Verniedlichte Panscherei - Ein Skandal, der keiner ist !

23.09.2010 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Radebeul) - BILD dir deine Meinung, verkündet das Blatt mit den vier großen Buchstaben in seiner Werbung. Wer freilich aus dieser Zeitung seine Meinung bezieht, liegt oft daneben. So auch die Leser, die mit der Schlagzeile konfrontiert wurden: „Beim teuren Sachsen-Wein wird gepanscht“. Diese Nachricht sei der Enthüllung eines „mutigen Elbtal-Winzers“ zu verdanken, berichtete Reporter Jürgen Helfricht.

 

Angekreidet wurde, dass das Weingut Matyas in Radebeul unter seinem Namen einen Wein aus der Pfalz verkauft hatte („die Plärre schmeckte komisch“, zitierte BILD den „mutigen Weinbauern“ namens Udo Kühn aus Radebeul, der diesen scheinbaren Skandal an die große Trommel hing). Bei der Sächsischen Winzergenossenschaft in Meißen kritisierte man den „Winzerschoppen“, weil er laut Rückenetikett „eine Vermählung von Weinen aus Ost und West“ ist. „Eine verniedlichte Panscherei“ laut Kühn.

Man kann dazu sagen: typisch BILD. Mit Panscherei hat das alles nichts zu tun. Es ist vielmehr lediglich eine Reaktion der beiden Betriebe auf die extremen Frostschäden beim Jahrgang 2009, in dem die Sachsen nur eine Million Liter Wein ernteten, kaum mehr als ein Drittel eines Normal-Herbstes. Wer zu wenig Wein im Keller hat und der Nachfrage nicht Herr wird, ist gelegentlich zu solchen Notlösungen gezwungen. Sie sind legal, solange kein Etikettenschwindel betrieben wird und für den Konsumenten ersichtlich ist, dass es sich um keinen sächsischen Wein handelt.

Das ist so beim Radebeuler Weingut der Fall, das – anders als bei den eigenen Tropfen – hier auf dem Etikett korrekt als Weinkellerei firmiert („Weingut“ wäre angreifbar). Auch die Genossenschaft bezeichnet ihren übergebietlichen Verschnitt nicht als Qualitätswein, sondern nur als „Deutscher Wein“ und informiert auf dem Rückenetikett über den Zukauf im Westen. Die Weinkontrolle hatte die Deklaration vorher abgesegnet. Das Weingut Matyas bekam ebenfalls den Segen der Kontrolleure für seine Etikettierung und bezeichnet die Berichterstattung als „schmutzige Darstellung.“