Weinwelt trauert um Serge Hochar

12.01.2015 - arthur.wirtzfeld

LIBANON (Ghazir) - Die treibende Kraft hinter dem libanesischem Weinbau und Château Musar, Serge Hochar, verstarb jetzt unerwartet im Kreise seiner Familie. Serge Hochar wurde 75 Jahre alt. Geboren im November 1939 studierte Hochar erst Bauingenieur, führte diesen Beruf aber praktisch nicht aus, weil er in der familiengeführten Weinproduktion seine Zukunft sah. Im Jahr 1959 begleitete er unter Führung seines Vaters Gaston Hochar seinen ersten Jahrgang. Der Franzose Caston Hochar, der Château Musar in den 1930iger Jahren gründete, hatte die Vision, die alte Weintradition des Libanon wiederzubeleben und das wollte sein Sohn Serge vollenden.

 

Bevor Serge vollends im Familienbetrieb einstieg studierte er Önologie in Bordeaux. Nach seiner Rückkehr kreierte er noch gemeinsam mit dem Vater einen einzigartigen Weinstil, den Kritiker und Weinliebhaber als unverwechselbar beschrieben. In den Wirren des Bürgerkrieges Anfang der 80iger Jahre verlor Château Musar fast seinen gesamten Markt. Ab dieser Zeit bis zu seinem Ableben war Serge Hochar immer auf der Suche nach Kunden auf internationalen Märkten und ständig auf Reisen. „Es gab kaum einen Event oder Präsentation, die Serge ausgelassen hätte. Er bereiste praktisch die ganze Welt und warb für seinen Wein“, sagt der britische Weinkritiker Michael Boreadbent.

Im Jahr 1979 entdeckte Michael Broadbent die Weine von Château Musar als Serge Hochar an der Weinmesse im britischen Bristol teilnahm. Château Musar heimste den Hauptpreis der Messe ein – Broadbent berichtete darüber – was auch gleichzeitig der Beginn der lebenslangen Freundschaft zwischen Michael und Serge begründete. „Er war einer meiner besten Freunde. Er war ein außergewöhnlicher Weinmacher. Er war großzügig und liebenswert. Er war ein erstaunlicher Mann. Er wird uns fehlen“, so der Nachruf seines Freundes Broadbent, dessen Sohn Bartholomäus im Laufe der Jahre auch Château Musar als Vertreter im Marketing und Vertrieb in einigen Ländern unterstützte.

„Eine Anekdote, die Serge bezeichnet, muss ich erzählen“, sagt Michael Broadbent. „Anfang des Jahres 1968 rief mich Serge an – er war gerade auf einer Weintour zu den Oster- und Galapagosinseln unterwegs und erzählte mir, dass er von dort aus in die Antarktis reisen würde. Ich frage ihn wieso. Er antwortete mir: Ein Weinenthusiast, der zum Silvesterabend 1967 eine Flasche Château Musar bei seinem Aufenthalt in der Antarktis geöffnet und genossen hatte, hat mir die Flasche wiederum mit abgekratztem Eis von einem Eisberg gefüllt zu Château Musar in den Libanon gesandt. Ich muss jetzt dahin, weil mein Wein dort war und ich noch nicht.“

Serge Hochar, der fließend Französisch, Englisch und Arabisch sprach traf auf seinen Reisen viele führende Persönlichkeiten, die ihn achteten und auch nach Jahren der Treffen in unzähliger Anzahl kondolierten. Jancis Robinson würdigte Hochar als einen Weinmacher, der nicht nur zum Thema Wein etwas zu sagen hatten, sondern auch Themen anführte, die zum Nachdenken anregten. „Serge war so viel mehr als nur ein Weinmacher und treibende Kraft hinter Château Musar“, sagt Robinson. „Er hatte einen starken spirituellen Charakter und war ein Asket und in der Tat, positiv schelmisch. Die Gespräche mit ihm bereiteten großen Spaß. Er hatte ein tiefes Verständnis für die menschliche Natur und ließ sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken. Ich habe nicht nur seine Gesellschaft gesucht wo immer sich unsere Wege kreuzten, sondern auch sehr genossen.“ 

Steven Spurrier, Redakteur beim Decanter, sagt über Hochar: „Ich lernte Serge in den führen 1980iger Jahren kennen, als er meinen Shop in Paris besuchte. Er war einer meiner Kunden und ich verkaufte seine Weine, aber in der Folge wurde aus geschäftlichen Beziehung eine unerwartete Freundschaft, die bis zu seinen Tod anhielt. Serge vertrat die Kunst des Möglichen, dabei war er immer kultiviert, fast altmodisch, aber mit einem besonderen Charme. Er war darüber hinaus eine liebenswerte Inspiration für alle Weinliebhaber.“

Dabei war sein Weinleben im Libanon nicht einfach. Die Herstellung von Wein im Bekaa-Tal des Libanon war zu Zeiten des Bürgerkriegs eine gefährliche und riskante Aufgabe. Aber Serge Hochar war so von dem Terroir der Region inspiriert, dass er mehr als einmal sein Leben riskierte. „Das Bekaa-Tal ist für Reben wie der Garten Eden. Der Boden und das Klima geben dem Wein seine große Stärke und Qualität. Dafür lohnt es sich zu kämpfen“, war sein Credo. Inmitten von Gewehrschüssen und Granaten brachte Serge oftmals seine handverlesenen Trauben zum Keller in Ghazir. Beispielsweise musste er im  Jahr 1984 die Trauben über die See transportieren, die bei der langsamen Reise per Boot oftmals zu gären begannen, bevor er den Keller erreichte. In 1990 musste er rund 250 km Umweg in Kauf nehmen, bevor er die Trauben um den Bürgerkrieg herum zum Keller bringen konnte.

Es war diese stoische Hingabe im Angesicht der Widrigkeiten, die ihm nicht nur der Decanter als Mann des Jahres zur Ehre brachte. Die Internationale Weinszene zählt Serge Hochar zum Kreis des prestigeträchtigsten Clubs der Weinmacher. Dazu gehören außer ihm solche Größen wie Aubert de Villaine, Marchese Piero Antinori, Marcel Guigal und Christian Moueix. „Serge Hochar war so originell und überraschend wie seine außergewöhnlichen Weine“, beschreibt ihn Sarah Kemp, Verlagsleiterin des Decanter. „Als Mann des Jahres in 1984 vom Decanter ausgezeichnet war er der Maßstab, an dem die nachfolgenden Empfänger dieses Titels sich messen mussten. Ich hatte das große Privilet ihn 30 Jahre als Freund zu erfahren und danke ihm für seine wunderbare Wärme.“

So trauert die Weinwelt um eine herausradende und viel bewunderte Figur, über den Verlust eines außergewöhnlich mutigen und umtriebigen Pioniers, einem Weinsymbol und abenteuerlichen Botschafters für sein Land und seinen Wein, um einen angesehenen Vertreter seines Berufsstandes. Serge Hochar hinterlässt seine Frau Tina, seine Tochter Karine und seine Söhne Gaston und Mar.