"Vin Nature" - die natürliche Weinbewegung mit Zukunft

25.02.2010 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Deauville) - Als Marcel Lapierre das Familienweingut in Burgund vorn Jahrzehnten übernahm war es üblich, Pestizide, Herbizide, Fungizide und andere Chemikalien in der Landwirtschaft einzusetzen - die damaligen Weine schmeckten ihm nicht. „Ich konnte den Wein, der bei uns zu Hause auf den Tisch kam nicht genießen“, sagt Lapierre, ein Mann mit Persönlichkeit gekleidet im typischen Landhausstil mit abgewetzter Cordhose, kariertem Blazer und Hut. „Also habe ich beschlossen, den gesamten Produktionsprozess, so wie ihn Vater und Großvater betrieben, zu überdenken.“

 

Heute gilt der 59-jährige Beaujolais-Winzer im Kreise seiner Erzeuger-Kollegen als Vorreiter einer neuen Entwicklung im Rahmen der heiß diskutieren Zukunft der Weinwirtschaft und er steht schlechthin für die „Natürliche Weinbewegung“, die Franzosen sagen „Vin Nature“.

Auf einem zweitägigen Food Festival dieser Woche in der Normandie kamen Förderer, Erzeuger, darunter auch dutzende innovative Köche und Sommeliers, im Seebad Deauvill zusammen, um bei Wein und Speisen über die Zukunft der Weinproduktion und ihrer hedonistischen Anliegen nachzudenken. Rund 200 Entscheidungsträger der „Vin Nature“ diskutierten über die gegebenen Umweltbedingungen in den Anbaugebieten bis hin zu den Vorlieben der Weinliebhaber und Wünschen der Restaurantkunden.

„Natürliche Weine durchlaufen einen minimalistischen Produktionsprozess mit so wenig Intervention wie möglich“, erklärt Isabell Légeron, eine in London ansässige Weinberaterin. „Diese sind mit 100 Prozent am nächsten an der Traube. Es ist doch kein Geheimnis, das weltweit viele Reben auf mit Chemikalien verseuchten Böden gedeihen. In der Flasche im Regal kann Hefe, Zucker, aber auch Holzchips und Aromen enthalten sein - alles auf den Geschmack des Konsumenten hin produziert. Dabei neigen die Menschen dazu zu glauben, das Wein ein Naturprodukt ist - aber sie müssen sich bewusst manchen, das Wein nicht immer ein reines Naturprodukt ist“.

Marcel Lapierre, der eine respektable Menge von jährlich 60.000 Flaschen in seinem Bioweingut produziert, sagt, dass die natürliche Landwirtschaft heute, bedingt auf wissenschaftlichen Fortschritten und moderner Hilfsmittel, viel einfacher zu betreiben ist, als dies noch zu seiner Jugendzeit der Fall war. Aber er gibt auch bereitwillig zu, dass seine Weine gelegentlich eine Dosis Schwefeldioxid (SO2 - ein Anti-Oxydant, das den Wein stabilisiert) benötigen, damit aus dem Traubensaft ein Wein entsteht und er nicht zu Essig wird. „Wir verwenden keine Sulfate in der Weinbereitung, aber manchmal müssen wir den Wein beim Produktionsprozess unterstützen, immer dann, wenn die Herstellung sich unnötig in die Länge zieht oder wir Temperaturen ausgleichen müssen“, sagte Lapierre.

Lapierre liefert einen Teil seiner Weine nach Kalifornien und Florida, hier dürfen die Weine kleine Mengen von E222 und E224 (Zusatzstoffe, die in bestimmten Mengen in Speisen und Getränken enthalten sein dürfen) aufweisen, während ein Drittel seiner Produktion nach Brasilien, Singapur und Taiwan exportiert wird, hier mit der Maßgabe, dass keinerlei Sulfate in den Weinen enthalten sein dürfen.

„Wir sind alle vorsichtig, was wir essen und das gleiche gilbt auch für den Weingenuss“, sagt Lise Jousset, eine 32-jährige Sommeliere in der Loire-Region ansässig. „Besonders sensibel für eine natürliche Weinbereitung ist die junge Winzergeneration. Ich selbst produziere gemeinsam mit meinem Mann Weine auf natürliche Art - und dies keineswegs, weil es hip oder modern ist. Ich habe Respekt vor der Natur und auch Respekt vor der Gesundheit.“

Weinkritiker wie Légeron beschreiben die neuen Jahrgänge natürlich produzierter Weine mit Attributen wie „leicht zu trinken“ oder „komplex“ aber auch „rein und besser verdaulich“ - zeigen aber auch die Nachteile, wie den höheren Preis, die kürzere Haltbarkeit und das Fehlen der Zertifizierung auf. „Es ist ja klar, die natürliche Weinproduktion erfordert mehr Zeit, mehr Man-Power und gleichzeitig erreichen die durchschnittlichen Erträge pro Hektar nur die Hälfte der zulässigen Menge“, erklärt Légeron.

„Bei der Weinproduktion sind nicht nur die Böden, die Rebsorten oder das Klima ausschlaggebend, sondern vielmehr auch die Philosophie der Erzeuger“, argumentiert Légeron. „Und diese natürlich produzierenden Erzeuger müssen sich um eine Öko-Zertifizierung bemühen. Sie kommen sonst nicht aus dem Tal der Unbekanntheit heraus und haben kaum Marktchancen. Parallel müssen sie Aufklärungsarbeit leisten und sich um das Verständnis der Konsumenten bemühen.“ Ergänzend dazu sagt David Kinch, Chefkoch im Manresa Restaurant aus San Francisco und Liebhaber natürlich produzierter Weine: „Bio-Weine müssen 100 Prozent gut sein und sie müssen Geschmack haben, wenn sie eine Chance auf dem Markt haben wollen.“ 

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