20 Jahre Vinissima – Weinfrauen sind überall präsent

04.02.2011 - R.KNOLL

1991 riefen sieben tapfere Frauen in Baden einen Verein ins Leben, den sie „Vinissima - Frauen & Wein“ nannten. Männer waren von Anfang an ausgeschlossen. Der Verein ist in 20 Jahren stattlich gewachsen und nimmt sogar Einfluss auf die von Männern dominierte Weinbaupolitik. Vorsitzende ist seit knapp einem Jahr die Rheingauerin Ulrike Lenhardt, Eigentümerin eines kleinen Weingutes und hauptberuflich beim Deutschen Weininstitut für Exportmärkte zuständig. Derzeit bereitet sie mit ihren Mitstreiterinnen eine große Jubiläumsveranstaltung am 20. Februar in Freiburg/Breisgau vor. Im Vorfeld gab sie einem Mann (!) die Ehre eines Interviews.

 

Rudolf Knoll im Gespräch mit Ulrike Lenhardt:

KNOLL: 20 Jahre Vinissima. Die Weinfrauen sind überall präsent. Mal etwas ketzerisch gefragt: Braucht es den Verein überhaupt noch?

LENHARDT: Auf jeden Fall. Und nicht nur, weil wir viel Spaß miteinander haben. Gegründet wurde unser Verein vor zwei Jahrzehnten, um deutlich zu machen, dass Frauen in der Weinszene unterrepräsentiert und mehr als „nur“ Weinköniginnen sind (übrigens wunderbare Fachfrauen!). Wir haben, wie bei Männern schon immer üblich, ein Netzwerk gebildet und arbeiten Branchen- und generationsübergreifend zusammen. Wie kommen Sie darauf, uns in Frage zu stellen?

KNOLL: Weil es inzwischen genügend Beispiele für weibliche Karrieren in der Weinszene gibt. Sie sind leitende Mitarbeiterin des Deutschen Weininstituts, Ihre Chefin heißt Monika Reule. Die Badische Weinwerbung wird von Sonja Höferlin geführt, ebenfalls eine Frau. Die Kellerwirtschaft an der Weinuni Geisenheim wird von Professorin Monika Christmann geleitet. Die Chefredakteurinnen wichtiger Weinmagazine wie Vinum, Weinwelt und sogar beim im Titel so männlichen „Der Feinschmecker“ sind Frauen. Der Verband der Prädikatsweingüter hat zwar noch einen Präsidenten, aber die Geschäftsstelle ist komplett von Frauen, man könnte fast sagen, unterwandert. Im früher als konservativ eingeschätzten Württemberg sind in einigen Genossenschaften Frauen am Ruder. Junge Frauen dürfen hier sogar in der Kellerwirtschaft maßgeblich mitreden. Man ist fast bemüßigt, Vinissima zu bitten, eine Unterabteilung aufzumachen, die dann VinissiMann heißen könnte...

LENHARDT: Auf Ihr Männer! Gründet den Verein ‚VinissiMann‘. Das wäre doch mal eine witzige Idee, wo es so wenige Männer in führenden Positionen der Weinwirtschaft gibt! Spaß beiseite: damit würden wir uns ja konterkarieren. Außerdem ist festzuhalten, dass Vinissima schon deshalb kein gemeinnütziger Verein ist, weil Männer von der Mitgliedschaft per Satzung ausgeschlossen sind. Aber wir sind tolerant: Im Umfeld der Veranstaltungen gibt es, wie am Tag vor dem 20. Februar in Freiburg, ein Männerprogramm, damit die besseren Hälften sich nicht gänzlich ausgeschlossen fühlen. Schön ist, wie neidisch unsere Männer immer auf die tollen Vinissima- Veranstaltungen sind… ob Auslandsreise oder Seminare. Außerdem ist festzuhalten, dass in den verschiedenen Gremien, in denen wir uns betätigen, fast nur Männer zu finden sind. Zwar haben wir seit zehn Jahren im Badischen Weinbauverband Sitz und Stimme, was dem damaligen Geschäftsführer Dr. Werner Schön zu verdanken ist. Ich selbst bin im Vorstand des Deutschen Weinbauverbandes. In die verschiedenen Ausschüsse wie Bildung, Rebenzüchtung, Weinbau und Umwelt, Kellerwirtschaft und Weinrecht entsenden wir eine Vertreterin. Aber hier sind wir überwiegend Einzelkämpferinnen. Es gibt noch viel zu tun…

KNOLL: Klar doch, diese Institutionen haben Nachholbedarf. Hier hilft vielleicht eine Anleihe in der Politik. Die erzkonservative bayerische CSU hat 2011 zum „Jahr der Frau ausgerufen“, Bundesministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist für eine 30-Prozent-Frauenquote in den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft. Könnte Vinissima mit einer solchen Zahl in den Weinbauverbänden leben?

LENHARDT: Grundsätzlich bin ich keine Freundin einer Quotenregelung. So etwas brauchen wir nicht - fachlich kompetente Frauen setzen sich durch. Es ist oft aber schwierig, Beruf, Familie und dann noch die Aktivität in Verbänden miteinander zu verbinden. Wir denken vermutlich meist pragmatischer, und setzen andere Prioritäten.

KNOLL: Wie viel Mitglieder hat Vinissima nach aktuellem Stand und wie wird man aufgenommen?

LENHARDT: Ende 2010 waren es 389 Frauen. Ansonsten muss man, wie schon erwähnt, Frau sein, intensives fachliches Interesse am Wein haben und von einer Patin empfohlen werden.

KNOLL: Wie hoch ist der Anteil der aktiven Winzerinnen?

LENHARDT: Das lässt sich schwer exakt beziffern, da etliche der Frauen in Betrieben eine Mehrfachfunktion haben, dem Mann viel Arbeit im Verkauf und Marketing abnehmen. Etwa 50 Prozent sind im Bereich Weinbau und Önologie tätig. Zu den bekannten Namen als Gutschefin gehören zum Beispiel Roy Blankenhorn aus Baden, die Pfälzerinnen Sabine Mosbacher-Düringer, Stefanie Weegmüller-Scherr und Mechthild Hammel (die übrigens die erste Frau war, die 1970 die Wein- Uni Geisenheim bewältigte) und noch einige mehr. Sie alle werden bei unserem 14. Vinissima-Forum am 20. Februar in Freiburg im Historischen Kaufhaus dabei sein und ihre Weine vorstellen.

KNOLL: Welche Branchen sind sonst noch im Verein vertreten?

LENHARDT: Der Handel ist mit 10 Prozent dabei, die Gastronomie mit 7 Prozent, aus dem Marketing- und PR-Bereich sind es 6 Prozent, aus Forschung und Ausbildung 5 Prozent. Der Rest verteilt sich auf verschiedene Bereiche, auch ganz normale Weinliebhaberinnen sind dabei. Und eine Ministerpräsidenten-Kandidatin, nämlich Julia Klöckner, die in Rheinland-Pfalz im März Kurt Beck entthronen will.

KNOLL: Ist Vinissima bundesweit vertreten?

LENHARDT: Das sind wir, natürlich in etwas unterschiedlichen Größenordnungen. Wir haben zehn Regionalgruppen, ganz neu auch eine in Sachsen und Saale-Unstrut. Die größte Regionalgruppe ist die Pfalz, und außerhalb der Weinbaugebiete sind wir in München und Nordrhein-Westfalen vertreten, der Heimat meiner Stellvertreterin Siddika Michiels. In einzelnen Regionen gibt es noch etwas Nachholbedarf, aber wir arbeiten daran. Einige Frauen kommen sogar aus Nachbarländern, zum Beispiel eine Winzerin von der luxemburgischen Mosel. Aber das ist eine Ausnahme, ansonsten konzentrieren wir uns auf Deutschland.

KNOLL: Uncharmant gefragt, wie ist die Altersstruktur?

LENHARDT: Die meisten gehören wie ich zum „Mittelalter“ zwischen 35 und 50.. Die Jüngste ist 21 Jahre, die Älteste über 70, aber noch mit Begeisterung dabei. Einige Töchter sind schon dabei!

KNOLL: Und was machen die Vinissima-Damen, wenn sie nicht gerade Spaß miteinander haben oder Wein präsentieren?

LENHARDT: Sie bilden sich zum Beispiel in einer Vielzahl von Seminaren intern weiter, gerade letzten Sonntag in ‚Twitter und Facebook‘ in Geisenheim. Dann diskutieren sie zum Beispiel über anstehende, wichtige Themen wie das unaufhörlich auf uns zurollende neue Bezeichnungsrecht. Hier möchten wir eine Stellungnahme erarbeiten, um die Meinungen und Vorstellungen der Winzerinnen, aber auch der Fachhändlerinnen, Gastronominnen und Sommelièren, also der Vermarkterinnen deutscher Weine einfließen zu lassen. Letztendlich geht es doch darum, dem Verbraucher den deutschen Wein schmackhaft zu machen, und nicht ihn durch zu viel regionalen Bezeichnungswirrwarr vollständig zu verwirren.