Alles gegen den Klimawandel
Winzerlegende Miguel A. Torres, Penedès
Text: André Dominé, Fotos: Eduard Bayer
Er revolutionierte den Weinanbau in seiner Heimatregion und eroberte mit seinen Weinmarken die Welt. Auf eigenen Weingütern kreierte er gefeierte Spitzenweine. Während er vergessenen Rebsorten und neuen Anbaumethoden nachspürt, engagiert sich Miguel A. Torres mit beispielhaftem Einsatz gegen den Klimawandel. Ein Grandseigneur der Weinwelt.
Miguel A. Torres im eleganten blauen Anzug mit perfekt gebundener Krawatte begrüsst mich auf Deutsch. Seine Frau Waltraud, die sich wenig später zu uns gesellt, ist eine Frankfurterin. «Ich liebe Sprachen, zurzeit lerne ich Chinesisch, Japanisch und Russisch, um funktionsfähig zu bleiben », sagt der bald 80-Jährige und tippt sich lächelnd mit dem Zeigefinger an die Stirn. Dann wechselt er ins Französische, denn er hat in Dijon studiert. «Ich sehe den Klimawandel mit Pessimismus», gesteht er. Doch das hindert ihn nicht daran, sich aktiv für die Reduktion von CO2 einzusetzen. Den Anstoss dazu gab ihm Al Gores Film «Eine unbequeme Wahrheit». Daraufhin rief Familia Torres 2008 Torres & Earth ins Leben, um dem Engagement für Natur- und Umweltschutz und ihrem Wunsch, weiterhin herausragende Weine zu machen, Ausdruck zu verleihen. Zum einen durch Anpassung ihrer Aktivitäten an den Klimawandel, zum anderen durch Reduzierung der CO2-Bilanz. Sie setzten sich das Ziel, bis 2020 den CO2-Ausstoss um 30 Prozent zu verringern, was sie 2019 erreichten. 2050 wollen sie kohlenstoffneutral sein. Inzwischen haben die Familia Torres und die Jackson Family in Kalifornien die Assoziation International Wineries for Climate Action gegründet, um ein Maximum an Weinunternehmen zu konkretem Handeln zu bewegen, und sind dem Projekt Race to Zero beigetreten.
«Unser Ziel ist: In Patagonien wollen wir in zehn Jahren auf zehn Millionen Bäume kommen.»
Die Klimaerwärmung und ihre Folgen für den Weinbau beschäftigen den Senior weiterhin stark. «Man muss die Lese hinausschieben », betont er. «Das beginnt mit der Traubenfärbung Anfang Juli. Wir entfernen keine Blätter mehr, so wie wir das früher taten. Heute nehmen wir das Risiko der Graufäule in Kauf, um mit den Blättern ein kühleres Mikroklima zu erzeugen. » Wie üblich bei Torres geht man den Dingen auf den Grund und experimentiert mit grösserem Reihenabstand, unterschiedlichen Pfropfunterlagen und niedrigerer Blattwand. Ausserdem forschen sie nach neuen geeigneten Anbauorten in Höhenlagen. «Zum Glück haben wir die Pyrenäen. Dort haben wir Rebflächen auf tausend Metern Höhe mit mehreren Sorten bepflanzt, die eine ausgezeichnete Säure entwickeln.» Dieser Ansatz kann andernorts anders aussehen. So in Chile, wo Miguel A. Torres 1979 als erster Ausländer ein eigenes Weingut gründete. «Dort sind wir weiter in den Süden gegangen, ins Valle del Itata mit einem kühleren Klima.» Noch weiter südlich hat Familia Torres in Patagonien 6000 Hektar Land erworben. «Wir pflanzen Bäume, um unsere CO2-Bilanz zu reduzieren. In zehn Jahren wollen wir auf zehn Millionen Bäume kommen.» Stolz ist er, dass es ihnen jetzt gelungen ist, das bei der Gärung entstehende CO2 aufzufangen und zum Schutz der Weine gegen Oxidation zu verwenden.
Riesling Waltraud und Thunfischtatar
Unsere Begegnung findet im Besucherzentrum, unweit von Vilafranca del Penedès, statt. Auf dem berühmten Weingut Mas La Plana haben die Torres eine alte Backstein-Bodega restauriert und umfunktioniert. In grosszügigen hohen Räumen kann man die breite Weinauswahl, im Museum die Familiengeschichte kennenlernen. Wer mehr erfahren möchte, erreicht mit dem Elektrozug die nahe, völlig in die Landschaft eingebettete Bodega Waltraud. Darin hat Mas La Plana eine edle Kellerhalle erhalten, in enormen Fasskellern werden die Weine der eigenen Güter ausgebaut. Zurück im Backsteinbau ist das elegante Restaurant «El Celleret» Publikumsmagnet. Auf der schönen Terrasse vor dem gepflegten mediterranen Garten zwischen den Rebzeilen geniesst man den Blick aufs ferne majestätische Montserrat. Die mediterrane Küche aus frischen lokalen Zutaten ist exzellent, beste Gelegenheit, die Weine der Familia Torres zu probieren.
Bei Tisch wird uns der Waltraud Riesling 2012 (!) eingeschenkt, den Miguel Agustín zu Ehren seiner Frau 1978 kreierte. Er zeigt sich hervorragend mit herrlich reifer Rieslingnase und beeindruckender Frische. «Mir schmeckt er besser als Auslesen», so Waltraud Torres, «er hat viel Aroma, ist aber nicht zu süss.» Und passt bestens zum ausgezeichneten Tunfischtatar. Natürlich möchte ich wissen, wo Waltraud und Miguel sich kennengelernt haben. «In Sitges, wo ich mit meiner Schwester in den Ferien war – beim Flamenco», sagt sie lachend. 1967 wurde geheiratet. «Ich habe früher Kunst studiert. Aber dann kamen die Kinder und das Geschäft.» Als ihre drei Kinder gross waren, absolvierte sie die Kunsthochschule in Barcelona und begann ihre künstlerische Karriere, die sie wegen eines Skiunfalls für zwei Jahre unterbrechen musste. Sie hat wieder begonnen und zu ihrer Freude einen neuen Galeristen gefunden.
Sieger bei der Olympiade
Miguel A. Torres hatte mit 16 an der Universität von Barcelona Chemie belegt. Zwei Jahre später wechselte er nach Dijon, wo er Önologie und Weinbau studierte. «Als ich 1962 aus Dijon zurückkehrte, war der Weinbau im Penedès hundertprozentig auf Cava ausgerichtet», berichtet er. «Was rote Rebsorten anging, gab es nichts, ausser etwas Cariñena. Zum Glück konnte ich zwei Hektar von einem alten Gut übernehmen, wo ich meine ersten Stöcke Merlot, Cabernet, Riesling und andere Sorten ausprobieren konnte.» Zuvor hatte er bei einem Besuch in Kalifornien gesehen, dass man dort sehr guten Wein mit Merlot und Cabernet Sauvignon machte. Deshalb richtete auch er sich auf die französischen Sorten aus. «Das ging sehr schnell. Heute bleiben wir bei den katalanischen Sorten.» Auf Mas La Plana pflanzte er Cabernet Sauvignon an, der damals als Gran Coronas Etiqueta Negra abgefüllt wurde. Als 1979 «Gault & Millau» in Paris die internationale Rotwein-Olympiade veranstaltete, reichte Torres junior den Jahrgang 1970 ein. Er errang Platz Nr. 1 vor Latour 1970, Pichon-Lalande 1964 und Haut Brion 1961. Eine Sensation!
«Wussten Sie, dass meine Frau mit dem deutschen Markt begonnen hatte?», fragt er mich auf Deutsch. «Das habe ich 25 Jahre lang gemacht», erzählt sie. «Wir erhielten einen Stand auf der Grünen Woche in Berlin, aber keiner wollte dahingehen, denn keiner sprach Deutsch.» So wurde sie entsandt, fand einen ersten Importeur und machte über die Jahre Deutschland zu einem der wichtigsten Exportmärkte für Torres. Spannungen zwischen seinem Vater und ihm veranlassten Miguel A. 1982 ein Sabbatjahr an der Universität in Montpellier einzulegen, eine der weltweit führenden Institutionen im Weinbau. «Einmal die Woche lud ich meine Professoren zum Dinner ins Restaurant ein, denn ich hatte das Geld. Eines Abends ass ich mit Denis Boubals, da fragte er: «Warum können wir nicht die katalanischen Rebsorten zurückbringen, die mit der Phylloxera verloren gingen?» Gesagt, getan. Früher gab es in Katalonien gut hundert Rebsorten. Wir haben mehr als 50 aufgespürt. Darunter sind fünf oder sechs, für die sich der Aufwand lohnt.» Jetzt ist mit Forcada die erste alte weisse Rebsorte als Spezialität im Verkauf. Vielversprechende Rote wie Moneu, Pirene und Gonfaus werden bald folgen.
«Als mein Sohn 2012 die Leitung des Unternehmens übernahm, sagte ich: ‹Das ist gut, ich gehe in eine Art von Ruhestand, aber ich bleibe der Präsident.›» Zwar nimmt er noch regen Anteil an allen wichtigen Schritten des Unternehmens, aber er findet jetzt auch Zeit für Musik. «Ich spiele Gitarre, womit ich im Alter von fünf Jahren begann. Jetzt nehme ich Stunden, spiele klassische Stücke wie ‹Romero Anonymo› oder ‹Malagueña›. Ich mache Fortschritte. Wenn ich früher gespielt habe, ist meine Frau aus dem Zimmer gegangen, heute bleibt sie.»
Meisterhafte Rotweine
Immer innovativ, wie Forcada beweist, ist es Miguel A. Torres gelungen, auf seinen Gütern auserlesene Spitzenweine von hervorragenden Terroirs zu kreieren.
Penedès DO Forcada Varietat Recuperada No. 23 2017
Familia Torres
Die erste wieder eingeführte alte Rebsorte, 2014 auf 450 Metern Höhe gepflanzt. Mittleres Gelbgold. Intensiv und komplex, Immortellen, Wermutkraut, reife gelbe Früchte, Orangenzeste. Am Gaumen Honig und Anis, gute Struktur, ausgezeichnete Säure und feine Mineralität.
16.5 Punkte | 2021 bis 2027
Vigno Carignan 2016 Maule Valley
Miguel Torres Chile
Aus der Topreihe Cordillera de los Andes. Tiefdunkles Rubin. Florale und sehr fruchtige Nase, Duft nach Himbeeren, Kirschen, Pflaumen, süsse Noten von Vanille und Zimt. Im Mund sehr aromatisch mit viel roter Frucht und schöner Säurefrische, dezenter Würze und mundwässerndem Finale.
17 Punkte | 2021 bis 2031
Penedès DO Mas La Plana 2016
Familia Torres Antologia Miguel Torres
Sortenreiner Cabernet Sauvignon, 18 Monate in französischer Eiche (65% neu). Reizvolles Bouquet mit reifem Cassis, schwarzen Kirschen, Pflaumen, Havanna, Zeder und Mokka. Samtiger Ansatz, viel Frucht, Würze, Mineralik mit grosser Dynamik, anregenden Tanninen, langem Nachklang.
18 Punkte | 2021 bis 2036
Conca de Barberà DO Grans Muralles 2016
Familia Torres Antologia Miguel Torres
Cuvée aus Garnacha, Cariñena, Querol, Monastrell, Garró, die 18 Monate in neuen Fässern ausgebaut wurde. Dichte, würzige Nase mit Blau- und Brombeeren, schwarzen Oliven, Garrigue. Superber Ansatz voll Energie, seidige Textur, feinkörnige Struktur, schwarze Frucht, enorme Eleganz und Ausdauer.
18.5 Punkte | 2021 bis 2036
Priorat DOCa Mas de la Rosa Vinyes Velles 2017
Familia Torres Antologia Miguel Torres
Im Jahr 1939 gepflanzte Cariñenaund Garnacha-Reben auf steiler Schieferlage. Dichte Nase, reife Himbeeren und Kirschen sowie heisser Schieferton. Im Mund zeigt der Wein eine hervorragende Spannung, süsse rote Frucht, verblüffende Frische, tänzelnd, dramatisch, packende Mineralität, mit beeindruckendem Tiefgang.
19 Punkte | 2021 bis 2040