Winzerlegende Roberto Conterno, Piemont

Direttissima zum Gipfel des Barolo

Text: Christian Eder, Fotos: Sabine Jackson

Alles ist piekfein: Kein Stäubchen verschmutzt den Boden, kein Tröpfchen ist im Holz der grossen Fässer eingetrocknet, jedes unserer Degustationsgläser ist schimmernd und blitzblank. Roberto Conterno setzt sein wissendes Lächeln auf und sagt: «Das ist Vorbereitung, wie bei einer Bergtour. Nur wenn die Ausrüstung perfekt in Schuss ist, kann man starten.»

Roberto Conterno ist ein Mann der Berge. Mit Tourenskiern in den italienischen und Schweizer Alpen, beim Helicopterskiing und im Sommer beim Klettern. Gerade erst hat er mit dem Grossglockner den höchsten Gipfel Österreichs bestiegen und schwärmt von der Schönheit Osttirols, seinem Basislager für den Gipfelsieg. «Einige meiner schönsten Erinnerungen sind mit den Bergen verbunden», erzählt er, während er uns im Verkostungsraum die Bilder seiner Berg- und Skitouren zeigt. In einer Ecke steht neben alten Barolo-Flaschen auch ein Paar Tourenskier, die er selbst entworfen hat und von einer italienischen Manufaktur in einer Kleinstauflage produzieren lässt. Die Skier seien in ihrer stark taillierten Form ideal für Tiefschneeabfahrten im Hochgebirge, meint er. Conternos Lieblingstier, der Tiger, schmückt als Motiv die Oberfläche.

Mit der Stärke und auch Sanftheit dieses Raubtiers vergleicht er gerne seinen Topwein: den Monfortino. Denn Roberto Conterno ist uns weder als Skiproduzent noch als Gipfelstürmer bekannt, sondern als Produzent dieser Barolo Riserva, eines italienischen Wein- Mythos, der seit bald hundert Jahren von seiner Familie produziert wird.

Nur in den besten Jahren

Seit 1924 – so die offizielle Zahl – wird er in der Kellerei Giacomo Conterno in Monforte d’Alba eingekellert: zuerst von Ahnherr Giacomo, später von Vater Giovanni, seit Ende der 1980er nun von Roberto – Giovannis jüngstem Sohn – selbst. Überaus langlebig (das beweisen historische Jahrgänge wie 1964 und 1971) und elegant wird er ohne Zugeständnisse an den Markt nur in den besten Jahren in Mini- Auflage produziert.

«Wenn man klein denkt, bleibt man klein. Deshalb ist es fundamental, gross zu denken.»

Der Monfortino bringt mehr als fünf Jahre in grossem Holz im Keller zu. Ob er schliesslich wirklich als Riserva Monfortino auf den Markt kommt, entscheidet seine Evolution im Fass, die sein Schöpfer regelmässig in Fassproben kontrolliert. Ist es kein Monfortino-Jahr, kommt der Wein als Teil des Barolo Francia auf den Markt: Die Rebzeilen, in denen die Trauben des Monfortino selektioniert werden, sind Teil der Cascina Francia in Serralunga d’Alba. Dort wachsen die Reben auf kalkhaltigen Böden mit hohem Eisenanteil. Neben Barolo wird aus Barbera-Trauben die Barbera Vigna Francia produziert. Im Osten schliesst sich an die Cascina Francia die Lage Arione an, ein Rebberg, den Conterno vor wenigen Jahren erworben hat. Hier entsteht der Barolo Arione, dessen erster Jahrgang 2015 noch im Keller ruht. Die Barolo-Palette komplettiert der Cerretta aus der gleichnamigen Lage in Serralunga, den Conterno seit 2008 im Portfolio hat.

Dabei sind die Weine Robertos Conternos natürlich Tradition pur: Der Monfortino macht zum Beispiel eine 35-tägige Maischegärung in grossem Holzfass durch, wird nicht geschönt oder filtriert. Erst nach Jahren und Jahrzehnten in der Flasche erreicht er seine ganze Grösse.
Der aktuelle Jahrgang 2010 ist längst ausverkauft, der nächste, 2013, bereits gefüllt, wird aber erst Ende 2019 auf den Markt kommen. Er lässt uns dafür den 2014er aus dem Fass probieren: Für ihn einer der besten Monfortino, die er je produziert hat. 2021 soll er erscheinen.

«Um optimale Qualität zu erreichen, muss man auf jede Kleinigkeit achten», erzählt er uns, während der Monfortino in brillantem Rubin in unser Deguglas tropft. Roberto Conterno ist dabei ganz Perfektionist, nichts wird dem Zufall überlassen: Ein Mitarbeiter wurde abgestellt, um jedes einzelne Stück Kork zu kontrollieren, das die 4000 Flaschen Monfortino verschliesst. Conterno hat auch für die Riserva Monfortino und seine anderen Baroli und Barbere ein eigenes Weinglas konzipiert, das von Zwiesel geblasen wird und in der Sensory-Reihe erscheint. Es sei filigran, meint er, aber nicht zu leicht, und verengt sich in eleganter Form. Ideal, um die Feinheiten seiner Kreszenzen herauszuarbeiten. Zum ersten Mal konnten wir den Prototyp vor einem Jahr im Keller testen, wo er gegen das Glas eines Mitbewerbers eingesetzt wurde. Auch dieses Mal arbeitet das Glas die Details der Barolo hervor, die wir direkt aus den grossen Holzfässern verkosten: Von den jugendlichen 2015ern der Cascina Francia, Ceretta und Arione bis zum grossartigen Monfortino 2014, der sich noch besser gebärdet als vor einem Jahr.

Neue Nebbioli

Die Perfektion, die Roberto Conterno in seinem Keller in Monforte d’Alba und seinen Rebbergen in Serralunga an den Tag legt, wird wohl auch sein neues Weingut Nervi in Gattinara im Alto Piemonte prägen. 2018 hat er das 27 Hektar grosse Gut erworben, dem er bereits seit 2012 als Berater zur Seite stand. Er erwartet einiges: «Das Nordpiemont ist eine wunderbare Region», meint er, «und sie bringt einen ganz anderen Nebbiolo hervor als hier in den Langhe: Die Trauben wachsen auf Porphyrböden und nicht auf Kalkmergel, die Weine sind daher mineralischer und feiner ziseliert.» Besonders viel Potenzial hätten die Einzellagen des Gutes, Molsino und Valferana, meint er. Auch hier hat es ihm der Jahrgang 2014 besonders angetan.Inzwischen prangt neben dem Namen Nervi in grossen Lettern auch «Conterno» auf dem Etikett. Und auch einen ersten 100-prozentigen Conterno-Wein gibt es bereits in der Flasche (die Nebbioli des Jahrgangs 2018 ruhen natürlich noch in Holz): einen 2018er Rosato aus Nebbiolo, fruchtig und saftig. «Einen solchen jungen frischen Wein zu produzieren, war schon immer mein Herzenswunsch», gesteht Conterno schelmisch. Sichtliches Vergnügen bereitet ihm auch der Jefferson 1787, der Rosé-Spumante von Nervi, produziert aus Nebbiolo-Trauben: «Schon einen Barolo zu machen ist schwierig, aber ein Metodo Tradizionale – ein Schaumwein nach der klassischen Flaschengärmethode – ist nochmals eine ganz andere Welt.»

Familienbande

Aber ob Nervi oder der neue Rebberg Arione: All das sei bereits für die nächste Generation des Familienbetriebes gedacht, meint der Monfortino-Macher. Sohn Gabriele steht an der Seite des Vaters im Keller, Nicolo hingegen ist Ingenieur. Zu den beiden hat sich in diesem Jahr im Februar noch ein Mädchen zu seinen beiden Söhnen gesellt: Marta, die gemeinsame Tochter mit Lebensgefährtin Ilenia. «Jedes, Weingut, jede Kellerei braucht Menschen, um zu leben», ist er überzeugt. Und das sei nicht nur die Familie. Deshalb hat er ein eigenes Buch, das er in Kleinstauflage produzieren liess, seinen Mitarbeitern gewidmet: Von allen hat ein Profi-Fotograf Gesicht und Hände abgelichtet – die wichtigsten Dinge, meint Conterno, um den Charakter eines Menschen zu ergründen.

Während wir uns den letzten Schluck unserer Fassprobe des Monfortino 2014 auf der Zunge zergehen lassen und nicht spucken, sondern schlucken, erklärt uns sein Schöpfer den Charakter dieses grossen Weines, der inzwischen schon jenseits der 1000 Euro pro Flasche kostet: «Ein Monfortino ist wankelmütig, hat Höhen und Tiefen, verschliesst sich in den ersten Jahren, öffnet sich dann wieder und kann in guten Jahren ewig lagern. Doch vor allem gilt: Einen Monfortino trinkt man nicht, man kaut ihn.»

Und dann gibt uns Roberto Conterno noch einen Satz mit auf den Weg, den er sich selbst zur Philosophie erkoren hat: «Wenn man klein denkt, bleibt man klein. Deshalb ist es fundamental, gross zu denken.» Dann kann man nicht nur einen Gipfel erklimmen, sondern auch mythische Weine produzieren.

Der Tradition verpflichtet


Zwei Rebsorten dominieren die ganze Palette Conternos – und sind urpiemontesisch: Nebbiolo und Barbera. Nebbiolo ist dabei nicht nur Herr im Keller in Monforte d’Alba, sondern auch im Weingut Nervi in Gattinara im Nordpiemont. Der 27 Hektar grosse Besitz gehört erst seit dem Vorjahr zum wachsenden Conterno-Imperium.


 

Giacomo Conterno – Barolo DOCG Cerretta 2014

18 Punkte | 2025 bis 2036

Cerretta ist eine der renommiertesten MGA (Menzioni Geografiche Aggiuntive – die geografischen Zusatzbezeichnungen des Barolo) in der Gemeinde Serralunga d’Alba: Der dort gekelterte Wein duftet eindrücklich nach Steinobst und Himbeeren sowie Leder und Trüffel; geschliffene Textur mit kraftvollem, engmaschigem Tannin, eleganter Verlauf mit Noten von Beeren und Unterholz. Geschmeidig und lang.

Giacomo Conterno – Barolo DOCG Francia 2012

18.5 Punkte | 2024 bis 2035

Die Trauben stammen aus dem 14 Hektar grossen Rebberg rund um die Cascina Francia in Serralunga. Duftet nach roten Waldfrüchten und Rosen, umhüllt von Tabak- und Lavendelnoten; im Mund füllig und zugleich doch voller Finesse, die Säure überaus belebend, die Gerbstoffe sind feinkörnig und perfekt eingebunden.

Giacomo Conterno – Barolo DOCG Riserva Monfortino 2014

19.5 Punkte | 2028 bis 2058

Noch steckt er nahezu jugendlich mitten in der Fassreife, zeigt aber bereits in dieser Phase die Komplexität und den einzigartigen Charakter der Besten seiner legendären Vorgänger: Noten von Blüten und Trüffeln, auch Kräutern wie Rosmarin und Thymian; feinziseliert am Gaumen und mit charaktervollen Tanninen, kurzum: ein erster Vorgeschmack auf einen grossen Wein, der im Jahr 2021 erscheinen soll.

Giacomo Conterno – Barbera d’Alba DOC Vigna Francia 2016

17.5 Punkte | 2021 bis 2026

Wie alle Weine Conternos wird auch dieser Barbera im grossen Holzfass ausgebaut: würzig-beerige Nase, umhüllt von Unterholznoten, von Leder und Tabak; kraftvoll mit belebender Säure am Gaumen, viel Fülle und doch auch Eleganz bis ins Beerenconfitfinish.

Giacomo Conterno – Barbera d’Alba DOC Vigna Cerretta 2016

17 Punkte | 2021 bis 2025

Vollmundiger, komplexer Wein, der im Duft an Blüten und Steinobst erinnert, auch balsamische Nuancen; am Gaumen ausgewogen und doch kraftvoll, Säure und Tannin spürbar, aber in harmonischem Einklang, der Abgang würzig-fruchtig. Hervorragend zu dunklem Fleisch.

Nervi-Conterno – Gattinara DOCG Vigna Molsino 2014

17.5 Punkte | 2022 bis 2028

Einzellagen-Nebbiolo des historischen Weingutes Nervi in Gattinara, dessen Trauben auf Porphyrböden wachsen auf etwa 400 Metern über Meer: verführerisch-finessenreiche Nase mit Noten von Himbeeren und Spezereien; eleganter geschliffener Verlauf mit einem überaus vielversprechenden anhaltenden Finish.

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