Vielfalt und Dynamik
Alentejo
Fotos: z.V.g.
Mit ihren modernen vollmundigen Rotweinen und zunehmend auch den intensiv aromatischen Weissen gewinnt die nach dem Douro wichtigste Weinregion Portugals mehr und mehr Freunde. Die weiter wachsende Qualität stützt sich auf mehrere Faktoren, die von Weingütern und Kellereien mit viel Kreativität und Engagement ausgeschöpft werden.
Der Alentejo grüsst mit Weite. Hat man südlich von Lissabon das üppige Agrarland hinter sich gelassen und steuert landeinwärts, dann werden die immensen Weizenfelder, die ihm den Beinamen «Brotkorb Portugals» einbrachten, seltener. Je stärker Granit und Schiefer dominieren, je karger die Böden werden, umso mehr prägen Korkeichen, Olivenbäume und Weinreben das Land. Schier endlos erstreckt sich die sanft gewellte Landschaft unter dem ewigen Blau des Himmels und der im Sommer brütenden Sonne. Ein Drittel von Portugal, zwischen Tejo und Algarve, Atlantikküste und spanischer Grenze, nimmt der Alentejo ein, aber ist dessen am dünnsten besiedelte Region. Weinbau hat ihren Nordosten erobert, während im Süden die enormen Korkeichenwälder dominieren, die über die Hälfte der Korken und die besten der Welt liefern.
Seit mehr als 2000 Jahren wurde Wein im Alentejo angebaut. Aber Reblauskatastrophe, Erster Weltkrieg und der unter Salazar aufgezwungene Getreideanbau beseitigten ihn bis auf kleine Flächen in Hanglagen. Mit dem Beitritt zur EU erfuhr er Subventionen und neuen Aufschwung, überwacht im Rahmen der DOC von der 1989 gegründeten Weinbaukommission. So hat er inzwischen wieder das Ausmass erreicht, das er im 19. Jahrhundert besass. Nur dass heute die sechs Genossenschaften und 360 Weingüter mit modernster Kellertechnik ausgerüstet sind. Denn die ist unerlässlich, um die Vorzüge des Alentejos nutzen zu können.
Sonne, Hitze und Trockenheit regieren in dem kontinental geprägten Südklima. Die Hitze am Tage sorgt für gesunde dickschalige Trauben, die durch die kühlen Nächte ausgesprochen intensive Aromen entwickeln. Voll ausgereift und ab Mitte August gelesen schenken sie – bei perfekter Temperaturkontrolle – sehr attraktive Weine mit überbordender Frucht und weichem runden Körper. Aufgrund der hervorragenden Böden erhalten sie bei entsprechender Weinbergarbeit Finesse, Struktur und erstaunliches Potenzial.
Regionalität mal acht
Im Gegensatz zu den anderen Weinregionen Portugals wird das Klima des Alentejo nicht vom Atlantik bestimmt. Ihm fehlt es an Bergketten, die der Feuchtigkeit vom Meer Einhalt gebieten und sie zum Abregnen zwingen. Dennoch prägt die Topographie die Wachstumsbedingungen und damit den Charakter der acht DOC-Subregionen. Am Deutlichsten zeigt sich dies in der nördlichsten Subregion Portalegre. Sie stellt eine Ausnahme dar. Dort erhebt sich die Serra de São Mamede bis auf 1025 Meter – die höchste Erhebung südlich des Tejo – und sorgt für kühleres und feuchteres Mikroklima. Auf ihren Hängen reichen Weingärten bis auf über 800 Meter hinauf. Für Landwirtschaft nicht geeignet haben sich hier viele kleine Parzellen mit alten Rebstöcken im Mischsatz erhalten, die einige der faszinierendsten Weine des Alentejo liefern. Generell kommen von den vorherrschenden Granitböden Weine mit bemerkenswerter Frische und Eleganz.
Borba, die zweitgrösste Subregion des Alentejo, erstreckt sich von Estremoz nach Terrugem und weiter nach Süden bis Alandroal. Die kargen Böden basieren auf Marmor und zum Teil Rotschiefer. Mit einem etwas feuchteren und weniger heissen Klima sind ihre Weine für Ausgewogenheit und Finesse bekannt. Im Süden folgt die Subregion Redondo mit dem bis auf 650 Meter aufragenden, schützenden Höhenzug der Serra da Ossa. Auf ihren sanft nach Süden abfallenden Hängen wurzeln die Reben in Granit und Schiefer. Die Rotweine zeigen sich ausgesprochen fruchtig. Évora, Weltkulturerbe, regionale Hauptstadt und heiss-trockenem Subregion, wird für ihre vollen Rotweine geschätzt. Deren Geheimnis besteht in den Böden aus brauner Mittelmeererde über Granituntergrund, auf denen die Trauben optimal ausreifen. Die Landschaft von Reguengos, der grössten Subregion, beeindruckt mit ihren zahlreichen Felsformationen. Ausgesprochen kontinentales Klima und karge, steinige Böden mit einer dünnen Lehmschicht auf Schiefer verleihen den Weinen Kraft, Volumen und beachtliches Alterungspotenzial.
In der südöstlich anschliessenden und an Spanien angrenzenden Subregion Granja- Amareleja setzen sich die dünnen, steinigen Lehmböden auf Schieferuntergrund fort. Dies ist eine der extremsten Weinregionen Portugals mit glühend heissen Sommern und krasser Trockenheit, das Eldorado der Rebsorte Moreto, die hier warme, volle, starke, konzentrierte Rotweine ergibt. Beim südlichen Nachbarn Moura wird das gleiche unerbittliche Klima dadurch ausgeglichen, dass die kargen, von Lehm und Kalk geprägten Böden Wasser gut speichern. Das kommt der Sorte Castelão zugute, die geschmeidige, warme, doch starke Weine schenkt. Vidigueira, die achte und südlichste Subregion besitzt – durch die Vidigueira-Falte geschützt – ein ungewöhnlich mildes Klima. Ihre fruchtbaren Granit- und Schieferverwitterungsböden kommen der Sorte Antão Vaz sehr entgegen, so dass die Spezialität sehr aromatische Weissweine sind.
Auf die DOC Alentejo mit ihren acht Subregionen entfallen 11 763 Hektar Rebflächen. Weitere 6233 Hektar gehören zur geschützten geografischen Angabe, dem Alentejano IGP. Seine Grenzen werden von den drei Verwaltungsbezirken Portalegre, Évora und Beja bestimmt. Mit weniger strikten Regeln als bei der DOC nutzen die Weinmacher gerne die grössere Freiheit, zum Beispiel bei der Wahl der Rebsorten – darunter eine ganze Anzahl internationaler –, für attraktive Weine mit typisch intensiver Frucht, Geschmeidigkeit und Fülle.
Unverkennbare Identität
Was portugiesische Weine allgemein und die des Alentejo im Besonderen so einzigartig macht und ihnen markante Identität verleiht, sind die einheimischen Rebsorten. Lustigerweise kommt ausgerechnet einer Rebsorte eine Sonderstellung zu, die ursprünglich in Frankreich durch Kreuzung kreiert wurde, aber nirgendwo so herausragende Rote ergibt wie im Alentejo: Alicante Bouschet. Diese Färbersorte mit Grenache-Komponente erreicht in ihren tiefdunklen Roten eine Symbiose aus samtiger Fülle, straff en Tanninen, komplexen Aromen, imposanter Kraft, wirkt jung bereits anziehend, besitzt aber grossartiges Alterungspotenzial. Selten sortenrein abgefüllt, macht sie sich ausgezeichnet in Cuvées. Bei diesen spielen im Alentejo Aragonez und Trincadeira die Hauptrollen. Unter der ersten verbirgt sich der iberische Star Tempranillo, geschätzt wegen guter Erträge und seines harmonischen Geschmacksbilds, das Kraft und Eleganz, Frucht und Würze verschmilzt. Trincadeira lässt sich auch durch karge Böden, Hitze und Trockenheit nicht daran hindern, reichlich Trauben zu produzieren. Ihre intensiven Weine zeigen sich fl oral und fruchtig und besitzen immer eine für Cuvées sehr gesuchte Säurefrische. Diesen Vorzug bringt auch der sehr fruchtige Alfrocheiro, ursprünglich aus dem Dão, mit ins Spiel, während man die in Portugal hochgeschätzte Touriga Nacional wegen ihrer aromatischen Kraft hinzuzieht. Der sehr würzige und strukturierte Cabernet Sauvignon hat sich gut akklimatisiert und auch der Syrah gefällt es offensichtlich im heissen Alentejo, wo sie körperreiche, schon jung ansprechende Weine schenkt.
«Arinto ist ein Tausendsassa, der praktisch in allen Weinregionen Portugals präsent ist.»
Während Rosé bislang im Alentejo keine grosse Rolle spielt, entfällt jede fünfte Flasche auf Weisswein. Dabei gilt Antão Vaz als der Star. Zuhause in Vidigueira, jetzt auch in Évora, mag er trockene, doch fruchtbare Böden. In seinen körperreichen, gut strukturierten Weinen gefallen intensive tropische Frucht, Noten von Zitrus und Mineralik. Wird er früh gelesen, bewahrt er knackige Frische, doch oft vermählt man ihn deswegen mit Arinto und Roupeiro. Arinto ist ein Tausendsassa, der praktisch in allen Weinregionen Portugals präsent ist. Seine intensive Säure verleiht ihm im Alentejo Bedeutung, wo er den Weissweinen Lebendigkeit und Zitrusaromen einimpft. Roupeiro oder Síria, weiterhin die meist angebaute weisse Sorte des Alentejo, gefällt mit ihrer tollen Aromatik, nur verblasst diese schnell. Andere beliebte Sorten sind der weitverbreitete Fernão Pires und Gouveio vom Douro, der Säure und Körper mitbringt und bestens altert.
Mit ihrem sonnigen, heissen und trockenen, doch ausgesprochen gesundem Klima, den ausgezeichneten Weinbergsböden und dem Schatz an einheimischen Rebsorten, ergänzt durch eine Auswahl an ausländischen Premiumsorten, haben Winzer und Weinmacher des Alentejo eine ganze Anzahl von Trümpfen in der Hand. Mit viel Gespür verstehen sie diese einzusetzen, um eine spannende Vielfalt an Weinen zu erzeugen, die ihrer Herkunft treu bleiben.