich bei einer Probe vor Ort noch sehr charmant.
Der 65-Jährige hat die Rebfläche auf 27 noch nicht komplett bestockte Hektar erweitert und ist damit ein Teil des Booms der neuseeländischen Weinwirtschaft. Die Fläche wuchs in den letzten 25 Jahren von knapp 5000 auf deutlich über 30 000 Hektar, die Zahl der Betriebe von über 100 auf heute rund 600. Das hat fast zwangsläufig zu zwischenzeitlichen Absatzproblemen und zum Arbeitskräftemangel in der Weinwirtschaft geführt. Johner hat Deutschland als wichtigen Absatzmarkt (45 Prozent der Neuseeland-Ernte). Und er hat vor Ort mit dem Schweizer Winemaker Raphael Burki einen tüchtigen Verwalter, den er auch mal sieben Monate im Jahr allein lassen kann. Er selbst ist dreimal im Jahr für längere Zeit im Weingut, meist in der schönen Jahreszeit. „Wenn in Deutschland Winter ist, wird er trübsinnig und hat damit schon einen guten Grund, wieder auf die Reise zu gehen“, lacht seine gutmütige Gattin Irene. Manchmal ist die Reise nach Neuseeland oder zurück mühselig. Mit rund 36 Stunden und zwölf Stunden Zeitunterschied muss man leben. Zuletzt im Dezember kam Johner erst nach 60 Stunden in der badischen Heimat an, weil ein Flieger umgeleitet werden musste und ein Anschlussflug verpasst wurde…
Da hätte er wohl fast lieber Weihnachten in Neuseeland verbracht. Das Weingut dort kann keinen Prachtbau vorweisen, wie einige Betriebe, an denen man auf der Fahrt zum abgelegenen Johner Estate vorbeikommt. Es gibt eine hübsche Vinothek und ein weiteres Gebäude mit Wohnräumen, Lagerhallen, den Container für die reifen Weine – das war’s dann schon. „Aber mir genügt das“, strahlt der Badener, freut sich, wenn private Kunden bei ihm in größerer Zahl kostenfreie Weinverkostungen machen und er damit immer wieder mal durch die im Land nicht selbstverständliche Großzügigkeit neue Käufer findet.
Hin und wieder bekommt er auch Besuch von Kollegen aus der Heimat und anderen Ländern. So findet sich im Gästebuch ein Eintrag von Ernst Triebaumer und seiner Frau Margarethe aus dem burgenländischen Rust. Ernst, mit seinen knapp 70 Jahren schon eine Winzerlegende, weil er einst mit seinem Blaufränkisch Mariental 1986 einen roten „Urknall“ in Österreich fabrizierte, kann sich heute im Ruhestand mal so etwas wie einen Ausflug nach Neuseeland leisten. Er hielt beim Kollegen fest: „Großes Kompliment für die Qualität der Weine. Viel Erfolg am Ende der Welt.“