Tenuta Vallocaia, Montepulciano

40 Jahre Tradition und Innovation

Fotos: Marcel C. Altenbach, GM Castelberg, www.alessandromoggi.com

Inmitten einer weichen Landschaft im Südosten der Toskana, nahe dem Trasimener See und zu Füssen des Renaissance-Juwels Montepulciano, liegt die Tenuta Vallocaia umgeben von Olivenbäumen, Pinien, Zedern und natürlich Rebbergen. Aus Sangiovese werden hier von Rudi Bindella sen. und seinem Team elegante Vino Nobile gekeltert. Heuer feiert die Tenuta Vallocaia mit zahlreichen Events ihr 40-jähriges Jubiläum.


Rudi Bindella sen. nippt an seinem Ristretto und erzählt mit einem Blick von der Terrasse der Vinoteca seiner Tenuta Vallocaia auf die grüne Landschaft, wie seine Passion für toskanischen Wein und vor allem Montepulciano entstanden ist: 1971 war es, als er im Alter von 23 Jahren in Perugia ein Gastsemester absolvierte, da verliebte er sich Hals über Kopf in die Renaissancestadt und ihre Umgebung. «Montepulciano zählt zu den attraktivsten Weinbauregionen Italiens mit einem beachtlichen Entwicklungspotenzial»», schwärmt er noch heute, «von atemberaubender Anmut und unvergleichbarem Charme. Mit ihren Hügeln der Glückseligkeit vereint sie eine jahrhundertealte Tradition mit Innovation.»

Schon damals reifte die Idee, ein Weingut in diesem einzigartigen Teil Italiens zu besitzen. 1983 wurde er schliesslich fündig: Die Tenuta Vallocaia mit drei Hektar Reben und einem verfallenen Bauernhaus stand zum Verkauf und Rudi Bindella sen. wurde neben seiner Haupttätigkeit als Weinhändler und Restaurantbetreiber in der Schweiz auch noch Winzer in Montepulciano. 40 Jahre später gibt es einen Grund zum Feiern: Das Jubiläum von Vallocaia wurde 2023 bereits gross in Italien begangen, 2024 steht nun die Schweiz auf dem Programm. Rudi Bindella sen.: «Alle unsere Ristoranti stehen dabei ganz im Zeichen von Vallocaia – mit Events, den Weinen und den traditionellen Gerichten aus der Gegend von Vallocaia. Und wer die herrliche Landschaft persönlich kennenlernen will, für den bieten wir auch geführte Weingutsbesichtigungen an.»

Feingliedrige Aromatik und Eleganz

Bindellas zweite Heimat Vallocaia zählt längst zu den Grössen des Vino Nobile: «Der Vino Nobile hat sich in diesen 40 Jahren grundlegend verändert, önologisch und stilistisch», meint Rudi Bindella sen., «der eingeschlafene Vino Nobile wurde geweckt und in eine modernisierte Klassik überführt, die kraftvolle Struktur, feingliedrige Aromatik und Eleganz vereint.»

Heute umfasst die Tenuta Vallocaia 175 Hektar Grundbesitz, 54 Hektar davon sind mit Reben bestockt. Dazu kommen noch 16 Hektar mit Olivenhainen und 40 mit Wiesen- und Ackerland. Die Rebberge verteilen sich auf vier Reblagen – Vallocaia, Camparone, Santa Maria und Fossolupaio – in vier Anbaugebieten des Vino Nobile di Montepulciano: Argiano, Cervognano, Sanguineto (Casalte) und Paterno. Diese sind auch Teil des 2021 präsentierten Projektes Pievi des Consorzio Vino Nobile di Montepulciano: Dabei wurden zwölf historische Unterzonen im Anbaugebiet des Vino Nobile ausgewählt, die sich durch klar unterscheidbare Terroirs auszeichnen – als Name wurde jeweils ein Kirchenbezirk mit einer historischen Kirche (Pieve) gewählt, der symbolhaft für die jeweilige Reblage steht und ab dem Jahr 2025 auf dem Etikett stehen darf.

Die Schaffung der Pievi und die Zonierung seien ein kulturelles Projekt für das gesamte Anbaugebiet, meint auch der Weingutsdirektor von Vallocaia, Giovanni Capuano, der das Gut seit mehr als 20 Jahren leitet. Und es passt, so Capuano, zur Philosophie der Tenuta Vallocaia, terroirbezogene Weine zu keltern. Allen voran natürlich die drei Vino Nobile di Montepulciano: Bindella, I Quadri und die Vallocaia Riserva. Rudi Bindella sen.: «Jeder Vino Nobile ist ein eigenständiger Ausdruck der Rebsorte und des jeweiligen Mikroklimas bezüglich Höhenlagen – Casalte zum Beispiel ist am höchsten gelegen –, Himmelsrichtungen, Bodenbeschaffenheit mit dem Spektrum aus Sand, Kies, Lehm, Mischformen, Erz und mehr.» Die Rebgärten der Tenuta Vallocaia verteilen sich auf vier Pievi, etwa – so Bindella – wird auch ein Vino Nobile in Zukunft als Pieve firmieren.

Sangiovese und mehr

Der Rebberg Vallocaia mit seinem hohen Sandanteil, zum Teil auch Schlick und Lehm, ist ideal für lagerfähige Rotweine. Die Böden in Camparone sind denen von Vallocaia sehr ähnlich und zeichnen sich durch einen höheren Lehmgehalt und rötliche Färbung aus. ­Santa Maria im Gebiet von Sanguineto (Casalte) ist von schlickig-lehmigem Boden geprägt, ebenso der südliche Teil von Fossolupaio im Gebiet von Paterno. Der nördliche Teil hingegen ist gut durchmischt und von Sandstein beeinflusst.

Nicht nur Sangiovese, auch internationale Rebsorten wie Merlot, Cabernet und Syrah beziehungsweise die weisse Sauvignon Blanc finden hier ihr perfektes Terroir, weiss Rudi Bindella sen.: «Wir folgen unserer Berufung und pflegen vor allem die Interpretation des örtlichen Sangiovese. Aber die internationalen Rebsorten sind im Trend, sehr beliebt und sie gedeihen auch in Montepulciano sehr gut – mit zunehmendem Absatzpotenzial.»

Neben Sangiovese finden so auch Merlot, Cabernet Sauvignon und Franc sowie Sauvignon Blanc hier eine Heimat. Vallocaia würdigt das mit verschiedenen Interpretationen: Antenata heisst der elegante Toscana IGT aus Merlot, Ardore ist eine Assemblage aus Merlot und Cabernet und Gioia ein Toscana IGT Cabernet Sauvignon. In der Linie Gemella werden ein Bianco aus Sauvignon Blanc und ein Rosato aus Sangiovese produziert. «Aber Pro­tagonist ist stets der Wein», sagt Weingutsdirektor Capuano, «und je nachdem, welches Terroir wir haben, pflanzen wir die passenden Traubensorten.» Die Weine haben 2021 eine neue Heimat in der grosszügigen modernen Kellerei gefunden: Dreieinhalb Jahre hat der Bau des Kellers gedauert, zwei Jahre der des Empfangsbereichs und der Büros. Schonende Verarbeitung der Trauben, des Mostes und des Weines stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Nachhaltigkeit: Hundert Kilowatt Strom werden mit Solarenergie produziert.

Gesamtkunstwerk Vallocaia

Die Kellerei ist in rotem Backstein gehalten, mit ausgedehnten freiliegenden Innenräumen, in denen Reihen von grossen Fässern, Barriques und Vergärungsbehältern dem Besucher ein abwechslungsreiches Bild bieten. Von den grossen Fenstern aus blickt man in die sanfte Landschaft und auf das edle Profil von Montepulciano, das hochgelegene Cortona, auf Sonnenuntergänge und Bergrücken – übersät mit Pinien und Zypressen.

Rudi Bindella sen. wollte, dass die Geselligkeit im Mittelpunkt des Anwesens steht: Im «Sereno – Cucina di Vallocaia» werden traditionelle toskanische Gerichte kredenzt, authentisch und saisonal, verfeinert durch die Zutaten aus den Gärten des Anwesens und von örtlichen Bauernhöfen sowie durch das native Olivenöl von Vallocaia. Rudi Bindella sen. hat auch einen Teil seiner umfangreichen Kunstsammlung in die Kellerei integriert, Künstler wie Christopher Lehmpfuhl, der viele Male auf Vallocaia zu Besuch war, haben dafür Werke geschaffen.

Die Tenuta Vallocaia ist dabei auch idealer Ausgangspunkt für Entdeckungen in der Toskana: Die mittelalterlichen Städtchen Montepulciano und Pienza, der Tempio di San Biagio, die schönste Renaissancekirche Italiens, das Etrusker-Museum in Chiusi oder das michelinsternbekränzte «Ristorante Osmosi» in Montepulciano zählen zu den persönlichen Highlights von Rudi Bindella sen., der abschliessend meint: «Heute darf Vallocaia als Gesamtkunstwerk bezeichnet werden: die faszinierend schöne Landschaft, die mustergültig gepflegten Rebgärten, die Infrastruktur auf dem höchsten Stand der Technologie, die wohnliche Einrichtung und – vor allem – das eingespielte Team, das einer Familie gleicht.»

Auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte auf der Tenuta Vallocaia versprechen spannend zu werden, meint Bindella mit einem Blick auf die sanfte Landschaft der Toskana: «Wir wollen unsere Arbeit im Rebgarten und Keller mit noch mehr Tiefgang verrichten, die Qualität der Weine kontinuierlich aufwerten, den Fokus auf den Vino Nobile gerichtet behalten und den Anbau von Olivenbäumen erweitern.»