Domaine Servin, Chablis

Magier der Lagen

Text: Ursula Geiger, Foto: z.V.g.

Das Chablis ist eine der berühmtesten Weissweinregionen der Welt. Der nördliche Zipfel des Burgund mit seinen kalkreichen Böden ist ideal für Chardonnay. Die Traube wächst hier in 47 unterschiedlichen Lagen und zeigt, zu welcher Vielfalt sie fähig ist.

Spektakulär ist die Gegend nicht. Im Frühling setzen blühende Rapsfelder gelbe Akzente. Maisfelder, Kirschbäume und Mischwälder dominieren die Landschaft, auf den Wiesen grasen Kühe und geben Milch für den Époisses, den Lieblingskäse Napoleon Bonapartes, und Chaource, einen milden Weichkäse aus leicht gesalzener Milch. Das Dorf Chablis selbst, das dieser einzigartigen Weinregion ihren Namen gibt, liegt eingebettet in den Rebbergen am Ufer des Flüsschens Serein. Fachwerkhäuser und Bauten aus Kalkstein prägen das Städtchen aus dem Mittelalter und über das Pflaster schaukeln noch der eine oder andere 2CV und R4. Die Tische und Stühle auf der Flusspromenade laden ein, sich den ersten Schluck Petit Chablis zu genehmigen, bevor man weiterzieht und in einem der vielen Restaurants die kulinarische Entdeckungsreise durch eine der spannendsten Weinregionen Frankreichs startet.

«1929, 1947 und 1959 sind grosse Chablis- Jahrgänge. Sie zeugen vom Potenzial dieser Region.»

Gut essen gehört hier zum Alltag und selten bilden Wein und traditionelle Speisen eine derart enge Symbiose wie im Chablis. Der gleichnamige Weisswein, der ausschliesslich aus Chardonnay gekeltert wird, zieht sich wie ein roter Faden durch diese Genusswelt, für deren Entdeckung es sich lohnt, länger als ein Wochenende zu bleiben. Wer sich vor Ort einmal durch die Weine getrunken und die Spezialitäten gegessen hat, kommt immer wieder. Man bestellt Jambon à la Chablisienne und trinkt zu dem in einem Sud aus Chablis und Gewürzen gekochten Schinken einen Petit Chablis AOC mit straffer Säure und feiner Mineralität. Beschlossen wird das Mahl mit einem cremigen Époisses-Käse, der auf dem Teller zerfliesst, und einer Flasche reifen Grand Cru Les Preuses der Domaine Servin. Die Domaine Servin liegt etwas ausserhalb des mittelalterlichen Stadtkerns am rechten Ufer der Serein an der Avenue d’Oberwesel. Die so ganz und gar nicht französische Adresse stammt aus der partnerstadtlichen Beziehung, die seit 1961 das mittelrheinische Städtchen Oberwesel mit Chablis verbindet und für einen regen lehrreichen Austausch zwischen Riesling und Chardonnay sorgt.

Ein Urgestein der Region

François Servin leitet in der siebten Generation die Geschicke der Domaine. Die Familie ist seit 1547 mit dem Weingeschehen im Chablis verbunden. Als Winzer, als Fassküfer und als Weinbergsbesitzer. So gesehen ist François Servin ein Urgestein der Region und natürlich ein wandelndes Lexikon, das auf jede Frage die passende Antwort hat. Aktuell zählt die Weinregion Chablis 5641 Hektar. Gemessen an französischen Verhältnissen ist das nahezu winzig. Vier Appellationen werden im Chablis unterschieden: Petit Chablis, Chablis, Chablis Premiers Crus mit 40 Lagenbezeichnungen und die sieben Spitzenlagen für Chablis Grand Cru. Blanchot, Les Preuses, Bougros und Les Clos heissen die vier Grand-Cru-Lagen, in denen die Familie Servin Rebberge besitzt.

Wein geographisch wird das Chablis dem Burgund zugeordnet, doch wer in das Gebiet eintaucht, merkt schnell, dass Chablis ein Kosmos für sich ist. Die Rebberge liegen am Rande des Pariser Beckens. Das im Tertiär entstandene Sedimentbecken erstreckt sich bis in den Südosten Englands und verantwortet den einzigartigen Untergrund, der ideale Bedingungen für die Chardonnay-Traube schaffte. Unterschieden werden zwei Bodenformationen: Die Böden des Kimmeridgiums haben 150 Millionen Jahre auf dem Buckel und sind benannt nach dem Dörfchen Kimmeridge an der Südostküste Englands. Diese massiven Böden aus Kalkstein, Ton und Mergel sind durchsetzt mit ganzen Bändern fossiler Überreste der kleinen, kommaförmigen Austern-Art Exogyra Virgula. Darüber lagern teils die jüngeren Böden des Portlandiums, die vor 130 Millionen Jahren entstanden sind. Hier ist der Kalkstein nicht mit Fossilien angereichert. In den besten Lagen hat die Erosion den Kimmeridge-Kalk freigelegt. Auf den Portland-Böden wächst meistens Chardonnay für die zugänglicheren, fruchtbetonteren Weine der Appellation Petit Chablis. Die Geschichte dieses nördlichen Zipfels des Burgund ist wechselhaft und von Höhen und Tiefen geprägt. Einen Kahlschlag veranlasste der römische Kaiser Domitian, dem die Region zu kalt für den Rebbau erschien, im ersten Jahrhundert nach Christus. 200 Jahre später liess Kaiser Probus wieder Reben anpflanzen. Im frühen Mittelalter flohen die Benediktinermönche von Tours vor den Wikingern in die Abgeschiedenheit der Region und förderten die Weinproduktion. Und im 13. Jahrhundert sorgten die Zisterzienser für ein florierendes Wein-Business. 1527 tummelten sich im Chablis 700 Weinbergsbesitzer auf 690 Hektar. Zwei Jahre später wurde der Fluss Serein für die Schifffahrt ausgebaut und Chablis eroberte den Pariser Markt. Die Reblauskrise und eine Verkehrspolitik, die das Chablis buchstäblich vom Rest der Welt abhängte, machten der Region zu schaffen. Besonders hart waren die Spätfrostjahre in den 1950ern. Viele Winzer gaben ihre Rebberge auf. Im Winter 1956 konnte man auf der verschneiten Flanke der Grand- Cru-Lage «Les Clos» zwischen den wenigen verbliebenen Rebstöcken Slalom fahren. Wer nicht aufgab, war die Familie Servin. Ihre Kellerschätze aus den Jahren 1929, 1947 und 1959 berührten François, der das Degustieren bei seinem Grossvater lernte und die feinen Unterschiede der Lagen schnell verinnerlichte. Ständig entwickelt er die Domäne weiter, immer darauf bedacht, den typischen Chablis-Stil keinesfalls neuen Modeströmungen zu unterwerfen. In den 1980ern, als man sich auf den Ausbau im Holz zurückbesann, experimentierte François mit neuen Fässern. Er fand heraus, welche Lagen wie viel Holz vertrugen und welche Crus besser komplett in Edelstahl ausgebaut werden. Heute ist der Servin-Stil ein ausgeklügelter Mix aus Tradition und Moderne. Die besten Lagen werden von Hand gelesen und jeden Herbst investiert François Zeit und Wissen in einen Hefeansatz, mit dem er alle Moste beimpft. Seine Weine durchlaufen die malolaktische Gärung und dürfen lange reifen, bevor gefüllt wird. Denn für ihn ist klar: Ein exzellenter Chablis zeigt in der Jugend bereits viel Charakter, aber seine ganze Grösse offenbart sich erst mit der Reife. Dann schillert er gelbgrün im Glas und duftet nach gerösteten Haselnüssen und Feuerstein.

Weine im Clubpaket

Chablis Grand Cru AOC Blanchot 2017

2020 bis 2040

Strohgelbe Farbe. Duftet nach Limonen, etwas Ginster, Wiesenkräutern und einem Hauch von reifen, gelben Früchten. Zeigt eine kreidige Struktur, hervorragende Länge, endet auf einen Hauch von Bergamotte.

Mariage: bietet viel Spannung zu frischen Austern, passt zu Fisch oder einem zarten, pochierten Kalbsfilet.

 

Chalbis Grand Cru AOC Les Preuses 2018

2020 bis 2032

Der Jahrgang 2018 zählt zu einem der besten in dieser Dekade. Komplexes Bouquet, das noch nicht alle Raffinessen zeigt. Am Gaumen herrlicher Schmelz und fabelhafte Länge.

Mariage: Pasta mit rahmiger Sauce unterstreicht den herrlichen Schmelz. Experimentierfreudige kombinieren ihn mit verschiedenen Weichkäsen.

 

Chablis Premier Cru AOC Vaucoupin 2018

2020 bis 2028

Helles Goldgelb. Intensives, fast würziges Bouquet, etwas Hopfen und weisse Blüten. Lebendige Säure am Gaumen, sehr geradlinig, zeigt feine salzige Noten im Finish.

Mariage: zu Schinken und Wurst mit Sauerteigbrot, zu Schnecken an Kräuterbutter oder zu Kalbskotelett, überbacken mit Époisses-Käse.