Winzerlegende: Franz Hirtzberger, Wachau

Eine Dynastie mit Weitsicht

Text: Rudolf Knoll, Fotos: Monika Saulich

  • Franz Hitzberger
    «Wir wollen möglichst reife, gesunde Trauben und ernten deshalb sehr spät. Dann müssen wir im Keller nichts mehr reparieren.»
  • Franz Hitzberger
    Das einst kleine Weingut bewirtschaftet heute 23 eigene Hektar in der Wachau.
  • Franz Hitzberger
    Das Rentenalter ist nahe und Franz IV. im Geschirr. Aber der Senior und seine Irmgard denken noch nicht an Ruhestand.
  • Franz Hitzberger
    Besonders begehrt sind einige Lagenweine der Kategorie Smaragd, nämlich Honivogl, Axpoint und Singerriedel, Hochrain, Setzberg.

Hirtzberger und die Wachau – das ist eine besondere Beziehung. Franz Hirtzberger II. wurde einst als «Retter» der Region an der Donau gefeiert. Sein SohnFranz III. bestimmte deren Entwicklung als langjähriger Obmann der Vereinigung Vinea Wachau und erzeugte Weltklasse-Weissweine. Nach über 40 JahrenWeinbau ist das Rentenalter nahe und Franz IV. im Geschirr. Aber der Senior und seine Irmgard denken noch nicht an Ruhestand.

Beim letzten Winterurlaub in den österreichischen Bergen war Franz Hirtzberger doch etwas irritiert. Als der Wachauer Winzer an der Hotelrezeption seinen Ausweis zeigte,wurde ihm erklärt, er könne die Skilifte zum Seniorentarif hochfahren. Die Geschichte erzählt der demnächst 65-Jährige mit dem für ihn typischen spitzbübischenLächeln, nicht ohne sogleich auf seine spezielle Skikarriere einzugehen. 1969 diente er beim österreichischen Gebirgsheer und durfte mit Kameradendie Streif-Piste in Kitzbühel glatttreten. Tags darauf gewann der legendäre Karl Schranz die Abfahrt, die zu den schwersten und gefährlichsten der Welt zählt.

Hirtzberger hat sich zwar nie bei einem Rennen die Streif herabgestürzt, aber er ist gelegentlich mit einem Aktiven aus den 70er Jahren ganz privat im Schneeherumgewedelt, nämlich mit Weinfan Franz Klammer (VINUM 1/2008). Die österreichische Skilegende gewann die Streif-Abfahrt gleich viermal. Wenn manso will, waren da zwei Legenden auf der Piste, der Skistar und der Winzerstar. Nur ist der Weinmacher mit Seniorenpass weiterhin unermüdlich aktiv, obwohlihm zu Hause Franz IV. (1980 geboren) als ausgebildeter Winzer inzwischen die Hauptverantwortung im Keller abgenommen hat.

Nach wie vor ist Franz III. Chef und Inhaberdes Weingutes. Vor nicht allzu langer Zeit liess er zu Hause an der Kremser Strasse in Spitz in einem uralten Lesehof aus dem 13. Jahrhundert mit über einenMeter dicken Mauern einen neuen Weinprobenraum einrichten, in dem es etwas sentimental zugeht. Hier befand sich eine mehr als 300 Jahre alte Baumpresse, diebis 1983 für die Kelterung genutzt wurde (für eine 83er Riesling Spätlese gab es danach in einem österreichischen Führer kuriose 21 von 20 möglichen Punkten).Auch Franz Hirtzberger II., der 2007 im Alter von 84 Jahren verstorbene Vater unserer Legende, hatte damit schon so manchen beachtlichen Wein gekeltert.Also konnte die historische Presse nicht einfach zerlegt und entsorgt werden. Wesentliche Elemente wurden gemeinsam mit geschnitzten Fassböden zu einemeindrucksvollen Tisch verarbeitet.

Ein besonderes Vermächtnis

Mit viel Stolz wird ein grosser Schrank mit vielen schriftlichen Unterlagen gezeigt, welche die Bedeutung der Hirtzbergers für die Wachau schon vor Jahrzehnten belegen. So hatte Franz II., von 1965 bis 1983 Bürgermeister von Spitz, gemeinsam mit seinem Freund Josef Jamek (1919 bis 2011) erfolgreich ein Kraftwerk an der Donau in der Nähe von Dürnstein verhindert, das den Wachauer Weinbau erheblich beeinträchtigt hätte. Er stemmte sich auch gegen ein Vorhabendes damaligen Weinbarons Lenz Moser, der das 1963 im Weingesetz festgehaltene Weinbaugebiet Wachau wesentlich vergrössern wollte.

Hirtzberger schaffte es, dass die bis heute geltenden Grenzen verbindlich fixiert wurden. Man feierte ihn als «Retter der Wachau». Aber er und seine Freunde Franz Prager, Josef Jamek und Wilhelm Schwengler blieben vorsichtig und gründeten zur Vermeidung neuer Attacken auf den guten Namen der Region 1983 den Gebietsschutzverband Vinea Wachau mit strengen Vorschriften (keine Aufzuckerung für Steinfeder, Federspiel und Smaragd, kein Zukauf aus anderen Regionen).

Damals war auch Franz III. ein Gründungsmitglied der Vinea Wachau. Für ihn war von Jugend an klar, dass er Winzer werden wollte. «Ich war bereits als Kind mit dem Ochsenwagen in den Reben unterwegs.» Als 14-Jähriger erlebte er eine besondere Laune der Natur. Weil bei der Rekordernte 1964 die Fässer der Winzergenossenschaft Wachau nicht ausreichten, musste der Marktbrunnen in Spitz mit Grüner Veltliner befüllt werden. Ein paar Jahre später absolvierte er die Weinbauschule Krems und machte danach ein Praktikum auf der Schweizer Fachhochschule in Wädenswil mit dem legendären Lehrer Dr. Walter Eggensberger, «verbunden mit einem Intensivkurs über Schweizer Weinbau bis hinunter ins Wallis».

Ab 1973 begann er, zu Hause mitzuarbeiten, und übernahm so nach und nach Anteile des Weingutes. Franz II. gehörte zu den ersten Flaschenabfüllern nach dem Krieg im Gebiet, aber er lieferte bis zur endgültigen Betriebsübergabe im Jahr 1983 die Hälfte seiner Ernte aus alter Verbundenheit an die Dürnsteiner Genossenschaft ab. «Ich habe dann damit aufgehört», erzählt der heutige Senior des Betriebes. «Wir hatten damals nur sechs Hektar und brauchten den Wein.» Mit «wir» meint er sich und eine junge Dame aus Wösendorf, die er 1977 in einem Weingut kennengelernt hatte, als er dort, um sein Taschengeld aufzubessern, als Rebveredler Stöcke verkaufte. Es funkte bald, 1979 war Hochzeit, ein Jahr später erblickte Franz IV. das Licht der Welt. Ein weiteres Jahr später folgte Tochter Johanna (heute Steuerberaterin), fünf Jahre darauf der zweite Sohn Mathias.

Die «Frontfrau» teilt Wein zu

Irmgard kümmerte sich um die Kinder und wurde im bald grösser und bekannter werdenden Weingut zur «Frontfrau»,die für die Kunden Ansprechpartnerin war und im Lauf der Zeit ein ausgeprägtes Zuteilungsgeschick entwickelte. Zwar hatte Franz II. schon einige Erfolge gefeiert,aber mit dem gut ausgebildeten Sohn, der 1985 die erste Kellererweiterung vornahm, explodierte die Nachfrage nach den immer besser werdenden Weinen.Vor allem die Smaragd-Kategorie war bald sehr begehrt. Aktuell hat Irmgard Hirtzberger das Riesenproblem, Kunden klarzumachen, dass es beispielsweise statt der bestellten 18 Magnum Riesling Singerriedel oder Grüner Veltliner Honivogl nur sechs 0,75-l-Bouteillen gibt. «Im Jahrgang 2014 ernteten wir nur 20 Prozent unserer normalen Smaragd-Menge, obwohl wir bis zum 25. November gelesen haben.»

«Wir wollen möglichst reife, gesunde Trauben und ernten deshalb
sehr spät. Dann müssen wir im Keller nichts mehr reparieren.»

Franz Hirtzberger III.

Smaragd ist ein besonderes Kapitel der Wachau. Steinfeder, Federspiel und Honifogl waren nach Gründung der Vinea Wachau die drei Bezeichnungen für die Mitgliedsbetriebe. 1986 votierte eine Dame namens Honifogl gegen die Nutzung ihres Namens. Auf einen Prozess mit unsicherem Ausgang wollte sich der Verein nicht einlassen, also wurde Smaragd- Eidechse Namensgeber für die wertvollste Klasse der Wachauer Weine. «Diese Namensänderung war ein Glücksfall»,meint Franz Hirtzberger im Rückblick.

Er übernahm 1988 als Obmann die Verantwortung für die Vinea Wachau und führte den Verein bis 2012, ehe ihm Emmerich Knoll junior folgte. «Es war viel länger als beabsichtigt, aber es hat Freude gemacht», stellt er fest. In diesem knappen Vierteljahrhundert erlebte die Wachau einen starken Aufschwung – wie auch ihr Aushängeschild in Spitz, das in den meisten österreichischen Hauben- Restaurants die Weinkarten ziert und zudem international in vielen Tophäusern vertreten ist.

Dank an die tolle Lesemannschaft

Steckt da ein Geheimnis dahinter? Franz Hirtzberger schüttelt den Kopf. «Das Weinmachen verlangt viel Gespür, ist aber eigentlich relativ einfach. Manmuss im Weinberg zu Risiken bereit sein.Unser Ziel sind physiologisch vollreife, möglichst gesunde Trauben. Wir haben seit vielen Jahren eine tolle Lesemannschaft, die sehr genau selektioniert, sodass wir im Keller nichts mehr reparieren müssen.» Er beschreibt das als «kontrolliertes Nichtstun», ein gern verwendeter Begriff bei etlichen Betrieben. «Aber für mich gilt das schon über 30 Jahre.»

Die Vergärung der Weissweine (Rot ist kein Thema im Haus) passiert in der Regel im Stahltank bei einer Temperatur von 18 bis 20 Grad, meist mit natureigenen Hefen. Die Smaragdweine vom Veltliner und die Burgundersorten gelangen anschliessend in grosse Holzfässer zurweiteren Reifung. Die Säure ist bei allen Weinen harmonisch eingebunden und muss nicht reduziert werden. «Das besorgt die Natur durch die späte Lese von selbst», weiss Franz Hirtzberger. Diese schonende Art trägt auch ohne süsse Kosmetik zur hohen Stabilität bei. «20 Jahre Haltbarkeit sind bei unseren weitgehend durchgegorenen Weinen normal», doziert Franz, schenkt einen 1988er Riesling Singerriedel Smaragd mit knackig jugendlichem Biss ein und lässt ihm einen 1990er Grüner Veltliner Honivogl folgen, der im ersten Moment abweisend wirkt, aber mit Luftkontakt ein spannendes Fruchtspiel entwickelt.

Dem Rückblick im Glas folgt ein Ausblick in die Zukunft. Der Senior hat demnächst das offizielle österreichische Rentenalter erreicht und kann zufrieden registrieren, dass sich sein ältester Sohn Franz zum gestandenen Winzer entwickelt hat. Der inzwischen 34-Jährige lernte Weinbau von der Pike auf. Zunächst besuchte er die Kremser Weinbauschule und arbeitete als Praktikant bei renommierten Häusern wie Krankl (Kalifornien), Müller-Catoir (Pfalz), Künstler (Rheingau), Grosset (Australien) undKollwentz (Burgenland). Kein Wunder, dass er die Qualitätsphilosophie des Vaters übernommen hat, der es etwas ruhiger angehen lassen könnte. Etwa mit dem geliebten Vespa-Roller durch die Weinberge zu tuckern. Aber er und seine Frau unterstützen aktuell den zweiten Sohn Mathias. Den 28-Jährigen hatte man für den Weinbau schon verloren geglaubt. Er besuchte zwar die VINO-HAK an der Weinbauschule Krems und machte ein Praktikum bei Alois Gross in der Südsteiermark und bei Toni Bodenstein (Weingut Prager) in der Wachau, studierte dann aber Betriebswirtschaft und wanderte ins Bankwesen ab.

Doch vor zwei Jahren besann er sich seiner Wurzeln und verwirklichte seinen Wunsch, in den Weinbau zurückzukehren. Zunächst brachte sich Mathias in den elterlichen Betrieb ein.Dann kamen aber zwei glückliche Zufälle - und tatkräftige Eltern - zu Hilfe. Im nahen Wösendorf, dem Heimatort von Mutter Irmgard, wurden Rebgärten frei,die Vater Franz erwerben, bzw. pachten konnte. Die auf verschiedene Lagen verteilten acht Hektar sind momentan noch nicht komplett in Ertrag, aber sie sind Basis für die Gründung eines eigenständigen Weingutes. 2014 konnte die erste Ernte der Weinhofmeisterei eingebracht werden. Bei der Weingartenarbeit war die Familie gemeinsam aktiv, die Weine werden vorläufig in einem separaten Keller des Weingutes in Spitz von Jungwinzer Mathias vinifiziert.

Neues Weingut und ein Restaurant

Zugleich konnte mit der Übernahme des Restaurants «Florianihof», ebenfalls in Wösendorf, eine Anlaufstelle für Kunden des neuen Weingutes geschaffen werden. Das Haus wurde umgebaut und nach einer umfassenden Renovierung mit viel Liebe zu schmucken Details im Juni 2014 unter dem neuen Namen«Hofmeisterei Hirtzberger» wiedereröffnet. Verpachtet wurde das Haus an die gastronomischen Profi s Hartmuth Rameder und Erwin Windhaber (vorher beim Restaurant des Weingutes Nigl in Senftenberg), die einen glänzenden kulinarischen Start hinlegten und sich in Führern erste Meriten erwarben. Die Weinkarte ist bestens bestückt, nicht nur mit Franz Hirtzberger- und den neuen Weinhofmeisterei-Gewächsen.

Mathias ist froh, dass er für das Restaurant so gute Partner gefunden hat. Er ist in kurzer Zeit zum leidenschaftlichen Winzer geworden und kennt die Möglichkeiten seiner Wösendorfer Fluren inzwischen genau. Die Eltern lächeln glücklich und freuen sich, dass der ältere Junior mit seiner Frau Theresa langfristig für die Zukunft des Weingutes Hirtzberger vorgesorgt hat. Franz V. ist schon einige Jahre auf der Welt. Aber vermutlich wird auch beim Bruder Ferdinand (2014 geboren), dem besonderen Liebling vonOma Irmgard, irgendwann das Hirtzberger- Wein-Gen spürbar werden. 

Wachauer Raritäten

Der Jahrgang 2014 sorgte für einen besonderen, nicht erwünschten Raritätenstatus. Witterungsbedingt musste extrem selektioniert werden. Die Folge war vor allgemeine geringe Menge an Smaragd-Weinen. Qualitativ war der Jahrgang freilich schon bei den Basisweinen hervorragend. Hier ein Querschnitt des 2014ers (mit Ausnahme der Steinfeder alles Fassproben), dazu zwei Premierenweine von Mathias Hirtzberger.

Grüner Veltliner Steinfeder Donaugarten 2014

15.5 Punkte | 2015 bis 2018

Animierende Würze im Aroma; schlank, verspielt, anregende Säure, richtig knackig; hat bei knapp 11 Vol.-% Alkohol stattliche 24 g/l zuckerfreien Extrakt. Steinfeder-Weine dieser Art, die ein Maul voll Wein bieten, sind in der Wachau leider selten geworden.


Grüner Veltliner Rotes Tor Smaragd 2014

17.5 Punkte | 2016 bis 2025

Feines, delikates, sortentypisches Pfefferl im Duft; tolle, anhaltende Würze auf der Zunge, enorm saftig, komplex und feinmaschig.


Grüner Veltliner Axpoint Smaragd 2014

18 Punkte | 2017 bis 2030

Vielschichtige, einladende Würze im Aroma, mit zarter mineralischer Untermalung; straff , komplex, sehr temperamentvoll und anregend aufregend, bleibt am Gaumen lang präsent.


Grüner Veltliner Honivogl Smaragd 2014

18.5 Punkte | 2017 bis 2030

Der begehrteste «Grüne». In der Nase ein Hauch Apfel, Nüsse und Mandeln, dazu etwas weisser Pfeff er; vielschichtig, enorm gehaltvoll im Mund, zarte cremige Note.


Grauburgunder Pluris Smaragd 2014

18 Punkte | 2016 bis 2025

Franz III. und IV. können es auch mit den Burgundersorten. Star des Jahrgangs auf diesem Feld war bei den Fassmustern der Grauburgunder: Nüsse und Mandeln im Bouquet; straff , vielschichtig, nachhaltig, belebendes, delikates Säurespiel.


Riesling Federspiel Steinterrasse 2014

17 Punkte | 2015 bis 2022

Zarte Mineralik im Aroma, ein Hauch Marille und etwas Orangenschale; enorm saftig, Spiel, springt einen richtig an und bereitet Trinkvergnügen.


Riesling Hochrain Smaragd 2014

18.5 Punkte | 2017 bis 2030

Klare, zarte Marille kitzelt die Nase; elegant, vielschichtig, förmlich vibrierend, mit toller Rasse und viel Ausdauer im Abgang.


Riesling Singerriedel Smaragd 2014

19 Punkte | 2018 bis 2030

Marille und ein Hauch Honigmelone im Bouquet, dazu eine verheissungsvolle Würze; im Geschmack enorm druckvoll, zarter Nerv, raffiniert und endlos im Abgang. Lagerpotenzial.


Grüner Veltliner Weinhofmeisterei Hirtzberger Federspiel «Treu» 2014

16 Punkte | 2015 bis 2018

Sehr würzig, viel Wiesenkräuter im Aroma; Fortsetzung im Geschmack; ein Spassmacher mit Trinkfluss.


Riesling Weinhofmeisterei Hirtzberger Smaragd Kollmitz 2014

17.5 Punkte | 2016 bis 2025

Feiner Pfirsich mit einem Hauch Maracuja im Bouquet; druckvoll, saftige Frucht, ausdauernd im Abgang.

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren