Winzerlegende Fritz Wieninger, Wien
«Mein Vater war ein guter Trainer»
Text: Rudolf Knoll, Fotos: Monika Saulich
Was wäre Wiens Weinbau ohne Fritz Wieninger? Vielleicht immer noch wie vor gut 20 Jahren qualitativ weitgehend bedeutungslos, mit Heurigen, bei denen belanglose Qualität dominiert. Doch durch die diversen Initiativen des rastlosen Stammersdorfer Weinbauern steht Österreichs Hauptstadt heute in Sachen Wein glänzend da und kann mit Gemischtem Satz eine Spezialität vorweisen, die auf der ganzen Welt Fans hat.
Wien, Wein, Wieninger – ein schöner Dreiklang. Fritz Wieninger aus Wien-Stammersdorf könnte man auch den Namen Weininger verpassen. Sicher ist, dass der 53-Jährige für seine Heimatstadt beim Wein mehr geleistet hat als jeder andere Erzeuger vor ihm. Obwohl es einst den Doyen der Wiener Winzer, Franz Mayer (1928–2011), gab, der seine Kollegen immer mahnte, auf gute Qualität zu achten, und mit seinem Heurigen «Mayer am Pfarrplatz» bis zu dessen Verkauf im Jahr 2006 auch mit gutem Beispiel voranging. Aber Nachahmer fand er nur bedingt. Einer davon war schon vor Fritz Wieninger dessen Vater, auch ein Fritz, der bereits vor rund 60 Jahren mit der Flaschenabfüllung von Qualitätsweinen begann und die Devise vertrat, man wolle nicht nur das übliche Viertel verkaufen. Vor kurzem wurde ein 1962er entkorkt. «Sensationell», schwärmte eine Mitarbeiterin von Fritz II. mit leuchtenden Augen.
«Ich will Weine mit Tiefe und Charakter erzeugen, lasse mich gern inspirieren, will aber nichts kopieren.»
Der war im damaligen Erntejahr noch nicht auf der Welt, aber er wurde bereits als 14-Jähriger vom Vater – der mit Mutter Barbara immer noch im Heurigen der Familie aktiv ist – früh darauf getrimmt, Winzer zu werden. «Er war ein guter Trainer», lacht Fritz im Rückblick und erinnert sich an regelmässige strenge Verkostungen mit dem Senior. Als er 1987 nach einer Ausbildung an der Weinbauschule Klosterneuburg und einem Praktikum in Kalifornien – das für seine späteren Rotwein-Ambitionen prägend war – die Verantwortung im damaligen Fünf-Hektar-Betrieb übernahm, war es bereits seine Zielsetzung, bei den feinsten Gastronomie-Adressen auf der Weinkarte zu stehen.
Einiges musste dafür umstrukturiert werden. In Erinnerung ist ihm, dass damals der Chardonnay aus einem 50-Liter-Container als einfacher Schankwein abgefüllt wurde. «Das ist heute mein begehrter Grand Select.» Bereits 1985 hatten Vater und Sohn Cabernet Sauvignon angepflanzt, obwohl ihnen prophezeit wurde, dass die Reben nicht ausreifen würden. Der 1987er bewies das Gegenteil. Heute ist die Sorte hauptsächlich Bestandteil von roten Cuvées. Vor gut 30 Jahren war der Stellenwert des Wiener Weines gering. An Qualität waren nur wenige Erzeuger interessiert. Das besserte sich langsam, aber auch eine 2002 auf Initiative von Franz Mayer gebildete Interessengemeinschaft von Winzern zum Verein Vienna Classic setzte keine bedeutenden Akzente.
Da traf sich Fritz Wieninger 2005, als er schon längst zum Wiener Starwinzer avanciert war, mit einigen Kollegen, um zu bereden, wie es mit dem Wiener Weinbau weitergehen sollte. Daraus entstand die Vereinigung WienWein mit den heutigen Mitgliedsbetrieben Edelmoser, Christ, Fuhrgassl-Huber, Mayer am Pfarrplatz, dem Stadtweingut Cobenzl und eben Wieninger. Der zahlenmässig kleine, aber von der Fläche her bedeutende Club (über 40 Prozent der Wiener Rebfläche von rund 635 Hektar) machte bald Furore und stellte die Wiener Weinwelt mehr oder weniger auf den Kopf. Vor allem hauchte man dem traditionellen, aber lang vernachlässigten Gemischten Satz neues Leben ein. Die früher eher gering geschätzte, oft grasig-saure Rebsortenmischung, die gemeinsam geerntet und gekeltert wird, bekam eine gesetzliche Basis, wurde 2013 in die Reihen der DAC-Weine inklusive Lagenklassifikation aufgenommen und hat inzwischen in der Statistik mit einem Flächenanteil von 25 Prozent sogar den Grünen Veltliner hinter sich gelassen. So ganz nebenbei erreichte WienWein noch, dass heute in den Wiener Weinbergen ein Bauverbot herrscht und eine Bewirtschaftungspflicht für Rebfläche besteht. Immobilienspekulationen war damit ein Ende gesetzt.
Dass der Mischsatz DAC-Status bekam, war für Wieninger besonders wichtig. «So gibt es rechtliche Vorschriften und eine Inflation belangloser Weine wird verhindert.» Heute gilt: mindestens drei verschiedene Rebsorten, aber keine mit mehr als 50 Prozent Anteil, sensorische Prüfung und als letzter Schritt eine Klassifikation der besten Rieden.
Die Leidenschaft für den Gemischten Satz erwachte bei Fritz Wieninger bereits 1999, als er vier Hektar am Nussberg mit 40 Jahre alten Reben übernehmen konnte. Der neugierige Tüftler wollte zuerst mal im Kleinen erfahren, was die einzelnen Sorten liefern, machte Versuche und war erstaunt über deren Qualität und einen grossen Variantenreichtum. Heute ist der Gemischte Satz von der Ried Ulm am Nussberg mit einem alten Familienfoto auf dem Etikett ein Kultwein über Wien hinaus und ein Vorbild für Gemischten Satz in Wien.
Das Gründerjahr von WienWein hatte für Fritz Wieninger doppelt Bedeutung. Der Jahrgang vorher war extrem schwierig, mit viel Botrytis und reichlichem, aber erfolglosem Spritzmitteleinsatz. «Meine Reben waren richtig beleidigt», erinnert er sich – und beschloss, die Pflanzen durch eine radikale Umstellung zu stärken. Ein Freund von ihm, der gelernte Gastwirt Stefan Hajszan, hatte 2000 mit Weinbau begonnen und bald auf biodynamische Bewirtschaftung umgestellt. So erfolgreich, dass Fritz darin eine Vorbildfunktion sah. Er informierte sich noch bei anderen Kollegen und startete 2006 mit der Umstellung. Seitdem ist er gut damit gefahren. Grüner Winzer ist er heute bis in die letzte Faser. Sogar sein BMW (Kennzeichen: W-BIO1) ist ein Elektroauto.
Mit Freund Stefan, der zwischenzeitlich durch Hinzunahme eines Partners das Weingut in Hajszan Neumann umbenannte, bekam er 2014 nochmals innigen Kontakt, als sich dieser aus dem Weinanbau verabschiedete und seine 18 Hektar an Wieninger übergab. Was der daraus machte, kann er nur noch aus weiter Ferne verfolgen, weil er nach Neuseeland ausgewandert ist. Aber Fritz war von Anfang an klar, dass sich beide Weinlinien nicht auf einen Nenner und unter Wieninger integrieren liessen. Hajszan Neumann steht für eine etwas eigenwillige, aber gelungene Wein-Interpretation, bei der längere und lange Maischestandzeiten und der Ausbau in Amphoren und Beton-Eiern eine Rolle spielen. «Orange oder Natural ist das nur bedingt», differenziert Fritz Wieninger. «Dafür habe ich viel probiert, nur wenig gut gefunden und alle möglichen Fehler entdeckt.» Aber man schmeckt Unterschiede, wenn man die klassischen Wieninger-Weine verkostet. «Ich will Weine mit Tiefe und Charakter erzeugen, lasse mich gern inspirieren, will aber nichts kopieren.» Weniger ist heute mehr – an Qualität. «Früher habe ich Wein standardmässig geschönt, dann wurde mir klar, dass guter Wein das nicht braucht.» Der Stil hat sich etwas verändert. Vor allem wurde das Basis-Segment, von dem teilweise grosse Auflagen gefüllt werden, deutlich wertiger. Die Entscheidung über Qualität fällt für ihn auf seinen insgesamt 80 Hektar bereits im Weinberg. Fritz setzt sein typisches Lausbubenlachen auf: «Früher war ich Kellermeister, jetzt bin ich wieder Weinbauer.»
Dass im Keller trotzdem alles optimal abläuft, dafür sorgen seine Önologen aus Portugal, Luis und Joao. Für die optimale Anordnung aller Gerätschaften und die Ausstattung des 2012 eingeweihten, neuen Kellers mit Vinothek sorgte eine Spezialistin. «Meine Frau Lissi hat, obwohl aus Osttirol, ein natürliches Talent für Wein. Und sie ist eine begnadete Innenarchitektin, die viele Ideen einbrachte und eine sehr gute Bauleiterin war.» 2000 haben die beiden geheiratet. Drei Kinder garantieren langfristig den Fortbestand des Weingutes. Maxi, 14, der Jüngste im Trio mit zwei Schwestern, hat mit der Ausbildung in Klosterneuburg begonnen. Kritik übte Fritz I. Wieninger-Senior am Taufnamen: Fritz wäre ihm lieber gewesen. Der Kompromiss: Maxis zweiter Vorname ist Fritzi (später mal Fritz). Was dem Vater besonders Freude macht: «Ich habe ein erfülltes Familienleben.»
Önologischer Spagat im Keller
2014 übernahm Fritz Wieninger die 18 Hektar des Grinzinger Weingutes Hajszan Neumann und macht seitdem einen önologischen Spagat. Zwar wird als Mitglied der respekt-Vereinigung durchgängig Biodynamie praktiziert, aber im Keller scheiden sich etwas die Geister – man schmeckt’s.
Grüner Veltliner 2018 Ried Haarlocke Weingut Hajszan Neumann
17 Punkte | 2020 bis 2028
Wein von alten Reben, ausgebaut im Stahl; zarte Bitternote mit einem Hauch Tabak und viel Kräutern im Aroma; sehr würzig, dicht, ausdauernd im Geschmack, braucht Zeit.
Wiener Gemischter Satz DAC 2018 Ried Weisleiten Weingut Hajszan Neumann
17.5 Punkte | 2022 bis 2030
Verhaltene Würze in der Nase; ausgewogene Fülle, komplex, ein prächtiges «Maul voll Wein», das seine 14 Vol.-% Alkohol nicht schmecken lässt; feurige Anmutung, noch unerschlossen, viel Potenzial.
Wiener Gemischter Satz DAC 2018
17.5 Punkte | 2020 bis 2025
Zwölf Sorten stecken in diesem Renner des Hauses, von dem jährlich rund 85 000 Flaschen gefüllt werden. Animierende Würze im Aroma; straff, mit Biss auf der Zunge, feine Herbe, vielschichtig, hoher Spassfaktor.
Riesling Ried Preussen 2018 1. ÖTW-Lage
18 Punkte | 2020 bis 2030
Animierende Zitrusfrucht und Marille deuten auf einen klassischen Riesling hin; delikate, zurückhaltende Frucht, sanfte Mineralität, anregende, aber moderate Säure, sanfter Druck.
Wien Gemischter Satz 2018 Ried Ulm-Nussberg DAC 1. ÖTW-Lage
18 Punkte | 2020 bis 2030
Der Prototyp eines gelungenen Gemischten Satzes. Zarte, einladende Würze im Aroma; sehr elegant, geschmeidig, feingliedrig und schmeichelnd. Ein Klassiker!
Chardonnay Grand Select 2017
18 Punkte | 2020 bis 2030
Etwa ein Drittel dieses Chardonnay aus verschiedenen Weingärten wurde im neuen Holz ausgebaut. Zarte Vanille im Aroma; feinmaschig, elegant, mit viel Tiefgang und stattlicher Länge. So macht Barrique-Chardonnay richtig Spass.
Pinot Noir Grand Select 2017
18 Punkte | 2021 bis 2032
Klare Cassisnoten im Aroma, sehr einladend; mit festem Körper, straff, mineralisch, viel Feuer, reife Gerbstoffe wirken im Hintergrund, ein bedeutender, noch sehr jugendlicher Pinot.