Concours Mondial de Bruxelles in Bratislava: Zu viele “Noten-Killer”

22.05.2013 - R.KNOLL

SLOWAKEI (Bratislava) - Über 2400 Medaillen (Großes Gold, Gold und Silber) für insgesamt rund 8200 Weine wurden vergeben beim Concours Mondial de Bruxelles. Dieser Wettbewerb ist zwar nicht der größte seiner Art, aber es gibt ihn schon seit 1994 und er hat sich seitdem enorm entwickelt, nicht zuletzt deshalb, weil er seit 2006 auf wechselnden internationalen Plätzen stattfindet und damit von üblichen Ritualen abweicht. Diesmal war nach Lissabon, Maastricht, Bordeaux, Valencia, Palermo, Luxemburg und Guimarães (Portugal) die Hauptstadt der Slowakei, Bratislava, an der Reihe.

 

Es war der erste Ausflug in ein mitteleuropäisches Land. Nächstes Jahr, zum 20-jährigen Jubiläum, wird wieder Belgien mit Brüssel an der Reihe sein. Verantwortlich ist der belgische Zeitschriftenverleger (u.a. Magazin Vino), Baudouin Havaux, der den teilnehmenden Betrieben zwar hohe Gebühren (deutlich über 100 Euro pro Wein) abverlangt, aber auch für einen perfekten Ablauf der Verkostungen sorgt und Fachleute aus rund 40 Ländern in die Jury einlädt. Etwa die Hälfte davon sind Journalisten.

Ob wirklich nur Experten mit dem nötigen internationalen Horizont berufen werden, sei dahingestellt. Für Teilnehmer, die beispielweise vielleicht erstmals in ihrem Leben Eiswein verkosten dürfen, wird es schwierig, einzuordnen, was ein richtig guter oder auch missratener Wein aus gefrorenen Trauben ist. Wer keine Erfahrung mit Weinfehlern hat, gibt manchmal erstaunlich hohe Noten für oxidierte Weine oder Anstellungen, die einen eigentlich unverkennbaren Böckser haben.

In unserer Fünfer-Gruppe hatten wir einen solchen Verkoster, der in schöner Regelmäßigkeit deutlich von den übrigen Juroren abwich. Wenn vier Fachleute um die 90 Punkte gaben, stand bei ihm eine Sieben vorn dran. Wenn das Quartett einen schwachen Wein mit 70 bis 75 Punkten abfertigte, vergab er annähernd 90 Punkte… Wer sich umhörte bei anderen Gruppen, bekam schnell zu hören, dass so etwas kein Einzelfall war. „Solche Noten-Killer gibt es leider häufiger“, urteilte ein deutscher Weinjournalist. Bleibt nur zu hoffen, dass die Extrem-Abweichler registriert und nicht mehr eingeladen werden – denn sie verfälschen Ergebnisse.

Mag sein, dass auch das nicht unkomplizierte Bewertungssystem dazu beiträgt, dass Noten sehr unterschiedlich sind. 100 Punkte können maximal pro Wein vergeben werden, dafür muss man zehnmal ein Kreuzchen in vorgegebene Felder machen. Kreiert hat das System die Internationale Organisation für Rebe und Wein (OIV). Erfahrene Verkoster haben dafür das Motto „warum einfach, wenn es umständlich auch geht“ ausgegeben. Profis brauchen keine Kreuzchen, für sie würde ein einfaches Blatt genügen, auf dem man seine aus dem Weingefühl heraus entwickelte Punktzahl notiert.

Der Wettbewerb wird von den Veranstaltern als „Art Weltmeisterschaft“ bezeichnet. Das stimmt nur bedingt, weil einige wichtige Weinländer den Concours weitgehend ignorieren. So stellten deutsche Erzeuger lediglich 39 Weine an, die Österreicher boten gar nur 17 Weine auf, weniger als Belgien (22), das nicht gerade als Weinland verschrien ist. An der Spitze stehen naturgemäß die großen Weinnationen Frankreich (2541 Anstellungen), Spanien (1549), Italien (993) und Portugal (925). Frankreich war dann auch am Ende der große Absahner mit 709 Auszeichnungen.

Für Deutschland gab es sechs Medaillen. Gold bekam ein Chardonnay-Sekt von der Mosel (St. Laurentius-Sektgut in Leiwen), fünf Silbermedaillen gingen nach Rheinhessen (zweimal Wagner in Essenheim, zweimal Bernd Philipp Runkel in Bechtheim, einmal Cisterzienser-Weingut Michel in Dittelsheim-Hessloch). Persönliche Entdeckungen waren ein 2011er Weißwein von Peter Skoupil aus Bilovice (Tschechien), der an ein Großes Gewächs vom Riesling denken ließ (er bekam Gold, weil ausnahmsweise der Nachbar am Tisch auch höher bewertete), die beiden vielschichtigen 2011er Bordelaiser aus dem Haut-Médoc von Château Gramond und Les Hauts de Lestac sowie ein mächtiger Monastell 2012 aus der spanischen DO Jumilla (Bodega San Isidro).

Das Kontrastprogramm lieferten etliche schwache und sogar grob fehlerhafte Weine, die den Berichterstatter zur einer Frage an den deutschen Mitorganisator Thomas Brandl veranlasste: „Gibt es hier Schmerzensgeld?“. Brandl, vormals Pressechef der Messe Stuttgart und jetzt PR-Berater, schmunzelte und schüttelte bedauernd den Kopf. Dafür verriet er, dass längerfristig eine deutsche Stadt für den Concours ins Visier genommen wird. „Stuttgart und Mainz wären Kandidaten. Stuttgart war sogar schon mal im Fokus, aber die Landesregierung hatte Einwände.“