Tenuta Santa Maria di Gaetano Bertani, Negrar, Italien
Tradition und Innovation
Text: Christian Eder, Fotos: z.V.g.
Corvina, Corvinone, Rondinella und mehr: Der Blend der roten Rebsorten des Valpolicella ist die Basis einer ganzen Reihe von Weinen, jeder mit eigenem Charakter. Auf der Tenuta Santa Maria der Familie Bertani werden sie traditionell interpretiert, aber mit innovativem Touch.
Im Valpolicella, dem Tal der vielen Keller, hat der Weinbau seit mehr als 2000 Jahren Tradition. Schon zu Römerzeiten wurde hier der Retico produziert, der Ahnherr des heutigen Recioto della Valpolicella, eines süssen Weines aus der Trauben-Cuvée des Valpolicella mit den autochthonen Rebsorten Corvina, Corvinone oder Rondinella. «Jede dieser Trauben gibt dem Wein einen besonderen Aspekt: Corvina und Corvinone sorgen für den Charakter, Rondinella für die frische Aromatik », erzählt Guglielmo Bertani.
Gemeinsam mit seinem Bruder Giovanni Bertani leitet Guglielmo das Weingut Tenuta Santa Maria di Gaetano Bertani in Arbizzano di Negrar in der Classico-Zone des Valpolicella nördlich von Verona. Der namensgebende Gaetano Bertani war der Vater von Guglielmo und Giovanni, ein Pionier moderner Weinbaumethoden und vielfach prämierter kreativer Geist, der bereits vor mehr 30 Jahren im Veneto auf die internationalen Rebsorten Chardonnay und Merlot setzte. Beide verarbeitete er im Gut der Familie in Colognola ai Colli im Osten von Verona im Soave-DOC-Gebiet. Dort begann er, den Decima Laurea, einen reinsortigen Merlot, und den Torre Pievi, einen eleganten, in Holz ausgebauten Chardonnay, zu produzieren. Nicht zu vergessen den Soave DOC Lepiga aus der Rebsorte Garganega.
«Wir kreieren Weine von zeitloser Eleganz, die unser Land widerspiegeln.»
Aber die Familie Bertani ist natürlich auch eng mit dem Valpolicella verbunden: Hier, in den Hügeln von Negrar, begann einst die Geschichte der Familie Bertani und des heutigen Valpolicella. Die Familie Bertani setzte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts auf die klassische Trauben-Cuvée des Valpolicella und produzierte unter anderem den Recioto, einen Wein, der seinen Charakter durch das monatelange Antrocknen der Trauben erhält. Das geschieht im Valpolicella in den Fruttai, den gut durchlüfteten Trockenräumen. Erst danach, im Dezember oder Januar, werden die Trauben abgepresst und vinifiziert. Die Gärung kam einst durch den Zuckergehalt und die niedrigen Temperaturen des Winters zum Stillstand. Der Recioto war daher ein restsüsser Wein für hohe Feiertage, der die typische Kirschfrucht mit Würze und Süsse kombiniert.
Der König der Rebberge des Valpolicella, der noble Amarone, entstand erst später, in den 1930er bis 1950er Jahren, als man begann, den Recioto zu Ende zu vergären, und dadurch einen trockenen, herben (amaro) Wein erhielt. Und das passierte erstmals 1936 in den Kellern der neoklassizistischen Villa Mosconi der Familie Bertani.
Guglielmo und Giovanni Bertani sind in der Villa Mosconi bis heute die Hüter dieser Tradition und keltern auf ihrem Weingut, der Tenuta Santa Maria, in Arbizzano di Negrar die ganze Valpolicella-Palette: vom fruchtig-frischen Valpolicella Classico über den Valpolicella Ripasso bis zum Amarone della Valpolicella Classico Riserva und zum Recioto della Valpolicella Classico.
Die Trauben — Corvina, Corvinone, Rondinella und Oseleta — für diese Weine stammen alle aus dem historischen Weinberg der Familie, dem Brolo dei Poeti der Tenuta Santa Maria, der sich neben dem ausgedehnten Park der Villa über 14 Hektar erstreckt. Durch eine Steinmauer ähnlich einem französischen Clos abgegrenzt gedeihen hier in einer Meereshöhe zwischen 120 und 220 Metern die Trauben in einem einzigartigen Mikroklima, das durch die Biodiversität der Landschaft bei Negrar geprägt ist: Wälder wechseln sich ab mit Kirschgärten und landwirtschaftlichen Flächen.
Anstatt auf der Pergola Veronese, der historischen Schattenbedachung der Pflanzen, werden hier die Trauben am Guyot gezogen: Man kann sagen, traditionell, denn das Guyot war bereits vor hundert Jahren die Reberziehungsmethode im Brolo dei Poeti.
Die Antrocknung der Trauben erfolgt in den gutdurchlüfteten Trockenräumen und die Vinifikation und Reife in den Kellern der Villa Mosconi aus dem 18. Jahrhundert gleich daneben. Wie es die Familie Bertani seit Generationen praktiziert hat. «Das erlaubt uns, die Wege kurz zu halten, die Trauben möglichst schonend zu verarbeiten», erzählt Giovanni Bertani bei einer Runde durch den Keller und den Fruttaio, in dem bereits die ersten Trauben des neuen Jahrgangs angetrocknet werden. Denn nur perfekte Trauben werden für den Amarone und den Recioto Mitte September selektioniert und dann für drei Monate auf den arelle im ersten Stock der historischen Kellereigebäude der Villa angetrocknet. «Die Trauben werden täglich kontrolliert, um die absolute Qualität sicherzustellen », sagt Giovanni Bertani.
Nach dem Abpressen der Trauben und der Vinifikation und Vergärung erfolgt dann der Ausbau in grossen Holzfässern aus slawonischer Eiche. Auch der Valpolicella Classico und der Ripasso machen eine Passage im grossen Holzfass durch.
Das Ergebnis sind elegante, ausgewogene Weine, in denen die klassische Kirschfruchtaromatik mit Würze und einer geschliffenen Evolution am Gaumen harmonisch verwoben ist. «Es sind auch sehr langlebige Weine», sagt Giovanni Bertani, «die sehr gut zur Küche des Valpolicella passen. Vor allem zu Wild, aber auch zu Bollito Misto.»
Die Expertise des Konsulenten Luca Rettondini und des hauseigenen Önologen Stefano Gabrieli hilft dabei, Tradition und Innovation zu vereinen. Guglielmo und Giovanni Bertani treten damit auch in die Fussstapfen ihres Vaters Gaetano, für den Innovation im Rebbau unabdingbar war.
Neben einem Hochlagenprojekt im Valpantena, das unter anderem Möglichkeiten sondiert, mit dem Klimawandel umzugehen, bemühen sich Guglielmo und Giovanni auch um die Erhaltung des reichen Reberbes im Valpolicella: «Historische Rebsorten sind ein wichtiger Teil der Biodiversität», sagt Guglielmo Bertani. Wie die Oseleta, die auf der Tenuta Santa Maria im Blend des Valpolicella verwendet wird.
Auf die traditionelle Machart des Recioto und des Amarone nimmt ein neues Projekt Bezug, bei dem die Vergärung des Mostes – von der Kälte im Winter unterbrochen – durch die höheren Temperaturen wieder in Gang kommt und der verbliebene Zucker schonend und natürlich vergoren wird. Und das Jahr für Jahr, bis der Prozess restlos abgeschlossen ist. «Das könnte in der Zukunft eine weitere Facette des Valpolicella hervorbringen», meint Guglielmo Bertani.
Weine im Clubpaket
Valpolicella Classico Superiore DOC 2022
Die frische Variante des Valpolicella: Die Trauben werden Ende September im Rebberg Brolo dei Poeti gelesen und sind die Basis eines fruchtigen und kompakten Klassikers, der zu vielen Gelegenheiten passt.
Mariage: Hervorragend zu Pasta, Risottos und leichten Fleischgerichten
2025 bis 2029
Valpolicella Ripasso Classico Superiore DOC 2020
Der Ripasso entsteht durch eine zweite Vergärung im Frühjahr auf den Trestern des Amarone. Der Wein verbindet die frische Fruchtaromatik mit den reifen Noten des Appassimento und viel Geschmeidigkeit.
Mariage: Passt zu gebratenem Rindfleisch, Wildgeflügel, aber auch würzigem Käse.
2025 bis 2030
Amarone della Valpolicella Classico Riserva DOCG 2018
Aus einer Selektion der besten Trauben der Lage Brolo dei Poeti, die früher gelesen werden, um dann drei Monate anzutrocknen: kombiniert die Fruchtigkeit der Trauben mit viel Charakter, Würze und dem Schliff eines langen Ausbaus in Holz.
Mariage: Zu Bollito Misto, Wildgerichten oder einem Bistecca.
2027 bis 2035