Secret Spot Wines, Douro-Tal
Rebenschätze in steilsten Lagen
Text: Ursula Geiger
Im Douro-Tal steht die Zeit nicht still. Mit innovativen Ideen und eleganten, trockenen Weinen in Weiss und Rot hauchen Rui Cunha und Gonçalo Sousa Lopes den uralten Rebbeständen im unwegsamen Gelände neues Leben ein.
Geht der Önologe Rui Cunha auf Reisen, füllt er seinen Koffer lieber mit Weinflaschen als mit Kleidern. Eingeschnürt in Kartonhüllen und in eine dicke Daunenjacke gewickelt überstehen die Secret-Spot-Weine den Flug von Porto zu allen Hotspots der Weinwelt. Was Rui da Schweres mit sich herumschleppt, hat auch im übertragenen Sinne Gewicht. Die trockenen Weiss und Rotweine sind nicht nur köstlich, sondern tragen eine wichtige Botschaft in die Welt hinaus: «Rettet die alten Rebparzellen im Douro-Tal!»
«Mein Traum ist, dass wir am Douro das burgundische System für die Klassifizierung der Lagen haben werden.»
Rui Cunha Önologe Secret Spot Wines
Seit 2004 legen Rui Cunha und der Agronom Gonçalo Sousa Lopes ihre ganze Kraft in dieses Projekt. Sie sind überzeugt vom Potenzial der uralten im Mischsatz gepflanzten Rebstöcke, und sie wollen um jeden Preis verhindern, dass diese abgelegenen, schwer zu bearbeitenden Parzellen aufgegeben werden. Wer einmal im Sommer vom Fluss aus durch die steilen Rebberge gelaufen ist, kann allenfalls erahnen, was es bedeutet, dort zu arbeiten. Für den Wanderer sind es nur einmal Schweissperlen auf der Stirn und Staub an den Stiefeln. Für die Winzer ist es das tägliche Brot. Besonders die abgelegenen Kleinstparzellen sind es, die zu verschwinden drohen. Nicht mechanisierbar, allenfalls mit Pferd und Pflug zu bearbeiten, werfen sie für die Winzer kaum Ertrag ab. Gemessen an Trauben wie an Geld. Doch das Potenzial, das in den knorrigen, gebeugten Stöcken steckt, ist riesig. Viele von ihnen sind weit über 60 Jahre alt, gepflanzt im klassischen Mischsatz mit bis zu 40 Sorten, verteilt auf schmalen, von Mauern gestützten Terrassen.
Das Durcheinander ist gewollt. «Die Winzer damals wussten bestens Bescheid über die feinen klimatischen Unterschiede innerhalb eines Rebbergs und die verschiedenen Bodenarten», erläutert Rui Cunha. Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Für Rui und Gonçalo liegt der Vergleich mit dem Burgund auf der Hand. Immerhin ist das Douro-Tal die älteste gesetzlich verankerte und kontrollierte Herkunftsbezeichnung der Welt. Mit 335 Grenzsteinen markierte man 1756 die Zone, in der Trauben für Portwein angebaut werden durften. Seit 1935 werden die Lagen nach einem komplizierten System klassiert, das zwölf Faktoren, darunter die Höhenlage der Parzelle, Ausrichtung und Alter der Reben, berücksichtigt. Von A bis F reicht die Klassierung. Von den A-Parzellen darf die Menge produzierten Portweins höher sein. Diese Menge wird jedes Jahr neu festgelegt.
Reif für die Klassifizierung
Aber eben diese Klassifikation gilt nur für Portweine und nicht für die trockenen, in der 1980 gesetzlich verankerten DOC Douro produzierten Qualitätsweine, die seit den 1990ern immer mehr Beachtung finden. DOC Douro geht Rui Cunha nicht weit genug. Das Terroir, die verschiedenen Lagen hoch über dem Douro und seinen versteckt liegenden Seitentälern, ist für ihn wie geschaffen für eine Klassifizierung wie im Burgund. «Mein Traum ist, dass wir im Douro-Tal entweder in hundert Jahren oder früher das burgundische System für die Klassifizierung der Lagen haben», formuliert Rui seinen Wunsch für die Zukunft der Region. Daran arbeitet das Zwei-Mann-Projekt Rui und Gonçalo mit Erfolg. Ihre Weine sind elegant, ja beinahe leichtfüssig, so ganz anders als viele der trockenen Blockbuster der Region.
Beide greifen auf einen grossen Erfahrungsschatz zurück. In den Jahren zuvor arbeiteten sie als Berater und haben die Entwicklung im Tal miterlebt: Zu Beginn des Booms der trockenen Rotweine zwackten die Quintas von der Portweinproduktion Trauben aus den A-Lagen ab und liessen sie in den Steinpressen, den Lagares, durchgären. «Zu viel Wucht und Fülle waren die Folgen, die feine Frucht, die rassige Säure, das alles ging verloren. Dafür waren die Tannine so heftig, dass die Weine lange reifen mussten», erzählt Rui. Ihm war klar, dass sich für die Produktion von trockenen Weinen die höher gelegenen, nach Norden ausgerichteten Lagen besser eignen. Hier ist es nachts 14 bis 15 Grad kühl. Darum sinkt die Säure nicht ins Bodenlose, die Aromen bilden sich langsamer aus, und die Tannine werden perfekt reif. Was von den Winzern wegen Unrentabilität wenig beachtet wurde, entpuppte sich für Gonçalo und Rui als wertvolle Grundlage für die Umsetzung eigener Ideen. Sie spürten die alten, im klassischen Mischsatz bepflanzten Parzellen auf, machten ihre eigene Lagenklassifikation und überzeugten die Winzer, darunter viele junge, ihnen den spärlichen Ertrag zu verkaufen.
In Favaios, einem kleinen Ort, auf dem Hochplateau über dem Douro-Tal gelegen, konnten sie die Quinta da Faíscapachten und nach ihren Vorstellungen renovieren. 2004 begann dann die Erfolgsgeschichte von Secret Spot Wines. Zunächst kelterten sie «Auftragsarbeiten» für Weinhändler, die unter deren Label vertrieben wurden, und widmeten sich parallel dazu ihren eigenen Projekten. Sie brachten die ersten als klassische Field Blends produzierten Vale-da-Poupa-Weine auf den Markt sowie den ersten Secret Spot, der jedes Jahr aus einer anderen, winzigen Parzelle gekeltert wird. Die Trauben davon werden separat vinifiziert. Der Mikroertrag, der zwischen 15 bis 25 Hektolitern pro Hektar liegt, wird nach alter Sitte während der Maischegärung in offenen 900-Liter-Tanks schonend mit den blossen Füssen bearbeitet. Die Linien Lacrau und Crooked Vines folgten. Das Netzwerk der beiden wurde grösser. Heute verkaufen 19 Winzer den Ertrag von 20 bis 25 Hektar – wie viel, ist abhängig vom Jahrgang – an Secret Spot Wines. Gonçalo Sousa Lopes berät die Winzer im Weinberg und bietet Unterstützung, auch wenn es darum geht, neue Rebberge in der Falllinie anzulegen. Bepflanzt wird jedoch im Mischsatz.
Auch in Favaios selbst tut sich etwas: Die Böden des Hochplateaus sind zu fruchtbar für Rotweine, doch gedeiht hier der kleinbeerige Muskateller sehr gut. Mit der Quinta da Faísca übernahmen Rui und Gonçalo auch ein Fass mit verstärktem, über vier Jahrzehnte gereiftem Moscatel. «Es ist der Erste und Einzige seiner Art im Douro-Tal», erzählt Rui. Das Echo auf den 40 Years Old Moscatel do Douro war riesig, und glücklicherweise sorgten Rui und Gonçalo schon 2004 für Nachschub: Heute ist auch der 10 Years Old auf dem Markt und begeistert nebst den eleganten trockenen Weinen von den Secret Spots im Douro-Tal.
Weine des Winzers
Lacrau White Douro DOC Old Vines Barrel Fermented 2
Códega do Larinho, Folgasão und Gouveio | 2016 bis 2020
Elegant und überaus ausbalanciert, duftet nach Zitrusfrucht und reifen Pfirsichen. Die offene, feine Frucht setzt sich auch am Gaumen fort, ergänzt und unterstützt von der animierenden Säure und noblen, diskreten Noten vom Ausbau in 500-l-Fässern.
Mariage: Gegrillter Fisch, Crevetten, Stockfisch mit Tomaten-Gemüsesauce
Lacrau Red Douro DOC Old Vines 2013
Zehn Sorten und ein wenig Touriga Nacional | 2016 bis 2025
Finessenreicher, tiefgründiger und vielschichtiger Rotwein mit feinen Würznoten im kirschenfruchtigen Bouquet. Am Gaumen dichtgewoben, mit präsentem, feinkörnigem Tannin, endet lang auf Noten von dunkler Schokolade und Kirschen.
Mariage: Deftige Eintöpfe mit Gemüse und Wurst oder zu Zicklein aus dem Ofen
Crooked Vines Red Douro DOC 2013
Field Blend aus zehn Sorten von 22 Parzellen | 2016 bis 2028
Warme, dunkelbeerige Frucht, Zwetschgen, dazu balsamisch-würzige Nuancen, Lakritze und getrocknete Kräuter. Weich und samtig im Ansatz, sehr ausbalanciert, mit Tannin höchster Güte ausgestattet, endet lang auf dunkelbeeriger Frucht.
Mariage: Zu Beefsteak-Tatar, Wildgeflügel und Fleisch wie Ochsenschwanz und Kalbsbäckchen