Château Lagrézette, Frankreich
Das Märchen von Cahors
Text: Ursula Geiger, Fotos: z.V.g
Alain-Dominique Perrin war Direktor eines Unternehmens für Luxusgüter. Sein Geschmack ist exquisit und er spürt das Schöne auf, das im Verborgenen schlummert: wie Château Lagrézette, das er aus dem Dornröschenschlaf wach küsste und so auch die Weinregion Cahors neu belebte.
Das Cahors ist eine stille Landschaft mit malerischen Städtchen, die sich an den Ufern des Flusses Lot ins satte Grün des französischen Südwestens schmiegen. Früher war der Fluss, der von den Cevennen Richtung Westen fliesst und in die Garonne mündet, die Lebensader der Region. Stauwehre lieferten Wasserkraft für Mühlräder, daneben wurden Schleusen errichtet, um den Fluss schiffbar zu machen. Eisen und Kohle wurden auf dem Lot Richtung Atlantik transportiert, ebenso der «schwarze Wein» von Cahors, der im Mittelalter selbst in England weitaus berühmter war als die Gewächse von Bordeaux.
Heute profitieren Hausboot-Urlauber vom Ausbau des Flusses zur Wasserstrasse und geniessen neben der Landschaft «la grande bouffe» – all die kulinarischen Köstlichkeiten, die das Schlaraffenland im Südwesten Frankreichs zu bieten hat: Schwarze Trüffel, die Ziegenkäse Rocamadour und Picadou, Entenleber und Cassoulet. Man breitet die Picknick-Decke unter den Weiden am Ufer des Lot aus, isst Baguette, Rocamadour-Käse, Confit de Canard und Quercy-Melonen, trinkt dazu Malbec und fühlt sich in dieser bacchantischen Unbeschwertheit den Figuren auf Édouard Manets Gemälde «Das Frühstück im Grünen» verbunden. Inmitten dieser Traumlandschaft für Gourmets und Langsamreisende liegt Château Lagrézette. Liebe auf den ersten Blick sei es gewesen, schwärmt der Ästhet Perrin über seine erste Begegnung mit Château Lagrézette, dessen Geschichte den Werdegang der Weine von Cahors widerspiegelt, mit all seinen Höhen und Tiefen, und das Perrin mit einer Detailversessenheit renovierte, die zutiefst beeindruckt.
Wein mit Geschichte
Doch der Reihe nach: Benannt ist das 30 Kilometer breite und 60 Kilometer lange Weinbaugebiet nach der Stadt Cahors, die auf einer Halbinsel gebaut fast eins mit dem Fluss zu werden scheint. Die Reben wachsen auf drei geologischen Terrassen, die der Fluss über 15 Millionen Jahre aus einem Kalksteinplateau grub und mit dem Geschiebe aus dem Zentralmassiv anreicherte. Die Terrassen in Flussnähe werden in drei Bereiche unterteilt: Auf lehmigem Sand stehen die Reben, auf den jungen Schwemmböden des Lot. Nur fünf Meter höher sind die lehmigen Kalksteinböden mit Kieseln durchsetzt, die vom früheren Verlauf des Flusses zeugen. Der höhere Lehmanteil verleiht den Böden mehr Tiefe und Schmelz. Auf der dritten Terrasse, an dem Übergang in die steilen Hänge der Coteau, dominieren die steinigen Kalkböden, die Weine von dort geraten geradliniger.
«Heute steht Château Lagrézette stolz und herrlich inmitten der Reben, deren Trauben unsere Weine adeln.»
Der wahre Terroir-Schatz ist aber auf der Causse zu finden, einem Plateau, 250 Meter über Meer gelegen. Hier sind die Böden karg und weniger fruchtbar, dafür aber extrem vielfältig. Mergelformationen sind hier mit Kalksteinflecken durchsetzt oder mit rotem und gelbem Lehm. Zudem bestimmt auf dem Plateau nicht mehr der Fluss das Mikroklima. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind ausgeprägter, die Trauben reifen langsamer und später. Darum sind die Weine feingliedriger und mit mehr aromatischer Finesse versehen. Hier also ist die Wiege für eine der besten roten Traubensorten: Côt oder besser bekannt als Malbec, der im Mittelalter den Grundstoff für den renommierten «Schwarzen Wein aus Cahors» lieferte, bei den Jakobsweg-Pilgern für neue Kraft sorgte und bereits im 13. Jahrhundert nach England exportiert wurde. Im 18. Jahrhundert wurde Cahors als Messwein an die russisch-orthodoxe Kirche, derweil sich auch – ganz weltlich – die Entourage um Zar Peter den Grossen mit dem dunklen Wein die Kante gab. Im 19. Jahrhundert übertrieb man es ein wenig: Der Most wurde eingekocht, um einen noch dunkleren und süsseren Wein zu erzeugen. Die Reblauskrise setzte der Pracht ein Ende. Das gefrässige Insekt wütete im Südwesten wie ein Berserker. Rasch wurde teils mit Hybriden aus den französischen Zuchtstätten wieder angepflanzt, deren Weine dem legendären Ruf des einstigen Blockbusters nicht gerecht wurden. 1956 beendete ein starker Winterfrost auch dieses Kapitel und erwies sich als Chance für die ganze Region, denn neu bestockt wurde mit 70 Prozent Malbec. Die restliche Fläche entfiel auf Tannat und Merlot. 1971 wurden die damals 440 Hektar Rebfläche von Cahors als AOC anerkannt. Das war die Ausgangslage in der Region, als Alain-Dominique Perrin 1980 das am Verfallen begriffene Schloss entdeckte. Er kaufte das Grundstück, renovierte das im 15. Jahrhundert erbaute Schloss und die Gärten. Die 2,7 Hektar grosse historische Pigeonnier-Parzelle mit Blick über das Tal des Lot wurde wieder bepflanzt und liefert seit 1997 das Material für den Cru «Le Pigeonnier», dem Flaggschiff-Wein von Lagrézette. Heute stehen auf der 90 Hektar grossen Domaine 83 Prozent Malbec-Reben, 16 Prozent Merlot und ein Prozent Tannat. 2001 ging Perrin einen Schritt weiter und kaufte im 50 Kilometer entfernten Rocamadour zehn Hektar Reben und zettelte eine Revolution an: Das Terroir, auf dem die Römer vor 2000 Jahren die ersten Reben der Region gepflanzt haben sollen, bestockte er mit Viognier und Chardonnay sowie etwas Syrah. 2006 kam die Domaine de Landiech dazu, die Perrin in «Terroir de Massaut» umbenannte, zu Ehren von Marguerite de Massaut, die im Jahr 1503 die ersten Malbec-Stöcke auf Château Lagrézette pflanzen liess. Auch diese Fläche wurde nach einer zweijährigen Brache mit Malbec neu bepflanzt. Wobei Klone und Unterlagsreben auf vier verschiedenen Terroirs abgestimmt wurden: kieshaltige Böden, Böden mit rotem Lehm, Lehm mit Kieseln und Lehm durchsetzt mit Schwemmmaterial. Die ersten Massaut-Weine kamen 2011 auf den Markt.
1992 wurden die neuen Keller auf drei Ebenen gebaut. Um eine schonende Verarbeitung der handgelesenen Trauben zu garantieren, ist die Gravitation bei der Weinbereitung erstes Gebot. Die Weine reifen in Barriques verschiedener Provenienzen und mit Hilfe unterschiedlicher Toasting-Grade. Es ist die Liebe zur Perfektion, die die Welt von Alain-Dominique Perrin perfekt macht. Seien es Uhren, Schmuck, Lederwaren, Düfte aus Flacons oder das betörende Aroma und die Eleganz grosser Weine aus dem Cahors.
Weine im Clubpaket
Cahors AOC Château Lagrézette 2015
2020 bis 2028
Kräftiges Purpur. Dunkelbeerige Frucht, reife Brombeeren, Beeren-Confit, Gewürznelken und salzige Lakritze. Ungemein dicht gewoben am Gaumen, feinstes, samtiges Tannin. Die herrliche Länge wird mit Noten von frischen Kräutern im Finisch begleitet.
Mariage: zu Confit de Canard, Wildgeflügel, zart geschmortem Rind- und Kalbfleisch oder zu kräftigem Schweinekotelett vom Grill.
Cahors AOC Chevalier du Château Lagrézette 2017
2019 bis 2024
Mit 13,5 Vol.-Prozent der leichteste der Lagrézette-Weine. Die Trauben wachsen direkt beim Schloss. Dunkles Rubin. Noten von reifen Zwetschgen, dunklen Kirschen und mit einem Hauch von Bergamotte. Geschmeidiges, reifes Tannin am Gaumen, lang und elegant.
Mariage: zu reifem Käse, idealer Pasta-Begleiter (Cinque Pi oder Puttanesca), zu zart gebratener Entenbrust.
Cahors AOC Cuvée Marguerite 2016
2020 bis 2030
Malbec von einer Parzelle des Massaut-Terroirs. Glänzendes Purpur. Reife Waldbeeren, Veilchen und Orangenzeste. Seidige Textur am Gaumen, frischer Säurenerv, herrliche Eleganz trotz der grossen Dichte und 15 Vol.- Prozent Alkohol.
Mariage: zu Gemüseauflauf, Steak, Tatar oder zu Geflügel-Cassoulet.