Unique Wineries of the World – Deutschland
Manufaktur Jörg Geiger
Text: Rudi Knoll, Fotos: z.V.g.
Mit Wiesenobst in der Genuss-Spur
Die Sorten, mit denen er arbeitet, heissen nicht Riesling, Spätburgunder und Chardonnay, sondern Champagner- Bratbirne, Weinbirne, Gaishirtle, Hauxapfel, Weinapfel, Wiesenapfel, Boskop. Die Baumriesen brauchen rund 15 Jahre, bis sie in den Ertrag kommen. Sie stehen auf den Wiesen nicht eng beisammen, sondern halten reichlich Abstand, um tief zu wurzeln und Nährstoffe aus dem Boden zu holen. Dabei helfen als Bio-Dünger Mykorrhiza-Pilze, die dazu beitragen, dass für die Menschen wichtige Stoffe in den Früchten eingelagert werden. Anders als beim Wein kann Jörg Geiger aus Schlat im Landkreis Göppingen seine Produkte mit allen möglichen Zutaten wie Johannisbeeren, Kräutern, Kirschen, Stachelbeeren, Wacholder, Schafgarbe und Wein verfeinern, weil sie nicht dem Weinrecht unterliegen, zum grösseren Teil alkoholfrei sind und hier als Erfrischungsgetränke gelten.
«Innovation, Perfektion und Leidenschaft sind unsere Triebkraft für grossartige Produkte.»
Jörg Geiger
Der 51-Jährige ist ein autodidaktischer Spezialist für die Verarbeitung von Wiesenobst. «Ich habe das nicht gelernt oder studiert, sondern einfach vieles gewagt.» Was er macht, ist nicht billig, sondern in hohen Genussregionen angesiedelt, aussergewöhnlich vielseitig und oft Produkt von waghalsig anmutenden Experimenten. «Wenn ich da mittendrin bin, darf mich niemand ansprechen», lacht Geiger, der seinen für Obstanbau bekannten Heimatort bundesweit bekannt machte, weil er in einem langwierigen Rechtsstreit wegen der Verwendung des Sortennamens Champagner-Bratbirne dem Champagne-Komitee die Stirn bot. Die Bezeichnung blieb genehmigt, weil der Beweis erbracht wurde, dass die Birne im Schwäbischen schon im 18. Jahrhundert so genannt und damals bereits Schaumwein aus ihr gemacht wurde.
Begonnen hat alles 1993, als Geiger den Gasthof «Lamm» von seinen Eltern übernahm. Der gelernte Koch und Betriebswirt hatte damals Zugriff auf vier Hektar Obst, das schon der Vater verarbeitet hatte, auch für Brände. 1997 wagte sich der junge Wirt nach dem Vorbild vom Grossvater an einige hundert Flaschen Schaumwein im klassischen Verfahren mit dem Saft aus der Champagner-Birne, erzeugt in einem Teil des Gasthauses, in dem heute reichlich Barrique-Fässer liegen, in denen andere Produkte reifen. Der Versuch klappte, eine Anregung, mit Wiesenobst voll durchzustarten. 2003 gründete er seine Manufaktur als Alleingänger. Inzwischen hat er drei Standorte, 30 Mitarbeiter, und eine grosse, funktionsgerechte Kellerei, die zum Beispiel auch ein Laufband vorweisen kann und in der Äpfel und Birnen nach Reifestadium per Hand sortiert werden.
Die Obstwiesen werden teilweise selbst bewirtschaftet, nach Bio-Kriterien. Ansonsten liefern Vertragsbauern nach genauen Vorgaben. Die Palette ist mit über hundert Produkten extrem umfangreich und beinhaltet neben den Pricklern mit etwas und ohne Alkohol auch Destillate (u. a. à la Gin), Süssweine, Cider und vor allem jede Menge Prisecco-Varianten, bei denen Geiger seine Experimentierlust auslebt. Der Anteil der Getränke ohne «Volt» liegt bei 75 Prozent und ist auch in der Sterne-Gastronomie gefragt.
Besondere Produkte
AP – Apfel im Portweinstil
Früchte von alten Bäumen werden schonend gepresst, der Saft wird durch Kälte konzentriert, dann in der Gärung mit Apfelbrand gestoppt, zwei Jahre im Holzfass gelagert. Ergebnis: feine Schoko-Süsse im Aroma, saftig, feurig, cremig, etwas Vanille, Honig, langer fruchtiger Abgang.
Birnenschaumwein Alkoholfrei
Die berühmte Champagner-Bratbirne steht Pate, den Schaumwein gibt es auch mit Alkohol (8,5 Vol.-%) und zudem mit jugendlich anmutender Abfüllung vom Jahrgang 2003 (!). Hat bei sanftem Druck feine Gerbstoffe und eine zarte Säure (generell wichtige Bestandteile). In der Nase Dörrbirne, Quitte und Brioche; auf der Zunge zarter Gerbstoff, harmonisches Frucht- Säure-Spiel.
Prisecco Inspiration 4.6 Alkoholfrei
Birne, Apfel, Stachelbeere und Paprika sind die Basis, die Paprika dominiert im herben, anregenden Aroma. Im Geschmack betonte Herbe mit feinen Gerbstoffen und angenehmer Säure von der Stachelbeere. Der Zuckergehalt ist niedrig, Alkohol ist nicht vorhanden.