Baustellentourismus - die rheinland-pfälzische Vision für die Mittelmosel

12.03.2012 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Berlin / Ürzig) - Anlässlich der Berliner Tourismusmesse ITB (7.-11. März 2012) stellte der Deutsche Tourismusverband (DTV) die aktuellen Zahlen zum Tourismus in Deutschland vor. Bei den Übernachtungen lag Deutschland mit 394 Millionen im Jahr 2011 zum vierten Mal in Folge auf Platz eins - vor Spanien, Italien und Frankreich.

 

„Deutschland ist Europameister“, so Reinhard Meyer, Präsident des Verbandes. Eine repräsentative Umfrage hatte zudem ergeben, dass das Urlaubsziel der Deutschen in gut 26 Prozent der Fälle im eigenen Land liegt. Auf Platz zwei liegt Spanien mit 10,8 Prozent, danach Italien (8,8 Prozent).

Auch das Land Rheinland-Pfalz kann sich rühmen, an dieser Entwicklung einen Anteil zu haben, nicht zuletzt wegen der international bekannten Moselregion mit ihrem welterbeverdächtigen Landschaftsbild und international bekannten Rieslingweinen. Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich indes ausgerechnet einen der malerischsten Flecken der Mittelmosel zum Schauplatz für ein Straßenbauprojekt im Autobahnmaßstab ausgesucht: Die Moselschleife zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach, dort, wo Weinlagen wie Wehlener Sonnenuhr, Zeltinger Himmelreich oder Bernkasteler Doctor zu Hause sind, soll durch eine 25 Kilometer lange Trasse, den Hochmoselübergang, regelrecht zerschnitten werden. Bestandteil des Bauvorhabens ist die umstrittene Hochbrücke, eine 1,7 Kilometer lange und 160 Meter hohe Beton-Stahl-Konstruktion im klassischen Autobahnbrücken-Stil.

Jüngste Äußerungen des Infrastrukturministers Roger Lewentz (SPD) sorgen besonders bei den Betroffenen für Irritationen, indem er von einem bevorstehenden Baustellentourismus schwärmte: "Wir kennen das ja von solch technisch herausragenden Bauwerken: Das interessiert die Menschen. Die kommen von weit her und wollen sich so etwas anschau'n, insbesondere dann, wenn die Brücke vorausgeschoben wird, also wenn man im Brückenbau selbst ist." Angeblich werden schon Touristenführer für den erwarteten Baustellentourismus geschult.

In der Region sorgten diese Äußerungen für Kopfschütteln und zynische Kommentare. Sollen sich vielleicht Mitglieder der Bürgerinitiative als Touristenführer anbieten, da sie sich besonders gut mit den Details der Baumaßnahme auskennen?

Georg Laska, Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro-Mosel: „Man mag Herrn Lewentz zu Gute halten, dass er, genau wie sein Vorgänger und Schwager, Hendrik Hering, Westerwälder ist, und sich in den Besonderheiten des Moseltourismus nicht so gut auskennt. Den von Tourismus und Weinbau lebenden Menschen stiehlt man schlichtweg die Existenzgrundlage, wenn man ihre Landschaft verschandelt. Darüber hinaus vermasselt man der Region die Chance auf einen UNESCO-Welterbetitel.“

Heide Weidemann, stellv. Landesvorsitzende des BUND Rheinland-Pfalz meint zum Thema: „Selbst wenn man im Baustellentourismus etwas Positives sähe, er ist nur etwas Vorübergehendes. Es macht doch keinen Sinn, die bisherigen Gäste zu vergraulen, dann für wenige Monate eine andere Spezies anzulocken und anschließend vor dem Nichts zu stehen.“

Und Georg Laska kommentiert: „Eine bleibende Wirkung könnte diese Diskussion immerhin haben: Das Wort 'Baustellentourismus' könnte als Unwort des Jahres 2012 in die Geschichte eingehen.“