Yvette Schulers stille Oase
Bergerie de Fenouillet, Occitaine
Text: Barbara Schroeder, Fotos: Rolf Bichsel
1998 hängte der Schweizer Weinfachmann Toni Schuler seine erfolgreiche Karriere als Önologe des bekannten Familienunternehmens an den Nagel und wurde Winzer in Südfrankreich. Heute leitet Tochter Yvette die herrlich gelegene Bergerie de Fenouillet.
Wir mussten sie erst finden bei unserem ersten Besuch vor vielen Jahren, fragten uns nach dem ersten Kilometer auf der Naturstrasse gar, ob wir hier wohl richtig wären, und, als wir die weite Oase erreichten mitten im Busch, was den Toni aus der Zentralschweiz nach 30 Jahren Karriere als Önologe im Familienbetrieb Schuler in Seewen/Schwyz wohl dazu bewogen haben mag, ausgerechnet in dieser gottverlassenen Ecke am Ende der Welt eine ziemlich verwahrloste Weindomäne zu übernehmen. Der stand vor der Kellertür, empfing uns mit breitem Lachen und offenen Armen, glücklich über den Besuch, glücklich über sein neues Leben, und antwortete vergnügt: «Ich wollte einfach ein altes Weingut aus dem Dornröschenschlaf holen! Dabei ist mir so einiges passiert. Probleme mit Behörden, Überschwemmungen, extreme Trockenheit – doch ich bereue nichts.»
«Mein Vater, ein echter Pionier, hat mit Energie und Optimismus seinen Traum verwirklicht.»
Heute, fast 20 Jahre später, ist alles viel einfacher. Fenouillet ist ab dem Dorf Vacquières perfekt ausgeschildert, die Wiesen und Rebberge sind gepflegt, die Gebäude stilvoll renoviert und ausgebaut. Empfangen werden wir – mit ähnlich strahlendem Lachen und offenen Armen – von Tonis Tochter Yvette Schuler, die sich mittlerweile primär um die Aktivitäten in der Schweiz kümmert und hier eine zweite Heimat gefunden hat, auch wenn sie zwischen der Zentralschweiz und Südfrankreich hin- und herpendelt. Ja, auch der Vater schaue regelmässig vorbei, auch wenn er sich mittlerweile im wohlverdienten Ruhestand befinde. Bei Gutsverwalter Michel Wack ist der Betrieb in besten Händen. Die erste Stunde Austausch vergeht wie im Flug, so viel ist auch nach der ersten Pionierarbeit geschehen.
Von der Abtei zur Schäferei
Erste Feststellung: Das Gut hat seit unserem ersten Besuch den Namen geändert. Abbaye de Fenouillet wurde zur Bergerie de Fenouillet. Yvette: «Ja, als mein Vater 1998 die Domäne mit ihren 120 Hektar Buschwald, Wiesen und Reben erwarb, wurde es als ehemalige Abtei gehandelt.» Doch intensive Geschichtsstudien deckten auf, dass es hier nie eine solche gab. Nun ist eine Abtei als Teil der Weinmarke viel prestigeträchtiger als ein Schafstall (Bergerie). Doch Fenouillet war seit seiner Gründung im 12. Jahrhundert genau das – und ist es wieder geworden, denn heute weiden hier wieder Schafe. «Wir hatten das mulmige Gefühl, dem Konsumenten etwas vorzugaukeln, was nicht der Wirklichkeit entsprach und haben 2014 daher den Namen angepasst. Im gleichen Jahr haben wir die ersten Schafe angeschafft, heute sind es 60. Sie sind wie die Bienenvölker, Olivenbäume, Trüffeleichen, Obsthaine und Reben Teil unserer Idee ganzheitlichen Strebens und Denkens.»
Fenouillet liegt rund 20 Kilometer von Montpellier entfernt, im Norden der Appellation Pic Saint-Loup, in einer klimatisch ganz besonderen Zone. Einheimische nennen die Ecke «la petite Sibérie», weil die Temperaturen im Winter schon mal weit unter den Nullpunkt sinken (bis zu –13 Grad) und die Tag-Nacht-Unterschiede bis zu 20 Grad betragen können. Im heissen Süden hat das nicht nur Nachteile und beeinflusst positiv den Reifeprozess der Trauben, die besonders gehaltvoll ausfallen. Die Stoffe, die für die Aromen im fertigen Wein verantwortlich sind, entwickeln sich gemächlich, die Säure bleibt erhalten, die Alkoholwerte bleiben erträglich. Resultat sind Weine mit Fruchtigkeit und Frische, besonderer Spannkraft, Finesse und Eleganz. Sie unterscheiden sich wohltuend von den Muskelpaketen, wie sie der Süden nur zu oft produziert.
Zum Stil der Weine tragen auch die hervorragenden Böden bei, deren unterschiedliche Ausrichtung und vielfältige geologische Struktur aus Tonkalk, Kalk, alluvialem Tonkalk, Kies und Mergel. Fenouillet liegt ferner über einem Grundwassersee, in einer Grundwasserschutzzone. Das Grundwasser dient der Trinkwasserversorgung umliegender Gemeinden. Für den Gewässerschutz sind die Besitzer verantwortlich. Auf Fenouillet wurden (und werden) weder Herbizide noch Insektizide und systemische Spritzmittel verwendet. Unkraut wird mit gezielter mechanischer Bodenbearbeitung vertilgt. Seit 2019 ist Fenouillet in Bio-Konversion. «An unserer Arbeitsweise hat sich kaum etwas geändert. Es geht uns ganz einfach darum, unsere bewährte Methodik offiziell zu machen», sagt Yvette.
Fenouillet ist ein uraltes Gut. 1293 steht die Mansis de Fenolheto im Besitz des Bischofs von Maguelone und ist folglich bereits ein Landwirtschaftsbetrieb, der mit ziemlicher Sicherheit auch schon Wein produziert. Doch bevor Toni und Catherine Schuler Fenouillet 1998 erwerben, wird Umsatz mit Menge erzielt, nicht mit Güte. Als Erstes erneuert Toni Schuler daher die Rebgärten und opfert dabei 20 Hektar Reben. 2002 wird Michel Wack Verwalter und stellt eine Equipe tüchtiger Mitarbeiter zusammen, die bis heute für den eigentlichen Betrieb zuständig ist. Seit 1999 werden jährlich eineinhalb bis zwei Hektar neu bepflanzt, nach einer Ruhephase von vier bis fünf Jahren. Die verbleibenden 30 Hektar, unterteilt in 29 Parzellen, sind mit sechs roten und sechs weissen Sorten bepflanzt, darunter traditionelle Varietäten wie Grenache Noir, Syrah, Mourvèdre, Vermentino oder Grenache Blanc, aber auch Sauvignon Blanc, Chardonnay oder Cabernet Sauvignon. Sie ergeben rund 90 000 Flaschen der Anbauzonen Pic Saint-Loup AOP, Languedoc AOP und Saint-Guilhem le Désert IGP.
Yvette Schuler führt das Werk ihres Vaters weiter. Ihre Schwester Stéphanie unterstützt sie im Verkauf und Vertrieb. Als Tochter eines Weinfachmanns ist Yvette mit Wein gross geworden. Als Lebensmittelingenieurin hat sie Schokolade produziert, doch 2015 war es Zeit für ein neues Abenteuer. Fenouillet ist ein ganz besonderer Ort. Die Uhren ticken hier anders als in der hektischen Heimat. Die Natur ist allgegenwärtig. Genau das fasziniert Yvette. «Mein Vater ist ein echter Pionier, der beharrlich seinen eigenen Weg gegangen ist. Wein ist für ihn ein mit Emotionen verbundenes, spannendes Produkt, das Freude bereiten soll. Ich teile diese Philosophie voll und ganz. Ich verbringe die ganze Erntezeit auf Fenouillet, keltere gemeinsam mit Toni und Michel unsere Trauben und komme auch im Frühjahr einige Wochen auf das Weingut für die Soutirages und Assemblages. Mein Vater ist nach wie vor oft vor Ort und immer noch im Keller tätig. Wir ergänzen uns optimal.»
Weine im Clubpaket
Le Redon 2015 AOP Languedoc
2021 bis 2025
In der Nase verhaltenes, aber elegantes Bouquet mit Räucherspecknoten und dunkler, herber Frucht. Am Gaumen zeigen sich dunkle Beerenfrüchte, auch Preiselbeere und etwas Holzfeuer. Schöne Säure mit langem, elegantem Abgang
Mariage: Kalbfleischgerichte, auch Geflügel, Pastagerichte und raffinierte Weichkäse
Cuvée Baroque Tentation 2011
2021 bis 2024
Dunkle Beerenfrucht, etwas Kräuterwürze. Wirkt sehr edel und kompakt. Im Mund: Am Gaumen eher schlank, auch Leder, Tabak und Gewürze. Samtenes Tannin mit dunkler Frucht. Mit Belüftung überrascht die Cuvée mit seidigen, animierenden Noten.
Mariage: Schmorgerichte wie Boeuf Bourguignon, Wildgerichte, aber auch zu reifem Hartkäse.
Carthagène Fenolheto 2015
2021 bis 2024
Das Bouquet mit delikater Haselnussnote, exotischer Frucht und gerösteter Kastanie. Erinnert an Oloroso Sherry. Auf der Zunge mit präsenter Süsse, etwas getrocknete Ananas mit Vollmilchschokolade, von feinem Säurenerv balanciert.
Mariage: Klassische Fleischgerichte, Pilzragout,gereifter Hartkäse