Reinhard Löwenstein: Der 2010er Jahrgang ist reine Konzentration!

26.01.2011 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Winningen) - Über den Jahrgang 2010 ist schon viel geschrieben worden. Das sich in diesem von Wetterkapriolen geplagten Weinjahr die Spreu vom Weizen trennen würde, war schon vor der Ernte klar. Aber das schwierige Jahre keine schlechten sein müssen, haben sich viele Winzer auf die Fahnen geschrieben und entsprechend konzentriert und professionell gearbeitet. Darunter auch der wohl erfahrenste Spontanvergärer Reinhard Löwenstein, den man am Anfang seiner Winzerlaufbahn mitunter auch „Rebell von der Mosel“ nannte. Er prägte den Begriff der „Terrassenmosel“ und hat sich seit Jahren einer extremen und damit auch kompromisslosen Qualitätsphilosophie verschrieben.

 

Wir sprachen mit dem Spitzenwinzer über seine Eindrücke bei Ernte- und Kellerarbeit und wie er mit der geringen Menge und unweigerlich steigenden Preisen zurechtkommt.

YOOPRESS: Herr Löwenstein - wie würden Sie den Jahrgang 2010 mit einem prägnanten Wort beschreiben?

LÖWENSTEIN: Wenn wir den Geschmack mit einem einzigen Begriff zu charakterisieren hätten wäre es nach der „Mineralität“ des Jahrgangs 2008 und der „Eleganz“ von 2009 beim Jahrgang 2010 mit Sicherheit das Wort „Konzentration“. Was für ein Jahrgang!

YOOPRESS: Warum „Konzentration“?

LÖWENSTEIN: Nun, die Reben haben die gleiche Menge an Zucker, Fruchtsäuren, Mineralien und Aromas eingelagert wie üblich. Nur verteilen sich diese Stoffe diesmal auf 50% einer normalen Ernte. Statt um die 5000 Liter haben wir pro Hektar nur 2500 Liter gekeltert.

YOOPRESS: Worauf führen Sie das zurück?

LÖWENSTEIN: Derartige Konzentrationseffekte kennen wir durch die Verdunstungseffekte nach einer Botrytisinfektion. Aber dass auch „normale“ Rieslingtrauben Mostgewichte von über 110° Öchsle erreichen, das haben wir bislang nicht für möglich gehalten. Ob dies jetzt dem isländischen Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen oder sonstigen Launen der Natur geschuldet ist. Wir wissen es nicht. Fakt ist jedoch, dass der Übergang von der vegetativen zur generativen Phase erst sehr spät erfolgte.

YOOPRESS: Was beschreibt in aller Kürze der Übergang von vegetativer zur generativer Phase?

LÖWENSTEIN: Also der Zeitpunkt, an dem die Rebe sagt: „Jetzt habe ich genug Zucker eingelagert, jetzt konzentriere ich mich darauf, die Samen ausreifen zu lassen und die Früchte so attraktiv und appetitlich aussehen zu lassen, damit auch genügend Vögel angelockt werden um die Traubenkerne in die Welt zu tragen“. Dieser Zeitpunkt lag in der letzten Septemberwoche. Die Reben hatten so vier Wochen länger Zeit, Assimitate ein zu lagern.

YOOPRESS: Ja, wirklich ungewöhnlich. Was passierte dann im Keller?

LÖSENSTEIN: Wir sind unseren Prinzipien treu geblieben und haben auch in diesem Jahr von Entsäuerungskalk und Reinzuchthefen die Finger gelassen. Daher hat uns der Gärverlauf sehr überrascht: Anstatt, wie bei solchen Konzentrationen zu erwarten, nur sehr schleppend und bis weit in den Sommer hinein zu gären, hatten wir es diesmal mit geradezu hyperaktiven Hefen zu tun, die dem Fruchtzucker teilweise wild, teilweise gemächlich aber doch sehr gründlich zu Leibe rückten.

YOOPRESS: Das heißt im Ergebnis...?

LÖWENSTEIN: ... die Zuckerwerte liegen erfreulich niedrig und sind zudem durch eine höhere Säure und Mineralität so gut eingebunden, dass die Weine alles andere als in die Breite gehen, sondern mit mineralischer Stringenz große Trinkfreude versprechen.

YOOPRESS: Und was die Lagen betrifft...?

LÖWENSTEIN: ...ist der Terroircharakter von Schieferterrassen bis zum UHLEN Roth Lay in seiner Typizität wunderbar expressiv ausgeprägt, aber halt auf einem viel höheren, konzentrierteren Niveau. Wir werden dies bei allen Terroirs durch den Zusatz „alte Reben“ kommunizieren. Dies hat auch den Vorteil, dass so die höheren Preise der 2010er nicht als Verteuerung aufgefasst werden, sondern - wie in der Vergangenheit etwa beim Röttgen „alte Reben“-, als die Preise für eine höhere Qualität.

YOOPRESS: Wie schätzen Sie die Akzeptanz Ihrer Kunden ein, wenn Sie höhere Preise verlangen müssen?

LÖWENSTEIN: Während Privatkunden keine Probleme haben, sich auf einen solchen neuen Jahrgang einzustellen, ist dies in der Gastronomie in der Regel nur sehr schwer möglich. Zum Glück - der Krise auf verschiedenen Auslandsmärkten sei’s gedankt ‑ haben wir noch ältere Jahrgänge im Verkauf.

YOOPRESS: Letzte Frage, aber eine wo sich die Geister scheiden: Verkorken Sie ihre Weine weiterhin oder kommt ein Alternativverschluss?

LÖWENSTEIN: Korken. Sie sind schön, aber… Nachdem wir in den letzten Jahren nur gute Erfahrungen gesammelt haben und die Akzeptanz am wachsen ist, bieten wir in diesem Jahr erstmals von Schieferterrassen bis Uhlen Roth Lay alle Terroirs alternativ mit Kork und mit Stelvin an. Der Kunde kann dies bei der Bestellung angeben.

YOOPRESS: Herr Löwenstein, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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