„Gallisches Dorf Fulda“ - Die Retter der deutschen Spätlese
11.08.2012 - R.KNOLL
DEUTSCHLAND (Fulda) - Die klassische deutsche Spätlese gerät angesichts der diversen „Gewächse“ und sonstiger offizieller oder betriebsinterner Selektionen, die oft nur mit Buchstaben wie „S“, „A“ oder „R“ deutlich gemacht werden, allmählich ins Hintertreffen. In den Reihen der Prädikatsweingüter (VDP) sind trockene Spätlesen nur mehr wenig geschätzt, allenfalls die fruchtige Version wird hier längerfristig Bestand haben. Aber es gibt - frei nach Asterix - eine Art gallisches Dorf, das für den Bestand der Spätlese kämpft!
Die hessische Barockstadt Fulda hat eine besondere Beziehung zu dem Prädikat. Im 18. Jahrhundert war der Fürstbischof von Fulda ein mächtiger Mann und als solcher auch oberster Chef der Mönche des damaligen Kloster (heute Schloss) Johannisberg. Diese betrieben traditionell Weinbau und mussten ihrem Herrn und Meister vor Beginn der Ernte immer erst Trauben zur Begutachtung schicken, damit er die Lese freigeben konnte. 1775 verspätete sich der reitende Bote um etliche Tage (die Gründe dafür sind bis heute nicht eindeutig geklärt, entweder war es eine fesche Magd oder er fiel unter Räuber). Die obrigkeitshörigen Klosterbrüder wagten sich nicht an die Trauben, die an den Stöcken langsam einschrumpften und unansehnlich wurden. Erst als der Bote die Nachricht brachte, dass geerntet werden konnte, ging man mit Widerwillen in die Reben und erntete die offenbar von einem Pilz befallenen Trauben.
Die Menge war zwangsläufig gering, dass noch ein guter Wein entstehen würde, glaubte niemand. Denn von einer Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese war in jener Zeit noch nichts bekannt. Im April 1776 gab es dann bei der ersten Kostprobe die Sensation. Der Kellermeister hielt schriftlich fest, einen solchen Wein „habe ich noch nicht in den Mund gebracht.“ Mit anderen Worten: es war eine großartige edelsüße Kreszenz. Ab diesem Zeitpunkt kapierte man, dass eine späte Lese ihre Vorteile haben kann. Daraus entwickelte sich später das Prädikat Spätlese, das als „Late Harvest“ auch international einen guten Klang hat.
Im Jahr 2000 wurde anlässlich des 225-jährigen Jubiläums die Entdeckung der Spätlese zum ersten Mal in Fulda besonders gewürdigt, mit einem Wettbewerb, an dem alle Riesling Spätlesen aus Deutschland teilnehmen konnten. Im ersten Jahr kümmerte sich noch der Fuldaer Weinkonvent um die Durchführung, aber bald übernahm das Standortmarketing der Stadt diese Aufgabe. Initiator war von Anfang Wolfgang Wehner, der in Fulda ein großes Handelsunternehmen mit Zielgruppe Hotellerie und Gastronomie betreibt und sich in der Kammer und dem Standortmarketing engagierte. Er und enge Freunde stemmen seit über zehn Jahren den Wettbewerb, zu dem Juroren aus ganz Deutschland angereist kommen. Stets mit dabei ist ein Mitarbeiter von Schloss Johannisberg, in diesem Jahr war das Domänenleiter Christian Witte höchstselbst.
Probiert wurde von Anfang an im festlichen Schloss. Auch diesmal wurde der Kaisersaal in den Dienst des Riesling gestellt. Dass der Spätlese-Wettbewerb in der deutschen Weinszene Anerkennung findet, wurde durch die nach wie vor beachtliche Zahl von Anstellungen deutlich. Über 260 Weine befanden sich auf dem Prüfstand, die Mehrheit sogar trocken ausgebaut. Zwei weitere Kategorien gab es für halbtrocken/feinherb und fruchtig. Die Fuldaer Probe läuft dreistufig ab. Zunächst werden die besten aus drei Verkostergruppen aussortiert, dann nochmal geprüft und schließlich wird die Creme de la Creme in einem Stechen erneut probiert.
Es zeigte sich, dass die fruchtigen Spätlesen eine besondere deutsche Stärke sind. Während es bei den trockenen und dezent fruchtigen Weinen in der ersten Runde immer wieder mal eher mittelmäßige Serien gab, ging das Herz der Juroren bei mehr als 50 Gramm Restzucker richtig auf. Und in der Spitze im Finale gab es hohe Noten bis zu 19 von 20 möglichen Punkten von einzelnen Juroren. Aber auch in den beiden anderen Kategorien war die Spitze sehr ansehnlich. Die besten Weine und ihre Erzeuger werden am 25. November in Fulda während der Spätlese-Tage, die von einem Kulturprogramm begleitet werden, geehrt.
Hier die Top-Weine des 13. Spätlese-Wettbewerb, alle aus dem Jahrgang 2011:
TROCKEN
- Sieger: Walsheimer Silberberg, Pfalz, Weingut Pfaffmann - 16.7
- 2. Platz: Forster Ungeheuer, Pfalz, Weingut E. Müller - 16.6
- Zweimal 3. Platz: Langenlonsheimer Königsschild, Nahe, Weingut Honrath und Himmelstraum, Rheingau, Weingut Himmel - beide 16.5
HALBTROCKEN / FEINHERB
- Sieger: Johannisberger Hölle, Rheingau, Weingut Goldatzel - 16.8
- 2. Platz: Clees, Franken, Weingut Baldauf - 16.4
- 3. Platz: Merler Königslay Terrassen, Mosel, Weingut Kallfelz - 16.3
FRUCHTIG
- Sieger: Rüdesheimer Berg Rottland, Rheingau, Weingüter Wegeler - 17.6
- Dreimal 2. Platz: Schlossberg Fürstenberg, Mittelrhein, Weingut Weingart und Monzinger Halenberg, Nahe, Weingut Schauß sowie Kaseler Niesbach, Mosel, Weingut Karlsmühle - alle 17.4