Bühne frei für die fantastischen Vier! • Unique Wineries of the World – Schweiz
Weingut Schmid Wetli, Berneck
Text: Thomas Vaterlaus, Nicole Harreisser, Alexandre Truffer, Fotos: z.V.g.
Offensiv aufgestellt Viererkette: Adrian, Florian, Kaspar junior und Matthias Wetli (v.l.n.r.)
Der neue Icon-Wein der Familie Wetli soll durchaus ein bisschen Verwirrung stiften. «Es wäre alles andere als ein Unglück, wenn jemand diesen Wein in einer Blindprobe für einen Malbec aus Argentinien halten würde», sagt Matthias Wetli. «Wir könnten dann sagen, dass er mit der Sorte Malbec richtig liegt und auch mit dem ‹A› bezüglich der Ursprungsregion, nur dass dieses ‹A› eben nicht für Argentinien steht, sondern für Appenzell.» Lange haben sie an diesem Cru getüftelt. Die Trauben reifen 600 Meter über Meer zwar voll aus, doch sie saugen im feuchten Alpenklima etwas mehr Wasser auf als im trockenen Mendoza. Mit einer rigorosen Ertragsreduzierung und dem teilweisen Lufttrocknen der Trauben wird dies ausgeglichen. So entsteht ein Power-Wein, gereift in Appenzeller Eiche. Der Malbec 2018 ist bereits der vierte Jahrgang.
«Das Winzerleben ist und bleibt ein Glück. Auch in der zweiten Generation.»
Florian Wetli
Nachdem ein starkes Duo, nämlich Kaspar und Susanne Wetli, diesen Betrieb zum führenden Weingut im St. Galler Rheintal gemacht hat, bildet nun also die zweite Generation, bestehend aus ihren vier Söhnen, im Fussballjargon ausgedrückt, eine offensiv aufgestellte Viererkette. Der 37-jährige Kaspar junior agiert als Kellermeister, der 35-jährige Matthias ist für den Verkauf verantwortlich, der 33-jährige Quereinsteiger Florian hat Administration und Marketing übernommen und der Jüngste im Quartett, der 29-jährige Adrian ist für die Rebberge verantwortlich. «Doch weil sie im und mit dem Betrieb aufgewachsen sind, können alle im Prinzip fast alles. Von ihrem Vater, der wie auch die Mutter noch immer aktiv im Betrieb mithilft, haben sie die mentale Einstellung übernommen, nämlich die Freude an ihrem Metier. «Das Winzerleben ist ein Glück» – der von Kaspar senior geprägte Slogan ist noch immer Programm, ganz nach dem Motto: Die Generation wechselt, das Glück bleibt! Der Betrieb ist stetig gewachsen. Wurden vor 25 Jahren noch acht Hektar in Eigenregie bewirtschaftet, sind es heute deren 18. Trauben von weiteren, gezielt ausgewählten, zehn Hektar Reben werden zugekauft. Ein Meilenstein war 2013 die Übernahme des Weingutes Lutz in Wienacht-Tobel. Seither geben die Wetlis gleich in drei Kantonen weinbaumässig den Ton an, nämlich in St. Gallen und den beiden Appenzeller Halbkantonen.
Das dynamische Weingut ist stets auch qualitativ gewachsen. Ein Meilenstein diesbezüglich war 2010 der Bau der neuen Kellerei. Der schlichte, aber bis ins Detail hochwertige Kubus mit der markant aus der Fassade hervor tretenden «Tasting-Box» hat Schweizer Weinarchitektur-Geschichte geschrieben. Hier wurden ab 2011 die ersten Selektionen der neuen Flaggschifflinie 6TUS gekeltert, wobei der Name keinen erotischen Hintergrund hat, er ist vielmehr eine Hommage an den sechsten Sinn, den es braucht, um aussergewöhnliche Weine zu keltern. Die Edellinie umfasst heute sechs Weine. Noch geben in Bezug auf den Sortenspiegel der Pinot Noir und der Riesling Sylvaner den Ton an, aber dahinter folgen zwei vielversprechende Spezialitäten. Die Gewächse aus der pilzwiderstandsfähigen weissen Sorte Johanniter überzeugen mit klarer Frucht und Finesse. Und die Westschweizer Neuzüchtung Diolinoir bringt an den Südhängen der Rheintaler Gemeinden Berneck und Au sehr ausdrucksstarke Weine hervor mit einer fast schon mediterran anmutenden Fruchtfülle. Es ist kein Wunder, dass die Sorte heute als rote Trumpfkarte der Wetlis gilt.
Unsere Selektion
Innerrhoderwy 2019
In Büriswilen in Appenzell Innerrhoden auf 610 Metern über Meer gewachsen, entsteht ein sehr finessenreicher Riesling Sylvaner. Aromen von Zitrusfrüchten, florale Noten und ein Anflug von Muskat. Auch am Gaumen fruchtbetont, klar strukturiert und überaus trinkig.
6TUS Pinot Noir 2017
Gehaltvoller, perfekt ausgereifter Pinot mit Aromen von dunklen Waldbeeren, Pflaumen, Rumtopf, dazu etwas Schokolade und gut integrierte Würznoten. Am Gaumen geprägt von einer schmeichlerischen Fruchtfülle und einer saftigen Säure, die für trinkigen Schmelz sorgt.
6TUS Diolinoir 2015
Schon das dichte Purpurrot verheisst einen gehaltvollen Wein. Rund 30 Monate in Schweizer Eiche gereift, zeigen sich Aromen von schwarzen Kirschen und Brombeeren. Dazu edle Röst- und Würznoten. Am Gaumen kraftvoll, ja mächtig, aber samtig ausgewogen. Langanhaltend.
