Weingut Kir-Yianni, Nordgriechenland
«Herr Yiannis» weckte Potenzial
Text: Rudolf Knoll
Es war eine Zäsur, die 1995 Aufsehen in Griechenland erregte. Miteigentümer Yiannis Boutaris verliess das Familienunternehmen Boutari und machte sich mit dem Weingut Kir-Yianni in der Region Makedonien selbstständig. Heute gehört dieser Betrieb unter Regie von Stelios Boutaris zu den besten Erzeugern in Hellas.
Ein Schwarzweissbild an der Bürowand zeigt viel Rebfläche und mittendrin ein putziges kleines Häuschen. So startete 1995 ein Weingut fast aus dem Nichts, das heute zu den besten in Griechenland gehört und bei dem in den letzten Monaten Baumaschinen lärmten und Handwerker ins Schwitzen kamen. Es sind ganz andere Dimensionen als vor 21 Jahren. In einem neuen Kellertrakt wurde unter anderem Platz für weit über tausend Barriques geschaffen. Eine Vinothek lässt eine bessere Kundenbetreuung zu. Beengte Lagermöglichkeiten sind Vergangenheit. Letztlich unangetastet blieben nur einige Büros, darunter ein Raum, in dem der Namensgeber des Betriebes noch alle zwei Wochen auftaucht.
Ansonsten geht Yiannis Boutaris (74) seit Januar 2011 seinen Amtsgeschäften als Bürgermeister von Thessaloniki nach. Er hat dabei dem wirtschaftlichen Zentrum der Region Makedonien im griechischen Norden neues Leben eingehaucht. Seine hier eingesetzten unternehmerischen Tugenden waren auch wichtig für die Gründung des Weingutes Kir-Yianni in der Region Naoussa unweit der gleichnamigen 32000-Einwohner-Stadt. Übersetzt werden kann das mit einem respektvollen «Herr Yiannis», Familienname Boutaris. So wiederum heisst auch eine bereits 1879 gegründete Weinkellerei (wobei im Griechischen bei Firmen das «s» am Ende weggelassen wird). Ioannis Boutaris kreierte damals mit dem Naoussa Boutari eine später populäre Marke. 1906 wurde das erste Weingut mit eigener Rebfläche (für Griechenland damals ein Novum) eingeweiht. Als 1968 die Brüder Yiannis und Constantine Boutaris die Regie übernahmen, avancierte der Betrieb bald zum qualitativen Vorzeigeweingut des Landes. Man erweckte die nahezu brachliegende Region Naoussa zu neuem Weinleben. Dass die Qualität stimmte, lag wohl auch daran, dass Yiannis, der in Bordeaux Önologie studiert hatte, internationale Erfahrungen einbringen konnte und an das Potenzial Wein-Griechenlands und seiner eigenständigen Sorten wie Xinomavro und Assirtiko glaubte.
Dann kam es 1995 zu einer überraschenden Zäsur. Weil die damals in verschiedenen Regionen Griechenland stätige Kellerei Boutari sich in anderen Geschäftsfeldern (Bier, Spirituosen, Auslandswein) betätigte und Investoren mitzureden begannen, löste der Weinmacher Yiannis seinen Besitz aus dem Unternehmen und übernahm damit zwei provisorische Anwesen im Norden Griechenlands mit insgesamt 50 Hektar Reben. Seinen ersten Jahrgang musste er noch in der Boutari-Kellerei in Naoussa ausbauen. Aber dann konnte er durchstarten.
Xinomavro in China
Anfangs war der jüngere Sohn Mihalis (Jahrgang 1975) noch mit im Boot. Aber der ist heute im internationalen Weingeschäft tätig und baute vor einigen Jahren auf zehn Hektar die autochthone griechische Sorte Xinomavro in China an. «Wir durften noch nicht verkosten», lacht der ältere Bruder Stelios (Jahrgang 1966), der damals vom Vater sorgsam an die Übernahme des Weingutes herangeführt wurde. Er war, als der Senior umstieg, in der Kellerei lediglich ein leitender Angestellter und wurde mit dem Argument gelockt, er könne in Naoussa und im Zweitbetrieb in Amyndeon der alleinige Chef sein.
«Mein Vater hat mich sorgsam auf die Leitung des Weingutes vorbereitet und gibt immer noch gute Tipps.»
Stelios Boutaris Weingutschef
Heute dankt er dem Senior im Rückblick, dass sich dieser nach der Übergabe deutlich zurücknahm. «Zusammen hätte das vermutlich nicht recht funktioniert», schmunzelt Stelios. Auf den Rat des Vaters musste er nie verzichten. Zudem hatte er, der Weinbau und das dazugehörige Marketing nur in der Theorie auf internationalen Schulen lernte, in Sachen Önologie die richtigen Leute an seiner Seite. Kellermeister Damos Damianidis wechselte 1995 zusammen mit dem Senior die Seiten und blieb der Familie treu. Die erfahrene Dr. Harula Spinthiropoulo ist als promovierte Landwirtschaftsexpertin für die Weingärten zuständig, kümmert sich um die Klonselektion der wichtigen Sorte Xinomavro und berät ausserdem die Weinbauern, die in der Region Amyndeon Trauben für Kir-Yianni erzeugen. Ganz nebenbei macht sie von ihrer eigenen kleinen Rebfläche mit dem Argatia noch einen richtig guten Xinomavro.
Viel Rebfläche, kleine Erntemengen
Der Betrieb hat mittlerweile eine stattliche Grössenordnung mit 50 Hektar in Naoussa und 20 Hektar in Amyndeon (hier weitere 50 Hektar Zukauf) erreicht. Gearbeitet wird trotzdem sehr individuell. Die Erntemenge wird klein gehalten. Die Trauben werden vor der Verarbeitung gründlich auf Sortiertischen geprüft. Es gibt eine klare Trennung nach Farbe. Naoussa ist die Rotwein-Herkunft. Hier wachsen neben der säurebetonten, im Aroma sehr individuellen Sorte Xinomavro vor allem noch Syrah, Merlot und in kleinerem Umfang Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Aus Amyndeon kommen die Weissweine und Rosé. Bislang waren das meist Cuvées mit Bestandteilen von Chardonnay, Moscato, Roditis, Malagousia, Sauvignon Blanc und Gewürztraminer. Beim Rosé und beim Sekt (teilweise klassische Methode, teilweise Méthode Charmat) ist hell oder weiss gekelterter Xinomavro im Spiel. Die Zielsetzung von Stelios, neben den begehrten Rotweinen Ramnista, Dyo Elies, Ktima Kir-Yianni erstklassige Weissweine zu erzeugen, ist mit cremigem Chardonnay, diskretem, tiefgründigem Sauvignon Blanc und komplexem Assirtiko erreicht.
Trotzdem bleibt der griechische Tausendsassa rastlos. Am Flughafen Athen betreibt Stelios inzwischen eine Wine-Bar. In Amyndeon stehen repräsentative Verkostungsräume auf dem Plan. Ausserdem hat sich Stelios Boutaris beim namhaften Weingut Sigalas auf Santorini eingekauft. «Wir Griechen haben zwar eine lange Geschichte, aber nur eine kurze Weintradition», erklärt er seine Aktivitäten. «Den meisten Nachholbedarf haben wir beim Preis. Unsere teuersten Weine sind viel zu günstig.» Womit er zweifellos recht hat!
Weine des Winzers
Ktima Kir-Yianni 2013
50% Xinomavro, 30% Merlot, 20% Syrah | 2016 bis 2025
Ein Regionalwein nach griechischem Weinrecht (PGI Imathia), mit Trauben aus dem Gebiet Naoussa. Lag 14 Monate in kleinen Fässern. Feiner Duft nach Waldbeeren; im Geschmack sehr ausgewogen, elegant, saftig, ausdauernd im Abgang. Das kräftige Alkoholrückgrat (15 Vol.-%) ist gut verpackt.
Mariage: Moussaka, Pastizio, griechische Bohnensuppe (Fasolada), Bifteki (Hackfleisch-Steak), Kalbsgeschnetzeltes in Tomatensauce (Kokkinisto)
Dyo Elies 2013 PGI Imathia Naoussa
60% Syrah, 30% Merlot, 10% Xinomavro | 2017 bis 2025
Der Name steht für «zwei Oliven». Die tiefdunkelrote Cuvée, die 16 Monate in kleinen Fässern reifte, duftet nach Kräutern, Lorbeer und etwas schwarzem Pfeffer. Im Geschmack ist sie kraftvoll, enorm würzig, mit jugendlichen, aber reifen Gerbstoffen. Sehr gutes Potenzial, braucht noch Zeit.
Mariage: Wildgerichte, Gans, gebratene Ente, Lamm
Ramnista 2012
100% Xinomavro | 2016 bis 2028
Ein Appellationswein (PDO) aus der Region Naoussa, der bei Fans von Kir-Yianni schon fast Kultstatus hat und sehr haltbar ist (1995 noch in guter Form). Duftet nach Sauerkirsche und Tomaten; enorm dicht, anhaltende Würze, feine Gerbstoffe, stattliche Länge am Gaumen. Stammt teilweise von alten Reben.
Mariage: Wild und Wildgeflügel, gut gewürztes Gulasch, Schmortopf mit Kalb oder Lamm (Stifado), gegrillter Thunfisch