Bordthäusers Sensorikschule
Mit allen Sinnen
Folge 4: salzig und bitter
Nach dem Traumpaar süss und sauer kommen wir nun zu den weniger beliebten Geschmäckern salzig und bitter. Und gehen der Frage nach, ob da wirklich Salz im Wein ist – und was ihn bitter machen kann.
Obwohl Salzigkeit zu den positiv belegten Geschmäckern zählt, ist sie bei der Weinbeschreibung ein zweischneidiges Schwert. Möchten wir denn salzigen Wein trinken? Und wie sieht es da erst mit Bitterkeit aus? Bitter ist Fettdruck, rot unterstrichen und bedeutet: Finger weg! Neugeborene haben eine Nulltoleranz für bitter, jeder Mensch muss herangeführt werden an diese Qualität. Machen Sie den Test und servieren Sie auf dem nächsten Kindergeburtstag Tonic statt Cola. Die Kleinen werden sich plötzlich über Obstsaft freuen wie nie zuvor.
Doch sehen wir uns zunächst das Salz genauer an: Salziger Geschmack stammt von kristallinen und wasserlöslichen Salzen, die sich in flüssigen Lösungen in Anionen und Kationen aufteilen lassen und die in ihrer Salzigkeit sozusagen ein internes Ranking haben. So ist das Kation Ammonium salziger als Calcium, das Anion Chlor salziger als Hydrogenkarbonat. Des Weiteren können salzige Stoffe auch noch ganz andere Geschmackseindrücke auslösen. Reines Kochsalz kann in niedriger Dosierung zum Beispiel als leicht süss geschmeckt werden, Natriumbikarbonat schmeckt salzig-süss, wohingegen Magnesiumsulfat einen salzigbitteren Eindruck hinterlässt.
Aber wie kommt das Salz eigentlich in den Wein? Ist überhaupt welches drin? Die im Wein enthaltenen Mineralien und Spurenelemente sind grundsätzlich dem Trockenextrakt zuzurechnen. Die Geschmacksqualität salzig, die sich in der Weinbeschreibung seit einiger Zeit wie eine «adverbiale Plage» (Axel Biesler) ausbreitet, können wir dabei aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: So existiert die Meinung, dass die Mineralität eines Weines als salzig wahrgenommen werden könne. Das heisst, die Rebe nimmt die gelösten Mineralstoffe auf, die sich im Boden befinden, und lagert sie in den Trauben ein. Und tatsächlich schmecken Weine, die am Roten Hang auf rotem Schiefer stehen, anders als Weine, die im Rheingau auf Quarzit wachsen. Eine andere Ansicht zur Salzigkeit besagt, dass die Mineralität sich weniger als salziger Geschmack präsentiert, sondern sich vielmehr im Mundgefühl eines Weines ausdrückt. Gern bemüht wird dafür der Begriff der Cremigkeit.
Fakt ist: Es gibt keine alleinige Lehrmeinung zum Thema Wein und Salz, obwohl einige Weine deutlich salziger schmecken als andere, sei es durch die darin gelösten Mineralien oder durch Interaktion mit weiteren Stoffen, die einen salzigen Nebengeschmack verantworten. Das Mundgefühl wiederum ist eine Qualität, die wir in einer der nächsten Folgen beleuchten werden.
Kommen wir zur Bitterkeit, dem Kaspar Hauser der Geschmäcker. Es gibt eine Unterscheidung der Bitterstoffe in drei Gruppen: Die Amara tonica sind reine Bitterstoffe in höchster Konzentration, sie wirken anregend auf Magen und Darm und fördern die Verdauung (Beispiele hierfür sind Chinarinde und Gelber Enzian). Die Amara aromatica enthalten neben Bitterstoffen auch ätherische Öle. Diese sind krampflösend und entzündungshemmend (zum Beispiel in Engelwurz, Wermut). Die Amara acria schliesslich finden wir in Pflanzen, die neben Bitterstoffen auch scharfe oder adstringierende Stoffe enthalten (zum Beispiel Ingwer, Galgant). Darüberhinaus gibt es noch eine Reihe bitterer Pflanzen, die nicht in diese Kategorien eingereiht werden, wie Hopfen, Kurkuma, Disteln oder Artischocken.
Ebenso wie die Lust auf Süsses ist die Ablehnung von Bitterem angeboren. De facto beginnen wir den Tag jedoch mit bitterem Kaffee, trinken mittags zum Apéro Campari und beenden den Tag mit Bier. Die Akzeptanz von bitter ist folglich erlernbar. Doch was hat das mit unserem liebsten Getränk zu tun?
Bitter kommt auch im Wein vor, ist allerdings meist ein Indiz für Fehler. Daher wird bei der Verkostung mittlerweile unterschieden in bitter (primäres Merkmal) sowie Tannin (sekundäres Merkmal). Sprechen wir von Tannin, meinen wir die Qualitäten und Eigenschaften der positiv wahrgenommenen Gerbstoffe eines Weins. Diese können sowohl in Rot- als auch in Weissweinen vorkommen. Bitter als primäres Merkmal kann dagegen Hinweise geben auf unsauberes Lesegut (faule Trauben oder Fremdkörper) oder auf eine frühe Lese. Beissen Sie auf den Kern einer unreifen Traube: Sie werden einen adstringierend-bitteren Geschmack im Mund haben. Werden die Trauben nicht entrappt, also von den Stielen getrennt, und sind diese nicht vollreif (verholzt), können sie auch Bitterstoffe hinterlassen. Nicht zuletzt ist der klassische Korkschmecker (TCA – Trichloranisol) eine adstringierend-bittere Angelegenheit.
Damit haben wir die Grundeigenschaften der vier Geschmäcker abgehandelt. Seien Sie dabei, wenn wir ab der nächsten Folge Kerosin in die Maschine kippen und die Nase mit ins Spiel kommt. Bis dahin prüfen wir die eine oder andere Flasche leichten Moselwein auf Salzigkeit.