Naturtalente ­sorgen für Top-Qualität • Unique Wineries of the World – Österreich

Weingut Zull, Weinviertel

Fotos: Steve Haider. z.V.g.

Von Wien aus geht es 80 km in den Norden in einen der kleinsten Weinorte Österreichs, wo ein Weingut Zuhause ist, das nicht unbedingt zur Prominenz in Austria gehört, aber doch seit Jahrzehnten mit überzeugenden Kollektionen aufwartet. Verantwortlich dafür war zunächst der heute im Unruhestand befindliche Senior Werner Zull (67), der eigentlich Mathematik und Physik studieren wollte. Aber dann verunglückte sein Bruder 1976 und Werner musste sich «ohne jede Ahnung von Wein» neu orientieren. Während die Eltern weiter Fassware verkauften, besuchte er die Weinbauschule, bestand die nötigen Prüfungen und begann dann 1983 mit Unterstützung von Gattin Andrea mit der Flaschenvermarktung.

Bald fiel er mit seinen Weinen überregional auf und wurde schon wenige Jahre später als «Naturtalent» bezeichnet, weil er seine Sorten von der Ernte bis zur Füllung getreu seiner ursprünglichen Berufsabsicht «mit mathematischer Genauigkeit» behandelte. Um die Zukunft des Betriebes musste er sich nicht sorgen, weil der 1979 geborene Sohn Philipp sich bereits im Kindesalter für Weinbau interessierte und dem Vater schon als Jugendlicher beistand. Bereits 2002 übergab ihm den Senior die Verantwortung. Da hatte das zweite Naturtalent in der Familie bereits die Ausbildung in Klosterneuburg und Praktika bei Austria-Stars wie Knoll, Loimer und Prager und Schnupperkurse in Deutschland (Künstler im Rheingau), Neuseeland, Oregon und Burgund hinter sich. Dass Schrattenthal immer noch kein bekannter Weinort in Österreich ist, kann er gut verkraften. «Zwei Drittel unserer Weine werden exportiert.» Die Rebflächen, die in den Gemeindegebieten von Schrattenthal, Pulkau und Retz in einem günstigen Klima zu finden sind, geniessen schon seit geraumer Zeit naturnahe Bewirtschaftung (seit 2019 Nachhaltig Austria zertifiziert) und belohnen das mit hervorragendem Traubenmaterial. Das kommt der Zielsetzung für die Weine entgegen. «Sie sollen elegant, vielschichtig und zugleich animierend sein, ausserdem die Eigenschaften des Terroirs unverfälscht in die Flasche bringen», beschreibt es Philipp Zull.

«Unsere Weine sollen elegant, vielschichtig und zudem animierend sein.»

Philipp Zull

Vater Werner (67), immer noch fleissig im Weinberg aktiv, nickt bestätigend zu dieser Beschreibung. Er hat im Lauf der Jahre miterlebt, welche neuen Wege der Sohn ging, unter anderem mit dem Einsatz von Amphoren (aktuell zehn mit je 1000 Liter Fassungsvermögen) bei der der Cuvée «Weites Land»,  mit Viognier, Riesling und Chardonnay, die teilweise im Holz und Stahl reiften. Grüner Veltliner, gewachsen klassisch auf Löss, heisst hier – entsprechend der Weingesetzgebung – scheinbar schlicht «Weinviertel DAC». Der 2023er belegte kürzlich bei einem umfangreiche «Klassik Cup» Platz eins. Auf Urgesteinsböden mit Granit wird Riesling kultiviert, der durch den Untergrund feingliedrig und mineralisch ausfällt. Gute Ergänzungen sind elegante, komplexe Chardonnay sowie Pinot Noir von Top-Rieden in ­Pulkau und Retz. Für diese Sorte, seit 40 Jahren im Sortiment, stehen französische Klone Pate, die für feine Frucht und Eleganz sorgen.

2023 Schrattenthaler Riesling

Ried Innere Bergen

Klasse Jungwein, gewachsen auf steilen Urgesteinshängen, mit alten Selektionen bestockt. Im Aroma noch verhalten, mit zarter Mineralik. Zarter Schmelz, elegante Facetten, ausdrucksstarke Würze, lebhafte, aber moderate Säure.

 

2023 Grüner Veltliner

Weinviertel DAC

Ein jugendliches Vorbild für einen klassischen «Grüner». Ausgeprägte, animierende Würze in der Nase; im Geschmack Fortsetzung; delikates, angenehmes Säurespiel; komplex, stattliche Länge im Abgang, sehr gutes Lagerpotenzial.

 

2019 Pinot Noir

Ein Burgunder in Bestform mit feiner, animierender Cassis im Aroma; kühl anmutende, animierende Frucht, perfekt eingebundene, zarte Tannine, vielschichtig im Geschmack, komplex, feurig, lang im Abgang.