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Winzerlegende Alessio Planeta, Sizilien, Italien
Text: Christan Eder, Foto: Luca Savettiere, Mario Mele, z.V.g.

Vor 40 Jahren begann die Familie Planeta in den uralten Anbauzonen Siziliens mit ungewöhnlichen Rebsorten neue Weine zu kreieren. Alessio Planeta, CEO des Familienbetriebes, ist auch nach all diesen Jahren nicht müde, immer neue Facetten Siziliens zu entdecken.
Von der Terrasse blicken wir hinaus aufs Meer vor Menfi. Irgendwo dort draussen liegt die versunkene Isola Ferdinandea, erzählt Alessio. Es handelt sich um die Spitze eines Unterwasservulkans, die 1831 kurze Zeit an die Oberfläche stieg, aber bevor die neue Insel noch jemand in Besitz nehmen konnte, verschwand sie wieder im Meer. Noch heute harrt sie in acht Metern Tiefe auf bessere Zeiten.
Hier, über dem Strand von Menfi, in der Oasi Capparrina, einem Hügel inmitten mediterraner Macchia und einem Olivenhain mit 46 000 Bäumen und eigenem Frantoio, lebt Alessio mit einem Teil seiner Familie: seinem Vater, seinem Bruder Santi und der Familie seines im Vorjahr verstorbenen Bruders Vito.

17 Generationen der Barone Planeta sind seit einem halben Jahrtausend eng mit dem Weinbau und der Landwirtschaft rund um Menfi und Sambuca verbunden. Erst in den 1980er Jahren begann die Familie sich im Hinterland von Menfi auf den Wein zu fokussieren. Nahe dem Lago Arancio pflanzte die Familie Planeta an den Hängen bei Ulmo 50 Hektar mit allen Reben aus, die damals interessant erschienen – «von internationalen wie Chardonnay, Merlot oder Cabernet über autochthone wie Nero d’Avola, Grillo oder Catarratto bis hin zu ungewöhnlichen wie Müller-Thurgau, Durella oder Glera», erzählt Alessio.
Mit dem Projekt wurde er mit seiner Cousine Francesca und seinem Bruder Santi betraut. Und kaum jemand war prädestinierter, einen sizilianischen Weinbaubetrieb zu führen, als er: Alessio ist Sicilia DOC. Er hat in Palermo studiert und ist in Palermo und Menfi aufgewachsen. Erfahrungen sammelte er schon zuvor im Landwirtschaftsbetrieb der Familie, und so wurde er der Weinmacher und bald auch CEO des neuen Betriebes, der gemeinsam mit Donnafugata oder Tasca d’Almerita zur Speerspitze eines neuen Siziliens wurde. «Die Zeit war reif für ein neues Image Siziliens», erinnert sich Alessio Planeta. Schützenhilfe bekamen die jungen Produzenten von der Crème de la Crème der toskanischen Önologie, darunter Giacomo Tachis und Carlo Ferrini. Planeta setzte hingegen auf die Hilfe des piemontesischen Beraters Carlo Corino: Der kam gerade aus Australien zurück, wo er Erfahrungen mit Chardonnay in gemässigtem Klima gemacht hatte. 1994 bot die beste Voraussetzung für den ersten Jahrgang an Planeta-Weinen und einen Spitzenwein aus Chardonnay. «Mit Chardonnay und anderen französischen Rebsorten konnten wir zum ersten Mal zeigen, welches Potenzial Sizilien hat.»

Von international zu autochthon
« Mit Chardonnay konnten wir zum ersten Mal zeigen, welches Potenzial Sizilien hat. »
Waren die Weine von Planeta anfangs oft internationalen Zuschnitts, setzte Alessio bald auf autochthone Rebsorten und ihr jeweiliges Terroir: seit 1997 in Vittoria, seit 1998 in Noto, seit 2007 am Ätna und seit 2011 im DOC-Gebiet Mamertino ganz im Nordosten Siziliens bei Capo Milazzo. Dort produziert Planeta mit dem Mamertino DOC einen Blend der autochthonen Rebsorten Nero d’Avola und Nocera beziehungsweise darüber hinaus noch einen reinsortigen Nocera, dunkelfruchtig-würzig, mit vifer Säure, ein neuentdeckter Charaktertyp. Alessio Planeta: «Das hat auch damit zu tun, dass das Terroir von Capo Milazzo mit keinem anderen vergleichbar ist. Es ist weder vulkanisch noch besonders kalkhaltig. Über Schwemmböden liegt allerdings eine vulkanische Schicht, die vom Wind von den Liparischen Inseln hierher geweht wurde.»
Am Ätna hingegen sind es die weissen Trauben, die Alessio betören, erzählt er: «Bei Weissweinen ist der Ätna Weltklasse.» Das zeigt er mit seinem Carricante Eruzione 1614 ebenso wie mit einem Riesling oder dem Contrada Taccione, einem Carricante aus einer der Kontraden des Ätna. In Noto liegt ihm hingegen der Nero d’Avola Santa Cecilia besonders am Herzen: «Kein Muskelprotz, sondern ein feiner, eleganter Wein mit Noten mediterraner Macchia. » Und in Vittoria ist es die Rebsorte Frappato, die er schätzt: «Sie hat eine unglaubliche Eleganz und Finesse.»
Seit einigen Jahren sind die Weine Planetas biozertifiziert, und das Gut nimmt an SOStain teil, einem regionalen Nachhaltigkeitsprojekt. Planeta ist auch Mitglied von Assovini, der sizilianischen Winzervereinigung, der Alessio Planeta einige Jahre als Präsident vorstand. Aber das ist Alessio noch nicht genug: Bei einem Teller Fave und Ricotta mit einem Schuss des eigenen Olivenöls erzählt er von seinem neuesten Projekt, dem Weingut Serra Ferdinandea, das der untergegangenen Isola den Namen verdankt. Es liegt im bergigen Hinterland zwischen Menfi und Sambuca und ist ein Joint Venture zwischen den Familien Planeta und Oddo aus Frankreich: Mehr als hundert Hektar Gesamtfläche, davon 17 mit Reben, biodynamisch bewirtschaftet, eingebettet in eine Landschaft mit kargen Schluchten, Wäldern und Bergwiesen, auf denen die Kühe grasen und die eigenen Bienen summen.

Dass man hier gut Wein machen kann, wussten schon die alten Phönizier: Die Reste eines 2500 Jahre alten Palmento – ein in Stein gehauener Weinkeller – liegen in der Nähe, tief im Wald versteckt. Vergessene Plätze wie dieser haben Alessio auch zum Kunstprojekt Viaggio in Sicilia animiert, bei dem Künstler «ihr» Sizilien entdecken können: Orte abseits der üblichen ausgetretenen Pfade, das Ergebnis wird in Ausstellung und Buch publiziert.
Der französische Konsulent Florent Dumeau steht ihm seit dem Tod von Carlo Corinoals Sparringspartner zur Seite. Er unterstützt ihn auch, wenn es um neue Projekte geht – ebenso wie seine Cousine Francesca und sein Bruder Santi. Auch Alessios Söhne arbeiten bereits im Familienbetrieb mit.
Wein und Kultur bewahren
Der Fokus wird dabei immer in Sizilien bleiben, das ist für den Weinmacher klar. Es sind keine Eskapaden in Italien oder dem Rest der Welt geplant, denn: «Es gibt in Sizilien noch immer viel zu entdecken und zu bewahren.» Das Bewahren liegt ihm dabei besonders am Herzen. So hat er mit Planeta die Distribution des legendären Ätna-Weingutes Castello Solicchiata übernommen, in dem die Familie Spitaleri seit dem 19. Jahrhundert französische Rebsorten kultiviert: allen voran drei Crus mit Pinot Noir auf von Trockensteinmauern gestützten Terrassen. Das Bewahren geht über den Weinbau hinaus: So unterstützt Planeta auch Museen im heimischen Sambuca, organisiert Kulturevents und will sich 2025 in einem Projekt dem «zeitgenössischen» Wein widmen. Das ist noch nicht alles: In der Dispensa in Menfi – Sitz der Verwaltung und der Produktion der einfacheren Weine – findet sich ein weiteres Juwel: die Bibliothek mit einer handverlesenen Sammlung von Büchern über den Weinbau. Darunter Originalschriften von Forschern und Ampelographen und eine Originalausgabe von Andrea Baccis «De naturali vinorum historia» aus dem Jahre 1596.

Eines würde ihn allerdings noch reizen, um sein Portfolio zu komplettieren, erzählt er nach dem Essen bei einem Schluck Cerasuolo: ein grosser Passito di Pantelleria! Ein Gut, das zum Verkauf stünde, hätte er schon im Fokus. Und auch Lust, regelmässig die mühsame Anreise auf die abgelegene Insel auf sich zu nehmen. «Es ist einfach eine andere Art des Weinbaus, auf die man auf dieser vom Wind gebeutelten Insel stösst», schwärmt er, «und wenn der Wein dann nur halb so gut wird wie Donnafugatas Ben Ryé, dann war es jeden Aufwand wert.»
Facetten einer Insel
Rund 30 Etiketten produziert Planeta in seinen sechs über Sizilien verteilten Gütern: Einige davon zählen zur Crème de la Crème Italiens.
Feudo di Mezzo – Sicilia DOC Eruzione 1614 Carricante 2022
94 Punkte | 2025 bis 2029
Von der Lage Sciaranova am Ätna, verströmt den Duft von Pfirsichen und Holunderblüten und vereint salzige Mineralität mit anhaltender Fruchtigkeit und Finesse.
Ulmo – Menfi DOC Didacus Chardonnay 2022
96 Punkte | 2025 bis 2031
Eine Selektion der besten Trauben des vier Hektar grossen Rebbergs, dem 2020 verstorbenen Diego Planeta gewidmet: komplexe Aromen von Pfirsichen und Ananas, feine Würze, im Mund voller Schliff und Eleganz, ellenlang.
La Baronia – Sicilia DOC Nocera 2023
93 Punkte | 2025 bis 2029
Die autochthone Rebsorte Nocera bildet die Basis dieses Weines: würzig, mit reifen Fruchtaromen, überzeugt mit seiner Samtigkeit, der Balance aus Säure und Tannin und der beeindruckenden Länge.
Dorilli – Cerasuolo di Vittoria DOCG 2023
93 Punkte | 2025 bis 2028
Blend aus 60 Prozent Nero d’Avola und 40 Prozent Frappato: duftet nach Himbeeren, Walderdbeeren und mediterraner Würze; geschliffen im Mund, mit feiner Säure, filigran und fruchtig der Abgang.
Buonivini – Sicilia Noto DOC Santa Cecilia 2021
94 Punkte | 2025 bis 2029
Sizilianischer Klassiker: in der Nase Noten von Pflaumen und Ribes, dunkle Schokolade; kompakter Bau mit angenehmem Tannin, die Säure belebend, endet lang.
Monte Cirami – Menfi DOC Syrah Maroccoli 2021
95 Punkte | 2026 bis 2030
Von einem Rebberg in 370 Metern Meereshöhe bei Sambuca: facettenreicher Duft mit Beerenfrucht und Gewürznoten; harmonische Textur, die Säure vif, dahinter viel mediterranes Flair.
Monte Cirami – Menfi DOC Didacus Cabernet Franc 2020
97 Punkte | 2026 bis 2032
In Barriques ausgebauter Wein von der Lage Piano del Sommacco: komplexe Noten von Heidelbeeren, Kräutern und schwarzem Pfeffer; charaktervoll am Gaumen, die Tannine jugendlich, nobel der Abgang.