Terroir im Fokus
Weingut Lindenhof, Osterfingen, Schweiz
Text: Nicole Harreisser, Foto: Dane Vetter, www.linsenschuss.de
Früher, bevor sich Jakob Richli ganz dem Weinbau widmete, war der Lindenhof der grösste Bauernhof mit Landwirtschaft und Rebbau in Osterfingen. Heute führen Matthias und Nuria Nigg mit grosser Passion und Erfolg das Weingut.
In Sichtweite der deutschen Grenze und nahe des Rheinfalls befindet sich der zweitgrösste Deutschschweizer Weinkanton Schaffhausen. Die Rebfläche erstreckt sich über rund 480 Hektar, und der grösste Teil, rund 80 Prozent der Fläche, ist dem Pinot Noir, hier Blauburgunder genannt, gewidmet. Zentrum der Region ist Hallau, die grösste Rebbaugemeinde der Deutschschweiz. Nur wenige Kilometer von Hallau entfernt liegt das Weingut Lindenhof im kleinen Örtchen Osterfingen. Früher war der Lindenhof der grösste Bauernhof mit Ackerbau und Viehzucht der Gemeinde, bis sich Jakob Richli vor rund 30 Jahren entschloss, sich fortan ausschliesslich dem Weinbau zu widmen. Schritt für Schritt baute er den Hof zu einem erfolgreichen Weingut auf und konnte die Rebflächen auf über sechs Hektar erweitern. Im Jahr 2010 wurde eine neue, moderne Kellerei gebaut, da die Räumlichkeiten im alten Gebäude zu klein wurden.
Ein neues Kapitel für das Weingut
Da Jakob Richli in der Familie keinen Nachfolger für das Weingut hatte, wurde nach einem externen Nachfolger gesucht. Dass das Weingut einen Nachfolger sucht, kam auch Andrea Davaz zu Ohren, der seinen früheren Mitarbeiter Matthias Nigg kontaktierte. Es war eine einzigartige Möglichkeit für Matthias und seine Frau Nuria, ein eigenes Weingut zu übernehmen. Matthias studierte ursprünglich Biochemie, sah seine Zukunft aber nicht in der wissenschaftlichen Laufbahn. Nach dem Ende des Studiums ging er für drei Monate nach Südafrika, um auf einem Weingut ein Praktikum zu machen. Dieser Aufenthalt öffnete ihm die Augen, er konnte sein Wissen aus dem Studium in einem ganz anderen Umfeld umsetzen – die praktische Anwendung. Gleichzeitig wurde er vom Wein gepackt. Auch in seiner Kindheit hatte er bereits Kontakt zum Weinbau, seine Eltern bewirtschafteten einen kleinen Weinberg im Liechtensteiner Rheintal. Er wollte mehr lernen und sein Wissen vertiefen. Der nächste Stopp war Oregon, Neuseeland, und dann ging es weiter nach Frankreich.
«Anfangs war es für uns nicht einfach, wir mussten erst das Terroir kennenlernen.»
Um seine Passion für Wein auf ein solides Fundament zu stellen, begann Matthias das Studium der Önologie in Montpellier und Bordeaux. Dort traf er auch seine heutige Frau Nuria. Nuria stammt aus dem Priorat. Nach dem Studium gingen sie in Nurias Heimat zurück. Bei Terroir al Limit in Torroja del Priorat konnten sie zusammen ihr Wissen über biodynamischen Rebbau und naturbelassenes Keltern vertiefen. Dort erreichte sie der Anruf von Andrea Davaz mit der Möglichkeit, den Lindenhof in Osterfingen zu übernehmen. Dieses Angebot stiess bei den beiden auf offene Ohren, denn sie wollten immer mit Pinot Noir arbeiten. Allerdings konnten sie den Hof nicht kaufen, die Kosten für Gebäude und Rebflächen überstiegen die finanziellen Möglichkeiten der beiden, aber das Feuer zur Übernahme war entfacht, und so wurde nach einer anderen Möglichkeit der Übernahme gesucht. Und sie wurde gefunden: Der Betrieb wurde in eine Aktiengesellschaft gewandelt. Die frühere Familie ist als Aktionärin weiterhin beteiligt, nimmt aber keinen Einfluss mehr auf die tägliche Arbeit. Matthias ist Geschäftsführer mit allen administrativen Aufgaben und für die Weinbereitung im Keller zuständig. Nuria ist primär in den Reblagen unterwegs, und selbstverständlich arbeiten sie nicht nur zur Ernte Hand in Hand.
Die Übernahme erfolgte im Juni 2018, der Jahrgang 2018 war der erste, den sie im neuen Team vinifiziert haben. Auch wurden die Rebflächen durch weitere 2,5 Hektar in Hallau erweitert. Heute umfasst die Gesamtanbaufläche rund neun Hektar. «Anfangs war es für uns nicht einfach, wir mussten erst das Terroir kennenlernen», meint Matthias. Sein Fokus liegt auf eigenständigen, charaktervollen Weinen, die ihr Terroir abbilden und trocken ausgebaut werden. Die Rebflächen des Lindenhofs liegen im Klettgau, das sich an den östlichen Ausläufern des Juragebirges befindet. Bezeichnend ist das für die Schweiz untypisch milde Klima, denn das Gebiet ist geschützt durch die Vogesen und den Schwarzwald. Auch gibt es keinen Föhneinfluss. Die Niederschläge sind niedrig. Das kühlere Klima mit hohen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht bietet in Verbindung mit der Bodentypologie hervorragende Voraussetzungen für hochwertige Weissweine.
Zwei Bodentypen sind vorherrschend, einerseits vom Jurakalk geprägte Böden um Osterfingen, steile Lagen, durchlässig und mit ihrem hohen pH-Wert besonders für Burgundersorten geeignet. Die Lagen rings um Hallau sind tiefgründiger und schwerer, Schwemmböden mit einem höheren Lehmanteil. Sie speichern mehr Wasser als die vom Kalk geprägten Lagen. «Je nach Jahrgang ist der eine oder andere Boden mehr von Vorteil, abhängig von den Niederschlägen.» Angebaut werden neben den Hauptsorten Pinot Noir und Chardonnay auch Riesling-Sylvaner, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer, Cabernet und Merlot. Daraus werden insgesamt zwölf unterschiedliche Weine und ein Schaumwein, der für 36 Monate auf der Feinhefe liegt, gekeltert. Auf circa 1,5 Hektar Rebflächen werden auch Piwi-Rebsorten kultiviert. «Sie bringen Entlastung bei der Rebarbeit, vor allem bedeuten sie weniger Aufwand beim Pflanzenschutz.» Die Umstellung auf biologischen Anbau wurde 2022 gestartet, der Jahrgang 2024 wird der erste zertifizierte Jahrgang sein. Im Keller wird so wenig Einfluss wie möglich genommen, die Arbeit des Rebbergs wird fortgesetzt. Die Weissweine werden mit Reinzuchthefen bei nicht zu kühlen Temperaturen vergoren, um den Stil, Qualität und Kontinuität zu bewahren. Sie liegen dann bis April, Mai, je nach Jahrgang, auf der Hefe und werden teils im Holz ausgebaut. Die Rotweine werden traditionell ausgebaut, spontan vergoren, mit einem Anteil von 20 Prozent Ganztrauben. Danach kommen sie ins Fass, teils neue, teils gebrauchte Fässer in unterschiedlichen Grössen. Sie bleiben für zwei Winter im Keller, bevor sie auf die Flasche gezogen werden.
Jedes Jahr eine neue Herausforderung
Nach den Erfahrungen aus den ersten fünf Jahrgängen sieht Matthias ganz besonders Chancen für Weisswein. «Wir keltern bereits heute mehr Weiss- als Rotwein. Darin sehe ich auch die Zukunft, wir pflanzen heute fast ausschliesslich weisse Rebsorten nach.»
Weine im Clubpaket
Chardonnay vom Jurakalk
AOC Schaffhausen 2022
2024 bis 2027
Helles Zitronengelb, sehr klar und leuchtend. In der Nase frische, animierende Zitrusnoten, untermalt von feiner Würze. Auch exotische Anklänge. Frisch und strukturiert am Gaumen mit mineralischen, crispen Noten. Langer Nachhall.
Mariage: Zu geschmorten Geflügel-gerichten, Kalbsschnitzel oder Pasta mit Blauschimmelkäsesauce.
Pinot Noir vom Kalkgestein
AOC Schaffhausen 2022
2024 bis 2032
Helles Purpur. Intensiver Duft mit delikaten Kirschnoten, untermalt von floralem Touch. Im Mund mit Kirschfrucht, etwas Kirschkerne, sehr animierend, harmonische Struktur und kerniges Tannin.
Mariage: Zu kräftigen Gerichten, auch Wild; ein feiner Begleiter zu Trockenfleisch.
Pinot Noir vom Keupermergel
AOC Schaffhausen 2022
2024 bis 2032
Helles Purpur. In der Nase intensive rote Beerenfrucht, dazu auch Kirschfrucht mit feinwürzigen Anklängen. Im Mund: verwoben und intensiv am Gaumen, satter Körper, mit Schmelz und eleganten Tanninen.
Mariage: Schmorgerichte, auch Wildgeflügel und feine Käse