Winzerlegende: Kaum ein italienischer Weinmacher hat eine Region so geprägt
Hans Terzer aus dem Südtirol ist «Mr. Sauvignon»
Text: Christian Eder, Fotos: OskarDaRiz, Klaus Peterlin
Kaum ein italienischer Weinmacher hat eine Region so geprägt wie Hans Terzer Südtirol. Der Kellermeister von St. Michael-Eppan war mitverantwortlich, dass das Gebiet an Etsch und Eisack heute für seine Weissweine weltbekannt ist und hat als «Mr. Sauvignon» auch die Geschichte dieser Rebsorte mitgeschrieben. Bevor er aber in den Ruhestand geht, hat der Mittsechziger noch einiges vor.
Goldgelb-brillant funkelt er im Glas, Aromen von exotischen Früchten, Akazienblüten und auch etwas Petrol verbinden sich zu einem vielschichtigen Bouquet. Hans Terzer nickt anerkennend und bedächtig, er ist sichtlich zufrieden: Auch nach mehr als zehn Jahren ist der Flaggschiffwein seiner Kellerei St. Michael-Eppan ein Genuss – vom ersten bis zum letzten Schluck. Appius hat er ihn damals genannt, den Jahrgang 2010, mit dem er ein paar Jahre später erstmals auf den Markt kam. Als einer der ersten «Supersüdtiroler» sollte der Appius eigentlich Oans (Dialekt für Eins) heissen, ein Name, der aber in ähnlicher Form schon von einer anderen italienischen Kellerei besetzt war. So wurde Appius draus: Der Name geht auf die römische Wurzel seiner Heimatgemeinde Eppan, Appianum, mit der Bedeutung «Gut des Appius» zurück.
Der Appius sei das Filetstück seiner Spitzenlinie Sanct Valentin, erzählt der agile Kellermeister voller Stolz: Ein Weisswein, der den jeweiligen Jahrgang widerspiegelt, ein Blend aus den besten Chardonnay-, Pinot-Grigio-, Sauvignon-Blanc- und Weissburgundertrauben der Kellerei. «Den Löwenanteil hatte aber bislang stets der Chardonnay», erzählt Terzer, «die Rebsorte, die dem Wein den Charakter verleiht.» Der Appius ist auch ein Symbol dafür, wie sich Südtirol und die Kellerei St. Michael-Eppan in den vergangenen 40 Jahren verändert haben.
Wenn man aus dem modernen Barriquekeller über enge Stiegen in die historischen Gewölbe hinabsteigt, dann geht man auf eine Zeitreise durch mehr als hundert Jahre Kellereigeschichte. Dort blicken einem von grossen Holzfässern die holzgeschnitzten Porträts von Kaiser Franz Josef I. und den Obmännern der alteingesessenen Genossenschaft entgegen. 1907 gegründet, ist St. Michael-Eppan heute die Heimat von 334 Südtiroler Weinbauern, die seit mehr als 40 Jahren einen Hirten haben: den Kellermeister Hans Terzer. Obwohl ihm die Bezeichnung «Hirte», die ihm einmal ein italienischer Journalistenkollege verliehen hat, nicht gefalle: «Ich bin eher der Hirtenhund», schmunzelt er.
«Ich wurde einmal der Hirte der Kellerei St. Michael-Eppan genannt. In Wirklichkeit bin ich der Hirtenhund, der aufpasst.»
Terzer stünde – und da sind sich viele einig – schon längst ein Ehrenplatz auf einem der Fässer zu. Nicht nur, weil er aus der Kellerei einen der renommiertesten Betriebe Italiens geschaffen hat, sondern auch, weil der bekennende Porsche-Fahrer (für den täglichen Gebrauch parkt ein Macan vor der Kellerei, in der Garage steht ein Carrera) dem Südtiroler Weinbau geholfen hat, qualitativ einen Gang höher zu schalten.
Fast ganz Südtirol war in den 1970er Jahren noch in den Händen der Vernatsch-Traube. Die hellroten Weine daraus wurden meist im Fass oder als Literware in Südtirol oder in die Nachbarländer verkauft. In dieser Zeit wurde Hans (Jahrgang 1956) auf dem elterlichen Hof in Kurtatsch gross. Nach der Mittleren Reife wollte er eigentlich studieren, aber sein Vater, ein Kleinbauer, verunglückte, und so musste er als Ältester von drei Geschwistern mit 15 Jahren zu arbeiten beginnen. «So ging ich zum alten Tiefenbrunner Flaschen waschen», erzählt er uns im hellen modernen Verkostungsraum der Kellerei vor einer handverlesenen Selektion seiner besten Etiketten. Denn der Weinbau habe ihn von Anfang an fasziniert: Nach dem Weingut Tiefenbrunner kam er in die Laimburg – die Weinbauschule der Provinz Bozen mit eigener Weinproduktion. Ende der 1970er Jahre schliesslich wurde er Kellermeister der Kellereigenossenschaft St. Michael-Eppan. «Damals war ein grosser Teil unserer Produktion Offen- und Literware und nur ein kleiner Teil ging in die 0,75-Liter-Flasche», erinnert er sich. Zeit für eine «Revolution»: Nach einer Neuwahl des Vorstands bekam der junge Terzer freie Hand, die Kellerei in die Moderne zu führen. «Man kann sagen: 1981 wurde ich losgelassen, 1982 habe ich dann als Gesellenstück den Schulthauser kreiert, und 1986 wurde die Sanct Valentin-Linie geboren.» Beides Meilensteine für den Südtiroler Weinbau.
Vor allem der mit biologischem Säureabbau produzierte Weissburgunder Schulthauser – von der gleichnamigen Hoflage bei Eppan – prägte die Weissweinwelt Italiens: Auch im aktuellen Jahrgang 2021 glänzt er mit krokantener Frische, ist elegant und geschliffen.
Ein weiterer Quantensprung kam kurz danach, erinnert sich Terzer: die Verwendung von Barriques. 1984 wurden die ersten Versuche gestartet, aber das Traubenmaterial, das zur Verfügung stand, war qualitativ nicht auf der Höhe. «Also haben wir begonnen, im Weinbau zu intervenieren», erinnert sich Terzer, «zuerst noch mit viel Gegenwind von alteingesessenen Bauern: ‹Der Herrgott wird euch strafen›, war noch das Mildeste, was wir zu hören bekamen, als wir begannen, die Reben und das Traubenmaterial auszudünnen.» Aber bald stellten sich die ersten Erfolge ein: Chardonnay, Ruländer und Gewürztraminer schlugen ein «wie eine Bombe» (Terzer). Das Aushängeschild der Sanct-Valentin-Linie wurde aber bald der Sauvignon. 1989 gab es die erste kleine Produktion, 1993/94 dann die drei Gläser des italienischen Weinführers «Gambero Rosso» (17 sollten noch folgen), die Terzer auch die Bezeichnung «Mr. Sauvignon» einbrachten.
Bis zum Ruhestand noch einiges vor
Aber Hans Terzer blieb nicht allein: Auch die anderen Kellermeister und Önologen Südtirols reüssierten mit Weissburgundern, Chardonnay, Pinot Noir und Lagrein. Mit vielen seiner Kollegen verbindet Terzer noch heute eine enge Freundschaft. Gemeinsam ist man im Verband der Kellermeister organisiert, dem Hans Terzer seit 1993 als Vorsitzender vorsteht, trifft sich regelmässig und geht auch auf Weinreisen. Denn als Weinliebhaber ist Terzer nicht nur auf Südtirol fixiert: Neben Burgundern und Cabernet-Blends liebt er vor allem australische Shiraz, die sich natürlich auch in seinem Privatkeller finden.
Seit einigen Jahren hat die Kellerei St. Michael-Eppan auch TWC – The Wine Collection im Portfolio, «den kleinen Bruder des Appius», wie Terzer meint. Für die TWC-Linie werden die besten Rebsortenweine aus Spitzenjahrgängen selektioniert: Sauvignon und Pinot Noir zum Beispiel im Jahrgang 2018. Hans Terzer ist sichtlich zufrieden damit: «Blitzsaubere Weine, mit Eleganz und Finesse, sortentypisch und trinkig. Piacevolezza sagt man auf gut Italienisch: Das ist unsere Stilistik.» Und das ist noch nicht alles: Unter TWC – Annate Storiche kommen alte Jahrgänge aus dem Archiv auf den Markt, ausgewählt von Hans Terzer und neu verkorkt. In wenigen Jahren will der Mittsechziger dann aber doch das Ruder der Kellerei abgeben, um mehr Zeit mit der Familie, den Kindern und den Enkeln, zu verbringen, Rad zu fahren oder einfach guten Wein zu trinken. Jeweils ein Nachfolger für den Weinbau und den Verkauf – die Terzer beide bislang in Personalunion verbunden hat – arbeitet schon im Betrieb, um seine Fussstapfen auszufüllen.
Bis zur Pensionierung hat der Kellermeister aber noch einiges vor: Mit der Linie Fallwind hat er gerade eine Kollektion der besten zehn Rebsortenweine des Betriebes geschaffen. Ihren Namen hat die Linie von den Fallwinden des Mendelgebirges, die den Charakter der Eppaner Weine prägen. Und in Zeiten des Klimawandels werde natürlich auch die Nachhaltigkeit immer wichtiger, erfordere Investitionen, sinniert Hans Terzer: «Ein Ziel wäre, die Kellerei in den nächsten Jahren klimaneutral zu machen, aber das wird viel Geld kosten. Sollten sich die Mitglieder dennoch dafür entscheiden, stehe ich natürlich auch für diese Phase zur Verfügung.» Dann muss der Ruhestand des Kellermeisters noch etwas warten.
Seit einigen Jahren hat die Kellerei St. Michael-Eppan auch TWC – The Wine Collection im Portfolio, «den kleinen Bruder des Appius», wie Terzer meint. Für die TWC-Linie werden die besten Rebsortenweine aus Spitzenjahrgängen selektioniert: Sauvignon und Pinot Noir zum Beispiel im Jahrgang 2018. Hans Terzer ist sichtlich zufrieden damit: «Blitzsaubere Weine, mit Eleganz und Finesse, sortentypisch und trinkig. Piacevolezza sagt man auf gut Italienisch: Das ist unsere Stilistik.» Und das ist noch nicht alles: Unter TWC – Annate Storiche kommen alte Jahrgänge aus dem Archiv auf den Markt, ausgewählt von Hans Terzer und neu verkorkt. In wenigen Jahren will der Mittsechziger dann aber doch das Ruder der Kellerei abgeben, um mehr Zeit mit der Familie, den Kindern und den Enkeln, zu verbringen, Rad zu fahren oder einfach guten Wein zu trinken. Jeweils ein Nachfolger für den Weinbau und den Verkauf – die Terzer beide bislang in Personalunion verbunden hat – arbeitet schon im Betrieb, um seine Fussstapfen auszufüllen.
Bis zur Pensionierung hat der Kellermeister aber noch einiges vor: Mit der Linie Fallwind hat er gerade eine Kollektion der besten zehn Rebsortenweine des Betriebes geschaffen. Ihren Namen hat die Linie von den Fallwinden des Mendelgebirges, die den Charakter der Eppaner Weine prägen. Und in Zeiten des Klimawandels werde natürlich auch die Nachhaltigkeit immer wichtiger, erfordere Investitionen, sinniert Hans Terzer: «Ein Ziel wäre, die Kellerei in den nächsten Jahren klimaneutral zu machen, aber das wird viel Geld kosten. Sollten sich die Mitglieder dennoch dafür entscheiden, stehe ich natürlich auch für diese Phase zur Verfügung.» Dann muss der Ruhestand des Kellermeisters noch etwas warten.
Ausdruck der Rebberge
Aus der grossen Palette der Kellerei St. Michael-Eppan hat Hans Terzer sechs Etiketten ausgewählt, die ihm am Herzen liegen. Vom Weissburgunder bis zum Appius.
Südtirol DOC Schulthauser Weissburgunder 2021
16.5 Punkte | 2022 bis 2025
Von der Lage Schulthaus: 80% werden in Stahl, der Rest im Holzfass vinifiziert: verführerische Nase nach Zitrusfrucht, Aprikosen und Birne; am Gaumen geschliffen, lebhafte Säure, fruchtige Cremigkeit bis ins Finale. Zu Spargelrisotto und Fischgerichten.
Südtirol DOC Sauvignon Sanct Valentin 2020
17 Punkte | 2023 bis 2030
75% des Sauvignons werden in Stahltanks vergoren, der Rest teils im Tonneau (20%), teils im grossen Holz (5%): Noten von frischem Steinobst, Kräutern und Holunderblüten, am Gaumen mineralisch-salzig und von grosser Länge. Passt zu gebratenem Fisch.
Südtirol DOC Sauvignon The Wine Collection 2018
17.5 Punkte | 2023 bis 2031
Ein Jahr in der Barrique/im Tonneau, dann 18 Monate auf der Feinhefe belassen: facettenreiche Aromatik mit exotischen Fruchtnoten, Aprikosen, Banane, Holunder; Auftakt mineralisch und punktgenau, paart rassiges Säurespiel mit Finesse, frischem Charakter und Länge.
Südtirol DOC Bianco Appius 2017
18.5 Punkte | 2024 bis 2032
Chardonnay, Pinot Grigio, Sauvignon und Weissburgunder reifen ein Jahr in Holz plus drei Jahre auf der Feinhefe im Stahl: überaus komplexes Bouquet von Unterholz, Blüten und Grapefruit, im Mund feinziseliert, belebt von einer krokanten Säure, langanhaltend. Vereint Charakter und Eleganz.
Südtirol DOC Pinot Noir Riserva Sanct Valentin 2019
17 Punkte | 2023 bis 2029
Blauburgunder, in kleinem und grossem Holz gereift: Aromen von kleinen Waldfrüchten, Veilchen und Vanille; geschliffene Textur, ausgewogen, anhaltend und facettenreich das Finale. Ideal als Begleiter von geschmorter Lammschulter oder kräftigem Käse.
Südtirol DOC Pinot Noir Riserva The Wine Collection 2018
17.5 Punkte | 2024 bis 2030
Selektion der besten Pinot-Noir-Lagen der Kellerei: duftet verführerisch nach kleinen Waldfrüchten und reifen Kirschen; der Auftakt geschliffen, beeindruckende Struktur, vereint Fruchtigkeit und grosse Länge. Zu einem Wiener Tafelspitz oder auch Wildgeflügel.