Nizza DOCG

Genuss auf Piemontesisch 

Text: Christian Eder, Fotos: Andrea Pesce

Man nennt ihn gerne den Grand Cru der Barbera: den Nizza DOCG, einen Terroirwein par excellence, der seine Heimat im Monferrato hat, seit 2014 Weltkulturerbe der UNESCO.

Grand Cru der Barbera deshalb, weil ein Nizza DOCG reinsortig aus Barbera, einer der renommiertesten Rotweinsorten Italiens, gekeltert wird und sehr strenge Produktionsregeln aufweist: Sie betreffen vor allem geringe Erntemengen im Rebberg und die Zeiten des Ausbaus in Holz und Flasche, die dafür sorgen, dass ein Nizza DOCG stets ein charaktervoller Wein ist, der optimal reifen kann.

Barbera ist seit jeher eine der wichtigsten Varietäten des Piemont, aus der einst spritzige Weine für jeden Tag gekeltert wurden, bevor man ihr Potenzial entdeckte, kraftvolle und fruchtige Weine zu ergeben. Im besten Falle werden diese in Holz gereift und überzeugen durch die lebendige Säure auch mit Reifepotenzial.

Eine der Kernzonen der Barbera war stets das Gebiet rund um die Stadt Nizza Monferrato, in der schon lange einige der Aushängeschilder dieser Rebsorte kreiert wurden. Die Weine dieses Gebietes zeichnen sich nicht nur durch Fruchtigkeit und Terroirempfindlichkeit aus, sondern auch durch eine feine Eleganz, ein Resultat des Klimas rund um Nizza Monferrato, kaum vergleichbar mit Barbera-Weinen aus anderen Teilen des Piemont.

Deshalb wurde 2002 auch die Unterzone Nizza des Barbera DOC geschaffen, und 2014 hat sich daraus der Nizza DOCG entwickelt, ein Terroirwein, der seinen Namen wie alle grossen Ursprungszonen der Welt von der geografischen Lage erhält. Die Heimat des Nizza DOCG sind heute 18 Gemeinden, ein Gebiet, das in keiner Weise uniform, sondern geprägt von vier unterschiedlichen Zonen mit zahlreichen Mikroklimata ist. 

Der Weinbau ist vor allem auf den zentralen Bereich konzentriert und reicht von Agliano Terme im Westen bis Mombaruzzo im Osten. Die Zone im Süden ist gekennzeichnet durch höhere und steilere Hügel, die in den 506 Metern des Mount Dagno gipfeln, im nördlichen Teil des Anbaugebietes ist der Weinbau hingegen von geringerer Bedeutung. «Mit dem ­Nizza DOCG wollen wir auch die Besonderheiten der einzelnen Terroirs hervorheben», erklärt ­Stefano Chiarlo, Präsident der Winzervereinigung des Nizza DOCG. Deshalb wird darüber diskutiert, dass in Zukunft auch Unterzonen mit geografischen Zusatzbezeichnungen – sogenannte UGA oder MGA – geschaffen werden, um dieser Territorialität noch mehr Rechnung zu tragen.

Eine Karte, vom renommierten italienischen Map-Man und Kartographen ­Alessandro Masnaghetti erarbeitet und in seinem Verlag Enogea erschienen, hat bereits die Besonderheiten der einzelnen Lagen ausgelotet. Fast 90 Winzer aus dem gesamten Anbaugebiet sind inzwischen in der Associazione ­Produttori del Nizza organisiert. Präsident der Associazione de Produttori del Nizza ist seit 2021 Stefano Chiarlo, die Vizepräsidenten sind Giovanni Bertolino und Daniele Chiappone. Der aktuelle Hauptsitz der Vereinigung ist die Enoteca ­Regionale im Palazzo Crova in der Via Crova 2 in Nizza Monferrato.

Eine jährliche Blindverkostung der Nizza-Weine durch die Produzenten selbst garantiert, dass jede Flasche eines Nizza DOCG oder einer Nizza DOCG Riserva den hohen Qualitätsstandards der Ursprungsbezeichnung entspricht.

Kulinarik und Events

Einen Überblick über die zahlreichen Facetten des Nizza DOCG erhält man im Palazzo ­Crova im Herzen von Nizza Monferrato in der Enoteca Regionale di Nizza Monferrato. Dort kann man im angeschlossenen Geschmacksmuseum die Vielfalt der gastronomischen Tradition des Monferrato erforschen – von der Weinproduktion über die Jagd nach Trüffeln bis zu den Einsatzmöglichkeiten des Cardo Gobbo. Dieses Wintergemüse, dem ein Slow-Food-Presidio gewidmet ist, ist unter anderem wichtiger Bestandteil der Bagna Cauda (des traditionellen piemontesischen Fondues, in welches Gemüse getunkt wird). Eine Bruderschaft des Cardo Gobbo und der Bagna Cauda widmet sich in Nizza Monferrato diesem einzigartigen Produkt. Aber die Einsatzmöglichkeiten eines Nizza DOCG sind vielfältig: Je nach Geschmack und Laune kann man einen Nizza DOCG zum Bollito Misto (dem klassischen Siedefleisch des Piemont) geniessen oder eine Nizza DOCG Riserva zu einem Steak oder einem würzigen Wildgericht. Ganz zu schweigen von einem Einzellagen-Nizza DOCG, der zu gekochtem Rindfleisch wie einem Wiener Tafelspitz passt. Aber auch für Antipasti, Pasta und Risotto, für die Merenda und einen würzigen gereiften Käse stellt ein Nizza DOCG einen idealen Begleiter dar, ist sich Stefano Chiarlo sicher: «Ein Nizza DOCG kann ein komplettes Mahl vervollkommnen.»

Probieren kann man das auch direkt vor Ort in einer der zahlreichen Trattorien oder einem der Restaurants der Heimat des Nizza DOCG, in der man natürlich auch hervorragend Ferien machen kann. Sei es in einem gemütlichen Agriturismo direkt beim Winzer oder in einem  luxuriösen Resort mit angeschlossenem Spa-Bereich.

Aber eine Hauptrolle spielt natürlich stets die Landschaft rundherum: Weich wellen sich die Hügel, mit Bauernhöfen und kleinen Dörfern, Wäldern, in denen trifolai (Trüffelsucher) mit ihren Hunden den würzigen Knollen nachjagen, oder sanften Rebhügeln, die man sich zu Fuss erwandern oder mit dem Fahrrad erbiken kann. Idealer Ausgangspunkt für eine Reise zum Nizza ist natürlich Nizza Monferrato (auf Piemontesisch «Nissa» genannt), der Hauptort des Anbaugebietes. Sehenswert sind der Palazzo Comunale aus dem 14. und 15.  Jahrhundert, der vom Turm des Gemeindeamtes überragt wird, von den Nizzaern «el Campanon» genannt.

Einmal im Jahr Anfang Juni findet in ­Nizza Monferrato der Corsa delle Botti statt, ein historisches Rennen, bei dem verschiedene Mannschaften aus Weinproduzenten der Gegend ihre Fässer durch die Stadt treiben (www.corsadellebottinizza.com). Zur gleichen Zeit ist Nizza auch Schauplatz des Genussfestivals Monferrato in Tavola, bei dem man die Weine der lokalen Produzenten zur piemontesischen Küche geniessen kann. Für Weinliebhaber und Fachpublikum findet jedes Jahr im Palazzo Crova in Nizza Monferrato der Event Il Nizza è statt: Am ersten Oktoberwochenende wird der Nizza DOCG mit einer grossen Verkostung von mehr als hundert Etiketten gefeiert (mehr Infos unter: enotecanizza.it/eventi/il-nizza-e/).

Natürlich ist auch die Umgebung einen Besuch wert: Am besten erkundet man Orte wie Calamandrana, Castel Boglione oder Agliano Terme (mit seinen sulfathaltigen Heilquellen) auf der Strada del Vino Astesana, die zu den Produzenten des Nizza DOCG und auch zu den besten Restaurants des Gebietes führt (www.astesana-stradadelvino.it).