Winzerlegende: Elisabetta Foradori
Mutter Natur
Text: Christian Eder, Fotos: Hans-Peter Siffert
Der Titel zu diesem Artikel könnte ebenso gut «Die Königin des Teroldego» lauten. Elisabetta Foradori hat der Trentiner Heimsorte vor Jahrzehnten zu neuem Ruhm verholfen. Ihre wahre Bestimmung aber hat die Winzerin erst vor wenigen Jahren gefunden – in natürlichen Weinen aus biodynamischem Anbau.
Elisabetta streicht einer Kuh über die Stirn, krault das Kraushaar des Tieres und sagt träumerisch: «So stelle ich mir meine Zukunft vor: auf einer Alm mit meinen Kühen. Und aus deren Milch mache ich dann Käse». Elisabetta Foradori, einst als Königin des Teroldego bezeichnet, fährt mit uns am frühen Morgen in ihre Weinberge, die sie an den steilen Hängen bei Trento, der Hauptstadt der Region, gepachtet hat. Dort, in Fontanasanta auf 450 Metern über Meer, wachsen vor allem weisse Rebsorten: Manzoni Bianco, eine Kreuzung aus Rheinriesling und Pinot Blanc, und Nosiola, eine alte Trentiner Rebsorte, gedeihen prächtig auf den lehmig kalkhaltigen Böden. In dem ehemaligen Jagdrevier hat Conte Simone Consolati, Konsul in Trento unter dem Bischof von Thun, im Jahr 1815 eine prunkvolle Villa errichten lassen. Das Gebäude steht wie eine Festung an der Zufahrt zu den Weinbergen und bewacht ebendiese.
«Wir hatten das Glück, hier alte Reben zu finden», erzählt Foradori, «früher waren im Trentino grosse Flächen mit Nosiola bestockt, aber die produktive Traube wurde dann zugunsten von Pinot Grigio und Müller-Thurgau ersetzt.» Zu Unrecht, wie sie meint, denn gerade Nosiola habe eine ganz eigene fruchtig-mineralische Aromatik und eine feine Säure, die sie sehr interessant mache. «Die Traube zeigt ihre Komplexität nur auf armen Böden und ergibt dann sehr feine und langlebige Weine.»
Biodynamie für Balance
Alles sieht sehr gesund aus in Fontanasanta, nicht nur die Reben, auch das Getreide dazwischen und die Vegetation rundherum. Selbst die Hühner gackern glücklich, und die Kühe geniessen faul die Morgensonne. Es scheint fast, dass durch den natürlichen Rhythmus, den die biodynamische Lehre Rudolf Steiners und der Mond vorgeben, alles mehr in Balance ist als anderswo. Elisabetta lacht ob meiner Beobachtung, gibt mir aber recht. Seit sie 2002 auf biodynamische Landwirtschaft umgestellt hat, hat sich ihr Leben verändert.
Auch im Keller ihres Weingutes in Mezzolombardo hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan: Die Nosiola zum Beispiel lässt Elisabetta Foradori in Amphoren vergären, ebenso wie ihre Teroldego-Einzellagen. 2008 hat sie erstmals Terrakotta-Gefässe eingesetzt, heute hat sie fast hundert dieser 400 Liter fassenden Behälter im Keller. Produziert werden diese in Villarobledo in Spanien. Bis Ende April bleibt die Nosiola auf der Hefe. Elisabetta sieht das als "Expresszug zu hoher Qualität".
Nach dem Morgen in den sonnigen Reblagen von Fontanasanta ist es eine Wohltat, im kühlen Keller in Mezzolombardo zu stehen. Während wir Elisabettas Terrakotta-Armee betrachten, erklärt sie uns, dass die Arbeit mit den Amphoren sehr viel Instinkt und Bauchgefühl verlange. Doch Elisabetta Foradori bevorzugt das ganz klar gegenüber technischen Lösungen. Auf die Amphoren hat sie ihr Freund Giusto Occhipinti vom Weingut COS gebracht: Der sizilianische Winzer hat im Jahr 2000 selbst begonnen, seinen Cerasuolodi Vittoria in Ton zu vinifizieren. Die Amphoren in Elisabettas Keller auf dem elterlichen Weingut sind allerdings nicht wie bei Josko Gravner oder Giusto Occhipinti in den Boden eingegraben, sondern stehen frei im Raum, durch eine Holzkonstruktion gestützt. Fast liebevoll streicht Elisabetta über die bauchigen Tongefässe, kontrolliert die Farbe des Weines in einem kleinen Glaszylinder.
Der Ton passe perfekt zur biodynamischen Philosophie von Rudolf Steiner, meint sie, und damit auch zu ihrer eigenen. Lange hat sie gebraucht, ihren Wegzu finden, lange, seit sie 1984 den elterlichen Betrieb in der Piana Rotaliana an der Grenze zwischen Trentino und Südtirol übernommen hat. Es blieb ihr keine andere Wahl: Sie war die einzige Tochter, ihr Vater war gestorben, als sie zehn war. Der Besuch der önologischen Schule im nahen San Michele war da bereits vorbestimmt. Und auch die Produktion von Weinen aus der Teroldego-Traube - schliesslich haben ihr Vater und Grossvaterdas auch schon getan.
Hüterin des Teroldego
Die dunkelbeerige Rebsorte Teroldego gedeiht fast nur in der Piana Rotaliana an der Grenze zwischen Südtirol und Trentino und bringt reinsortig gekelterte Weine hervor, die nach Veilchen, Himbeeren und Gewürzen duften. Erwähnt wurde die Traube zum ersten Mal im Jahr 1480 in einem Kaufvertrag, der in Trento geschlossen wurde. Darin ist die Redevon «zwei Bütten vergorenem, gutem Teroldego-Wein». Es wird vermutet, dass der Name vom Ausdruck «Tiroler Gold» stammen könnte, einer Reminiszenz des Trentino als Teil Tirols und damit Österreichs und auch eine Erinnerung daran, dass der Wein zu Zeiten der Habsburgermonarchie im ganzen Reich verkauft wurde.
Teroldego war schon immer eine sehr produktive Traube, und bis heute sehen die Produktionsregeln für den Teroldego Rotaliano DOC Höchsterträge von 119 Hektolitern pro Hektar vor – der höchste für einen italienischen DOC Wein erlaubte Maximalertrag. Eine Basis für einen zuverlässigen Trinkwein, aber eben auch nicht mehr.
Die junge Elisabetta war damit nicht zufrieden. Sie begann daher bereits 1985, eigene Teroldego-Klone zu selektionieren, 15 Stück wurden registriert. Mit 23 heiratete sie den in Südtirol ansässigen Agrarphilosophen Rainer Zierock, der den legendären Dolomytos kelterte, und bekam Kinder. Ihre Arbeit mit dem Teroldego zeigte schnell Erfolg: Elisabetta Foradori wurde innerhalb weniger Jahre zu einer der bekanntesten Winzerinnen Italiens. Der Granato, ihr im kleinen Holzfass ausgebauter Teroldego, wurde bald zu einem der renommiertesten Weine südlich des Brenners. Die Ehe währte nicht und Elisabetta widmete sich wieder der Arbeit, neuen Projekten.
Gemeinsam mit zwei Partnern investierte sie in ein Weingut an der toskanischen Küste: Ampeleia. Doch der Boom in der Maremma kam bald ins Stocken, Ampeleia begann bald, mehr Geld zu verschlingen, als sie mit ihrem Weingut in Mezzolombardo erwirtschaften konnte. «Ende der 1990er Jahre kam mir das alles wie ein bodenloses Loch vor», erinnert sie sich, «mit dem konventionellen Weinbau war ich an meine Grenzen gestossen.» Elisabetta begann, Alternativen zu suchen. Die Lehre von Rudolf Steiner passte wie die Faust aufs Auge, 2002 begann sie, biodynamisch zu arbeiten.
«Es ist ja nicht so, dass wir vorher nur mit der chemischen Keule hantiert haben, daher ging die Umstellung eigentlich ohne Probleme vor sich», sagt sie, «aber insgesamt hat es doch sieben, acht Jahre gedauert, bevor ich sagen konnte, das ist jetzt so, wie ich mir das vorstelle: gesunde Reben zu sehen und eben solchen Wein zu kosten.» Die Amphoren waren da nur noch das Tüpfelchen auf dem i. «Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass auch Terrakotta ein Produkt der Erde ist, ebenso wie der Wein. Dass sich die beiden gut vertragen, wusste man eigentlich schon vor Jahrtausenden.»
«Ende der 90er Jahre war ich mit dem konventionellen Weinbau anmeine Grenzen gestossen. Spät, aber doch habe ich begonnen, zuzuhören,was die Natur uns sagen will, und auch danach zu handeln.»
Elisabetta Foradori
Elisabetta ist keine Person, die sich auf ihren Lorbeeren ausruhen würde. Neue Projekte stehen an, erzählt sie uns, während wir uns im Garten ihres elterlichen Weingutes in Mezzolombardo im Schatten niederlassen, umringt von ihren gesunden Rebstöcken. So hat sie begonnen, Teroldego-Direktträger aus den Samen ihrer Reben zu ziehen. Ein Rebberg mit 5000 Stöcken wurde bereits angepflanzt, und 300 dieser Stöcke wurden selektioniert, erzählt sie, aber das sei ein Projekt, das Generationen dauere. Schnellere Ergebnisse verspricht ein Projekt mit ihrer lokalen Winzervereinigung Dolomitici, in dem sie sich mit zehn gleichgesinnten Winzern den Rebsorten der Dolomitenregion widmet. Ganz besonders hat es ihr Enantio angetan, eine rote Varietät, die im südlichen Etschtal reift und «überraschend langlebige Weine » hervorbringt.
Elisabetta Foradori - Radikal eigenständig
Elisabetta Foradoris Weine zählen zwar schon lange zu den besten des Trentino, aber noch nie waren sie so eigenständig wie heute. Sie keltert Weine mit Seele, die ihre Herkunft und den Charakter des jeweiligen Jahrgangs ungeschönt zum Ausdruck bringen.
Weine des Winzers
1 Fontanasanta – Manzoni Bianco Vigneti delle Dolomiti IGT 2012
15.5 Punkte | 2015 bis 2017
Erst Ende September werden die Trauben der Lage Incrocio Manzoni oberhalb von Trento geerntet. Der Wein vergärt in Betonfässern und verbleibt anschliessend für zwölf Monate in Fässern aus Akazienholz. Seine exotische Fruchtaromatik und Komplexität sind in perfekter Harmonie mit der Säure, die ihn überraschend langlebig macht. «Ein Wein zum Essen», sagt seine Macherin Elisabetta Foradori.
2 Fontanasanta – Nosiola Vigneti delle Dolomiti IGT 2012
16.5 Punkte | 2015 bis 2018
Der Wein bleibt für acht Monate auf den Beerenhäuten in den Amphoren – dadurch erhält er seine einnehmende Komplexität mit Nuss- und Heuaromen in der Nase, frischen Noten von grünen Äpfeln, guter Struktur und Länge. Braucht Belüftung und sollte nicht unter einer Temperatur von 15 Grad getrunken werden.
3 Morei – Teroldego Vigneti delle Dolomiti IGT 2012
16.5 Punkte | 2016 bis 2020
Acht Monate bleibt dieser Einzellagenwein in Amphoren auf den Beerenhäuten. Morei heisst übrigens im Trentiner Dialekt «dunkel, schwarz», und das passt wiederum zur Aromatik dieses Weines. Im Bouquet wunderbare Kirschnoten, am Gaumen ein kerniger, komplexer Charakter, Länge.
4 Sgarzon – Teroldego Vigneti delle Dolomiti IGT 2012
17 Punkte | 2016 bis 2021
Sgarzon stammt aus der gleichnamigen Einzellage. Dort herrscht ein frisches Klima, das zur Finesse des Weins beiträgt. Der Cru Sgarzon bleibt acht Monate in Amphoren auf den Schalen: komplexe Aromatik, am Gaumen frisch und doch harmonisch, von grosser Länge.
5 Foradori – Teroldego Vigneti delle Dolomiti IGT 2012
15.5 Punkte | 2015 bis 2017
Eine Assemblage verschiedener Reblagen am Campo Rotaliano, grossteils auf sandigen Böden. Vergärt in offenen Stahlfässern, reift anschliessend zwölf Monate im grossen Holz. Von einladender Saftigkeit, schöne Evolution, solides Kirschfinale.
6 Granato – Teroldego Vigneti delle Dolomiti IGT 2010
17.5 Punkte | 2016 bis 2021
Die Aromen des Granatapfels verleihen diesem Klassiker, der erstmals 1986 gekeltert wurde, seinen Namen. Die Trauben werden in den Reblagen Vignai, Cesura und Regin gelesen. Der Wein fermentiert in offenen Bottichen und reift 15 Monate in Holz, bevor er abgefüllt wird. Opulente Nase, die mit der Belüftung an Charakter gewinnt; am Gaumen perfekt ausbalanciert, langer, eleganter Abgang. 2010 ist, so Elisabetta Foradori, einer der schönsten Granato-Jahrgänge bislang.
7 Ampeleia – Ampeleia Maremma Toscana Rosso IGT 2011
16.5 Punkte | 2016 bis 2020
Viel Cabernet Franc, etwas Sangiovese und noch weitere fünf Rebsorten des Mittelmeerraums ergeben diesen Wein vom gleichnamigen Weingut in Roccastrada in der Toskana. Die Trauben stammen von Weinbergen in drei verschiedenen Höhenlagen. 16 Monate im Holzfass plus 12 Monate Flaschenlagerung sorgen für einen intensiv fruchtigen Wein von überraschender Eleganz und Finesse.