Wiener Gemischter Satz soll DAC-Status bekommen

15.05.2013 - R.KNOLL

ÖSTERREICH (Wien) - Der „Gemischte Satz“ hat es in Wien in den letzten Jahren fast zu einem Kultstatus gebracht. Jetzt will die Vereinigung der WienWein-Winzer dieser traditionellen Sortenmixtur den DAC-Status verleihen lassen. Was nicht allerorten als notwendig erachtet wird.

 

Die drei Buchstaben als zusätzliche Weinbezeichnung wurden mit dem Jahrgang 2002 für die Sorte Grüner Veltliner im Weinviertel eingeführt. Sie stehen für „Districtus Austriae Controllatus“ und nehmen Anleihe an den traditionellen Bezeichnungen AOC für Frankreich und DOC für Italien. Sie sollen in Österreich die Herkunftstypizität bestimmter Sorten deutlich machen. In den letzten Jahren kamen noch weitere DAC-Bezeichnungen hinzu, zum Beispiel für die Regionen Kremstal und Kamptal (hier für Riesling und Grüner Veltliner) sowie für das Burgenland (zuerst für den Blaufränkisch, zuletzt noch für den Zweigelt). Man hat sich auf zwei „Gewichtsklassen“ verständigt, nämlich den normalem, eher leichteren DAC und einen kräftigen Reserve, bei dem bei Rotweinen auch neues Holz im Spiel ist.

Die Deklaration wird nicht überall verstanden, selbst in Österreich wird sie von vielen Weinfans nicht sonderlich hoch geschätzt. Ein Problem ist auch, dass das Versprechen deutlich höherer Qualität nicht immer eingehalten wird und es, gerade bei der österreichischen Leitsorte Grüner Veltliner, um die Typizität nicht immer zum Besten bestellt ist.

Beim Gemischten Satz aus Wien existiert dieses Problem nicht. Denn bei der hier üblichen bunten Sortenzusammensetzung kann man nicht von einem bestimmten Sortentyp sprechen. Grüner Veltliner, Weißburgunder, Neuburger, Muskateller, Traminer, Riesling, Müller-Thurgau und Welschriesling stehen entweder reihenweise oder im Durcheinander in einem Weingarten; manchmal sind sogar Sorten dabei, die nur erfahrene Ampelographen noch identifizieren können. Üblich ist eine gemeinsame Verarbeitung der Trauben und des Jungweines.

Das hat Tradition vor allem in Wien, wenngleich es in anderen Regionen (Kamptal, Steiermark) auch solche Anlagen gibt und deutsche Winzer ebenfalls schon auf diesen Zug aufgesprungen sind. So kann das fränkische Weingut Otmar Zang in Sommerach inmitten eines Getreidefeldes einen „Alten Satz“ vorweisen, der 1835 gepflanzt wurde und sich aus 35 verschiedenen Sorten (!) zusammensetzt, von denen einige nicht mehr bestimmt werden können. Der hier wachsende Wein gehört Jahr für Jahr zu den Aushängeschildern des Betriebes. Mischsatz war in Deutschland früher nicht selten. Oft wurde als Ergänzung zum Riesling Muskateller oder Traminer im gleichen Weinberg gepflanzt, um mehr Aroma zu erhalten.

Der Gemischte Satz in Wien erlebte in den 70er und 80er Jahren, als Reinsortigkeit in Mode kam, einen deutlichen Imageschwund, zumal in den Heurigen unter dieser Bezeichnung meist minderwertiger Schankwein ausgeschenkt wurde. 2006 fanden sich einige der führenden Wiener Winzer zusammen, um den Hauptstadt-Wein, der auf gut 600 Hektar betrieben wird, insgesamt wieder voran zu bringen. Eine ihrer Zielsetzungen war es, eine Renaissance des „Wiener Gemischten Satzes“ einzuläuten. Mittlerweile ist diese Weinart ein Exportschlager und fest in der Szene- und Topgastronomie Wiens angesiedelt. Sommeliers schätzen sie, weil sie vielseitig als Speisenbegleiter verwendbar ist. Die Vereinigung Slow Food ernannte den Wein 2008 zum schützenswerten Presidio-Produkt.

Willi Klinger, Chef von Österreich Wein Marketing, bezeichnet den „Satz“ als „Rarität und unverwechselbaren Weintyp. Sein Schutz ist eine existentielle Maßnahme für den Wiener Weinbau, der durch die dynamische Entwicklung der Großstadt ohnehin einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt ist.“ Fritz Wieninger, Sprecher der fünf WienWein-Winzer, freut sich, dass man diesen Wein aus der qualitativen Bedeutungslosigkeit wieder an die Spitze des Wiener Weinbaus bringen konnte. „Aber jetzt möchten wir, dass die Güte und unverfälschte Herkunft ein für allemal festgeschrieben und vor allem kontrolliert wird.“ Aus der Weinszene habe man 98 Prozent Zustimmung gespürt. Wieninger ist überzeugt davon, dass der DAC-Status mit dem Jahrgang 2013 erteilt wird. Er geht bei einem normalen Jahrgang ohne den gelegentlichen Hagel von mindestens 500 000 Flaschen Wiener Gemischter Satz aus.

Natürlich machen alle fünf Mitglieder der Interessengemeinschaft mit. Fritz Wieninger, Rainer Christ, Michael Edlmoser, Thomas Podsednik (Weingut der Stadt Wien - Cobenzl) und Gerhard Lobner (Mayer am Pfarrplatz) haben am Wiener Weinbau einen Anteil von knapp einem Drittel. Einer der Großen – und Besten – fehlt indes in dieser Runde. Richard Zahel kehrte dem Verein vor zwei Jahren den Rücken. Er war nach eigener Angabe der Erste, der „Wien Gemischter Satz“ auf seinen Etiketten angab, „obwohl mich viele damals für einen Spinner hielten.“

Zahel ist auch der Auffassung, dass ein DAC-Status nicht notwendig ist und nur der Profilierung einiger Betriebe dienen soll. Zudem sei die Sache nicht zu Ende gedacht, eine gesetzliche Basis könne schwer gefunden werden, wenn die üblichen Maßstäbe bei einer DAC-Regelung angewandt würden. Beispiel: Im Weinviertel darf nur beim geprüften Grüner Veltliner die genaue Herkunftsangabe auf dem Etikett stehen, alle anderen Weine – auch solche von exzellenter Qualität – können nur mit Herkunft „Niederösterreich“ vermarktet werden. Wien bleibt indes Wien, eine Alternative gibt es nicht. Zahel lacht: „Man kann ja schlecht neben einer DAC Wien Gemischter Satz künftig alle anderen Weine mit der Herkunft Hauptstadt deklarieren…“. Oder gibt es künftig Riesling, Grüner Veltliner und Pinot noir mit der Herkunft „Vienna“?