Kellerei Girlan, Südtirol
Zwischen Tradition und Moderne
Text: Christian Eder
Die Südtiroler Kellerei Girlan war einst vor allem für ihre Vernatsch-Weine bekannt: Heute ist sie gleichermassen stark bei Weiss- wie bei Rotweinen, ihr Pinot Noir zählt gar zu den besten des Landes. Aber den Vernatsch pflegt sie immer noch – und er ist besser denn je.
Einst war die Vernatschtraube die Herrscherin der Rebberge Südtirols: Mehr als die Hälfte der Lagen der Region war mit dieser Sorte bestockt, Kalterer See und Co. verkauften sich in Südtirol und auf den deutschsprachigen Märkten als Schoppenweine hervorragend. Das ist lange vorbei: Elegante Weissweine und kraftvolle Rote aus Südtirol haben dem hellroten Vernatsch arg zugesetzt – aktuell sind nur noch 840 der insgesamt 5300 Hektar der Südtiroler Rebfläche mit der autochthonen Sorte bestockt. Das sei aber immer noch mehr als genug, meinen nicht wenige Winzer. Gerhard Kofler ist einer von ihnen. Auch er hat den Vernatschanteil in den 215 Hektar Weinbergen der Kellereigenossenschaft Girlan stark vermindert: Mehr als die Hälfte der Lagen sind inzwischen mit weissen Sorten bestockt. Dabei galt Girlan lange Zeit als die Vernatsch-Bastion in Südtirol. Seit Kofler 2005 die Leitung in den Kellern der traditionsreichen Genossenschaft in Überetsch übernommen hat, hat sich vieles geändert. Die Kellereigebäude wurden modernisiert und eine weithin sichtbare Steinfassade demonstriert die Vielfalt der 215 Hektar Böden, die von den 200 Mitgliedern in zwölf Südtiroler Gemeinden von Überetsch bis ins Eisacktal bewirtschaftet werden. Ganz neu erhebt sich auch ein luftiger Verwaltungs- und Verkostungsbereich am Eingang der Kellerei. Die grössten Veränderungen gab es aber im Keller: Seit 2010 werden Trauben, Most und Wein nun möglichst schonend nach den Gesetzen der Schwerkraft verarbeitet und in den Kellergängen mit den traditionellen grossen Holzfässer stehen nun auch Barriques und 1200-Liter-Fässer. Aber noch immer wird in Girlan gebaut: Gerade werden neue Stahltanks installiert, um auch kleinere Partien interessanter Lagen einzeln vinifizieren zu können.
Klassiker aus Einzellagen
Bei den Weissweinen zeigt Girlan bereits mit Weissburgunder und Sauvignon, welche hervorragenden Positionen es sein Eigen nennt. Aber Girlan setzt auch konsequent auf Blauburgunder, eine andere Varietät, die schon sehr lange in Südtirol heimisch ist. Ein Klassiker der Kellerei ist die elegante Riserva vom Trattmannhof in Südtirols Blauburgunder-Hochburg Mazon. Önologe Gerhard Kofler und Kellerei-Direktor Oscar Lorandi setzten dem noch einen drauf: Als neue Spitze des Sortiments wurde vor zwei Jahren der Vigna Ganger 2012 vorgestellt, ein reinsortiger Pinot Noir, der aus einer kleinen Einzellage am Trattmannhof stammt. «Seit 2008 waren wir auf der Suche nach einer Einzellage, in der sich die Sorte bestmöglich entfalten kann, die aber auch die Eigenheiten des Terroirs widerspiegelt: die Geologie der Böden, das Mikroklima und ihre Geschichte», erklärt Gerhard Kofler. Am Trattmannhof wurde er fündig: Der Vigna Ganger erscheint nun in den besten Jahrgängen in einer Miniauflage von etwas mehr als 2000 Flaschen. Das ambitionierte Ziel: einen Wein zu kreieren, der mit den besten Pinots weltweit mithalten kann.
Was Vigna Ganger bei Girlan für Blauburgunder darstellt, symbolisiert die Einzellage Gschleier für Vernatsch. Diese fünf Hektar grosse Grand-Cru-Lage für Vernatsch liegt im Nordwesten von Girlan auf einem 430 Meter hoch gelegenen Moränenhügel mit Kalk-, Schotter- und Lehmböden. «Das ist eine der wenigen Lagen in Girlan, die nach Süden ausgerichtet ist», sagt Kofler, «was sehr stark zum Charakter des Weines beiträgt.» Die Lage wurde übrigens schon von den Römern geschätzt: Vor 2000 Jahren war hier eine ihrer Garnisonen stationiert, Überreste davon wurden 1950 entdeckt.
«Vernatsch ist Teil unserer Geschichte und hat seine Berechtigung. Man muss die Rebe nur dort anpflanzen, wo sie auch gute Ergebnisse bringt.» Gerhard Kofler Önologe
80 bis 100 Jahre haben die Reben auf dem Buckel, die darum noch auf dem klassischen Südtiroler Pergel gezogen werden. Bereits 1975 begann der legendäre Girlaner Kellermeister Hartmuth Spitaler mit diesen Reben den Gschleier zu keltern. Das Etikett dazu kreierte der Tiroler Künstler Paul Flora. Er karikierte drei trinkfreudige Kellermeister rund um ein grosses Weinfass – einer davon war Spitaler.
Der Kellermeister war damals seiner Zeit voraus: Kaum jemand produzierte aus Vernatsch einen Einzellagenwein – zumal aus einer Traube, die den Ruf hatte, zwar solide, aber doch recht einfache Weine hervorzubringen, die mit ihrer hellen Farbe eher an einen Rosé erinnerte – und das in Zeiten, als dichte, üppige Rotweine Mode waren,
Aber der Gschleier überdauerte die Jahrzehnte und war stets ein Symbol für die unterschätzte Qualität der Vernatsch. Grund genug für Girlan, im Jahre 2017 40 Jahre Gschleier zu feiern. Für die Jubiläumsausgabe – den Jahrgang 2015 – wurde das Etikett mit der Flora-Zeichnung aus dem Jahre 1975 wieder auf den Markt gebracht.
Wer allerdings einen süffig-leichten Vernatsch erwartet, liegt falsch. «Der Gschleier ist – gerade in einem warmen Jahrgang wie 2015 – komplex, tiefgründig und doch von überraschender Eleganz. Vieles erinnert an einen Blauburgunder», sagt Kellermeister Kofler.
Den Beweis lieferte Girlan mit einer Vertikalen zum 40-Jahr-Jubiläum: Highlights zum Teil noch aus der Zeit von Hartmuth Spitaler, zum Teil unter Koflers Ägide entstanden. Gerade die alten Jahrgänge bezeugten das Potenzial: Der 1983er zeigte sich in glänzender Form, ebenso der opulente 1990er. In den Schatten gestellt wurden beide vom grossartigen 1976er. Mit seiner komplexen Nase, seiner kraftvollen Textur und doch auch Finesse muss er sich selbst vor Franzosen nicht verstecken: Den Vergleich mit einem 1976er Chambertin Grand Cru der Domaine Damoy Chapelle oder einem Figeac des gleichen Jahrgangs braucht der Gschleier nicht zu scheuen.
Girlan-Önologe Gerhard Kofler bringt es auf den Punkt: «Die Vernatschtraube ist Teil unserer Geschichte und hat ihre Berechtigung. Man muss sie nur dort anpflanzen, wo sie auch gute Ergebnisse bringt.» Wie gut er mit Vernatsch umgehen kann, beweist Kellermeister Kofler mit seinen Gschleier-Jahrgängen 2009, 2012 und vor allem mit dem jüngsten Spross: Gerade der elegante und doch kraftvolle Gschleier 2015 verspricht einiges. Es wäre nicht verwunderlich, entdeckte man ihn Gschleier in einigen Jahren in einer Blindverkostung unerkannt zwischen eleganten Franzosen.
Die Weine im Clubpaket
Flora Sauvignon Südtirol DOC 2015
Die Trauben kommen aus den Anbaugebieten von Girlan, Montiggl und Eppan Berg in 500 Metern Meereshöhe. Die Bodenvielfalt – Ton, Kalk und Kies – verleihen dem Wein einen einzigartigen Charakter: Komplex in der Nase, Frische, Saftigkeit und Körper sind perfekt ausbalanciert, lang und geschmeidig.
Rebsorten
100% Sauvignon Blanc
Trinkreife
2018 bis 2022
Mariage
Zu Fischgerichten, Meeresfrüchten, Spargel und weissem Fleisch.
Gschleier Vernatsch Alte Reben Südtirol DOC 2015
Finessenreiche und doch gehaltvolle Interpretation der Einzellage Gschleier: Die 80- bis 100-jährigen Reben bringen nur einen geringen Ertrag, die Trauben werden Anfang Oktober gelesen. Die Maische wird traditionell für 15 Tage im Stahltank vergoren, anschliessend reift der Jungwein zehn Monate lang im grossen Holzfass.
Rebsorten
100% Vernatsch
Trinkreife
2018 bis 2025
Mariage
Harmoniert zu gebratenem Rindfleisch, Wildgeflügel, würzigem Käse.
Trattmann Mazon Pinot Noir Riserva Südtirol DOC 2014
Elegant-kompakter Blauburgunder, grossteils aus Reblagen in Mazon am Osthang des Etschtales von lehm-haltigen Tonböden mit Kalkschotter auf Kalkgestein. Der Wein reift zwölf Monate im kleinen und im 1200-Liter-Fass, anschliessend wird er während acht Monaten ins 7000-Liter-Holzfass gelegt.
Rebsorte
100% Pinot Noir
Trinkreife
2019 bis 2025
Mariage
Passt hervorragend zu Rinderbraten, Wild und Wildgeflügel.