AOC Bordeaux in der Krise - viele Erzeuger sind besorgt

01.01.2010 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Seit nunmehr 10 Jahren schwächelt die Weinindustrie in den weniger bekannten Appellationen rund um Bordeaux und führt zur Verarmung einer Reihe von Erzeugern, wie nun eine Studie der Landwirtschaftskammer Bordeaux belegt. Von den Familienbetrieben der "Appellation d'Origine Contrôlée Bordeaux" haben zwei Drittel weniger als den ermittelten SMIC (Mindestlohn von etwas mehr als 1.000 Euro netto monatlich). "Pro Familie und Arbeiter ist das monatliche Nettoeinkommen in den Jahren 2007 und 2008 um 20 Prozent gesunken", sagt Florence Lamoureux von der Landwirtschaftskammer. "Nur 15 Prozent der Betriebe erzeugen mehr als zwei Mindestlöhne pro Familie und Arbeiter."

 

Die AOC Bordeaux mit 120.000 Hektar und Tausenden von Weinproduzenten erzeugte im Jahr 2009 4,75 Millionen Hektoliter gegenüber 5,65 Millionen Hektoliter in 2007. "Ich schätze, dass 50 bis 60 Prozent der Erzeuger in echten Schwierigkeiten sind", sagt Didier Cousiney, der 30 Hektar in Langon bewirtschaftet. "Meinen Sohn und die Arbeiter bezahle ich, aber für mich bleibt nichts übrig. Wir haben die Schrauben allseits angezogen, bei den Löhnen, der Ausrüstung, der Technik, den Hilfsmitteln, praktisch überall."

Chantal Seguillon, Mitbegründerin einer Gruppe von Winzern aus dem Bordelais resümiert: "Seit 2001, als die Krise sich verschärfte, verzeichnen wir einen permanenten Rückgang unserer Ausfuhren auf die europäischen Märkte. Auch der Absatz im Inland sank seitdem. Nur der Handel, sprich die großen Discounter nehmen uns mehr Wein ab, aber zu lächerlichen Preisen."

Dem pflichtet der Erzeuger Jean Renaud bei: "Die Groupe Castel, einer unserer größten Négociant in Bordeaux, verkauft Weine aus dem Bordelais für 1,30 Euro pro Flasche nach China. Das ist weniger als wir Kosten haben." Und ein weiterer Erzeuger, Didier Cousiney erklärt: "Ich gebe mal ein Beispiel: Gerade hat mir ein Négociant ein Angebot unterbreitet. Er bot mir für ein Barrel (900 Liter) eines meiner Roten des aktuellen 2009er Jahrgangs 700 Euro, während meine Kosten pro Barrel bei 950 bis 1.050 Euro liegen."

Diese Aussagen belegen auch die Statistiken der Landwirtschaftskammer Bordeaux. Vom Preisverfall am stärksten betroffen sind demnach die Bulk-Weine, die pro Barrel im Durchschnitt maximal 750 Euro erzielen.

"Was sollen wir tun", fragt sich Jean Renaud. "Entweder der Preis steigt, was sehr unwahrscheinlich ist, oder wir steigern die Erträge, wenn man uns das erlaubt. Im Jahr 1998 habe ich 65 Hektoliter pro Hektar geerntet. Bis heute ist der Preis für diesen Wein um 30 Prozent gesunken und meine Ernte pro Hektar um 20 Prozent. Wo soll das bloß hinführen."

Das wirkliche Dilemma zeigt sich, wenn man die Ergebnisse der Studie genauer anschaut. Bei vielen Betrieben arbeiten die Ehegatten und mitwirkende Familienmitglieder fast oder sogar umsonst. Für die Erneuerung von Material und die Technik ist kein Geld vorhanden und die Winzer verkaufen nach und nach ihre Parzellen, um erst mal überleben zu können. Das ist der Stand zum Jahreswechsel 2009/2010. Die drastischen Auswirkungen dieser Krise erwarten Experten aber erst in den nächsten zwei Jahren.

Nicht betroffen von dieser Krise sind die "Top 100", sprich die Grand Grus des Bordelais. Die ihnen gleichgestellten Château brauchen sich keine Sorgen machen, denn Ihre Weine sind weltweit bekannt, haben ein entsprechendes Renommee und profitieren zudem von Parkers Bewertungen wie auch von der spekulativ angeheizten Nachfrage durch Weinauktionen von Christie´s, Sotheby´s und Co. In Folge dessen schaffen es die Château ihre Weine an die Negociants zu verkaufen und meist auch gleichzeitig Konditionen auf Jahre hinaus festzulegen. Das Preisniveau für deren Weine pro Flasche sank zwar seit dem Höchstwert von rund 500 Euro im Jahr 2005, doch sie erzielen immer noch Preise, die ausreichen, um ein Fortbestehen zu sichern.

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