Abschied von Walter Henninger: Ein Münchner als Pfälzer Institution

12.11.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Kallstadt) - Er war zwar gebürtiger Münchner, aber er wurde zu einer Pfälzer Institution. Über einige Jahrzehnte hinweg ab 1957 führte Walter Henninger in unnachahmlicher Art das Weinhaus Henninger in Kallstadt und leitete zugleich das kleine VDP-Weingut Georg Henninger IV. mit einigen Hektar Rebfläche, das sich dem durchgegorenen Wein verschrieben hatte. Am 9. November nahm eine gute Hundertschaft alter Bekannter und Freunde, darunter Wegbegleiter aus der Weinszene wie Uli Mell (Bassermann-Jordan), Fritz Becker und die Brüder Werner und Volker Knipser bei einer Trauerfeier in Kallstadt Abschied von ihm. 

 

Die Familie Henninger hatte im Verlauf von Jahrhunderten tiefe Wurzeln in Kallstadt geschlagen. Das stattliche Anwesen in der Ortsmitte wurde bereits 1615 erbaut. 1855 begann Johannes Henninger II. mit dem Weinverkauf über eine Gaststätte, die zu späteren Zeiten oft zum Treffpunkt auch von Prominenz aus Wirtschaft und Politik sowie von Winzern wurde. Die legendäre Wirtin Luise Henninger (1871-1951) machte aus dem schlichten Gutsausschank eine Pilgerstätte für Genießer, die regionale Kost und gute Weine schätzten. Und sie sorgte dafür, dass das einstige Arme-Leute-Essen Saumagen als Delikatesse geschätzt wurde. 

Ihr Enkel Walter (Jahrgang 1929), der in der bayerischen Landeshauptstadt aufgewachsen war (sein Vater betrieb hier in der Nähe des Waldfriedhofs einen Weinhandel), übernahm auf Geheiß der Familie 1957 den Betrieb in Kallstadt. Er pflegte beim Wein in der lieblichen Phase der deutschen Weinwirtschaft in den sechziger und siebziger Jahren seinen eigenen, kompromisslosen Stil. Süßreserve zur Abrundung kam für ihn nicht in Frage. „Henningers Kneipp Riesling“ in der Literflasche avancierte zu einer erfolgreichen „Marke“ und wurde geschätzt für seine knackige, betont herbe Stilistik und die schnörkellose Art. Später, ab 1993, überließ er den Ausbau seinem guten Freund und Nachbarn Bernd Philippi (Weingut Koehler-Ruprecht). Das Gasthaus wurde 2003 verpachtet. Heute ist ihm nach einem Besitzerwechsel ab 2010 ein Landhotel angegliedert, aber der ursprüngliche Stil des Hauses blieb weitgehend erhalten. 

Walter Henninger hatte sich in den letzten Jahren zurückgezogen. Er musste in seinem Leben einige Schicksalsschläge (früher Tod der Tochter und der in München beim Weinhandel verbliebenen Frau) mit scheinbarer philosophischer Gelassenheit überwinden, vermutlich nach dem Lehar’schen Motto „immer nur lächeln, immer vergnügt, doch wie’s da drin aussieht, geht niemand was an.“ Bei der Trauerfeier erzählte seine Schwester Auguste Freiger davon, wie ihr der „große Bruder Walter“ oft bei Problemen beistand. „Er war immer da, wenn ich ihn brauchte.“ 

Ein Besuch „beim Walter“ in Kallstadt war stets ein Erlebnis. Zudem gab es viele Begegnungen bei anderen Gelegenheiten und manche Verkostungen mit denkwürdigen Weinen, da er sich nicht nur auf die eigenen Pfälzer Gewächse beschränkte. Er schätzte die Weine der Bourgogne und gab seiner Liebe zu Südtirol mit den Gewächsen aus diesem Gebiet Ausdruck. Kurz vor seinem Ableben konnte er nochmal Station auf seinem geliebten Ritten auf rund 1000 Meter Höhe machen, ehe er den Urlaub mit seiner tapferen Lebensgefährtin Hilde Bender wegen gesundheitlicher Probleme vorzeitig abbrechen musste. Danach war es bald vorbei. Am 1. November 2015 schloss er die Augen für immer.

Wer ihn kannte, wird ihn als liebenswürdigen Menschen in Erinnerung behalten, der es irgendwie schaffte, die Brille, die auf der Nasenspitze balancierte, nicht zu verlieren. Wir probierten viel zusammen bei diversen Wettbewerben wie dem Deutschen Rotweinpreis, wo Walter Henninger mit seiner Fachkompetenz geschätzt wurde. Immer hatte er dabei muntere Sprüche parat. Bei Korkschmeckern hörten wir oft „Es hört net uff zu passiere“. Eine missratene trockene Dornfelder Beerenauslese beschrieb er kurz und bündig mit fünf Buchstaben als „Unfug“. Bei einer Verkostung mit bedenklichen Bio-Weinen der ersten Generation erkannte er „eine Orgie der Mikroorganismen.“ Und ein Spätburgunder konnte schon mal „sexy“ sein. 

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