Pelissero, Piemont

Barbaresco mit Aussicht

Text: Christian Eder

Wenn der piemontesische Winzer Giorgio Pelissero vom Barbaresco spricht, fängt er an zu schwärmen – von der Aromatik, der Finesse und dem Alterungspotenzial. Dem schwierigen Jahrgang 2014 verspricht er eine grosse Zukunft.

 

Die Kellerei von Giorgio Pelissero liegt in Panoramalage auf einem Hügel bei Treiso: Vor uns dehnen sich die Hügel der Langhe aus, manchmal in sanften Rundungen, manchmal steil abfallend, aber fast immer mit Reben bepflanzt. Es ist die Heimat einer der grossen Rebsorten der Welt: des Nebbiolo.

Giorgio Pelissero nimmt die grobe Erde im Rebberg vor seiner Kellerei in die Hand, zerkrümelt sie und lässt sie durch die Finger rieseln: «Es sind vor allem diese Böden, kalkhaltig, von mittlerer Dichte, die dem Nebbiolo seine charakteristischen Aromen verleihen», weiss er zu erzählen. Was er unter diesen Aromen versteht, können wir wenig später im Keller probieren: Noten von Rosenblüten, Salbei und auch Kamille zeichnen Giorgio Pelisseros Barbareschi aus – allen voran seinen Spitzenwein Vanotu. Denn Giorgio Pelissero ist ein eingefleischter «Barbareschista»: Er keltert seine Weine im Anbaugebiet des Barbaresco.

Der Wein stand immer ein wenig im Schatten des grossen Bruders Barolo, der bereits seit dem 18. Jahrhundert berühmt ist. Barbaresco kam erst vor etwas mehr als hundert Jahren in Mode. Selbst heute werden gerade einmal vier Millionen Flaschen davon abgefüllt – rund ein Viertel der Menge des Barolo. Und auch die Weine sind unterschiedlich: Nebbiolo-Trauben gedeihen rund um die Gemeinden Barbaresco, Neive, Treiso und Alba auf etwas niedrigeren Lagen, meist dem Fluss Tanaro zugewandt, sie profitieren allesamt von einer guten Belüftung und von viel Sonne. Ein Barbaresco ist daher meist eher trinkreif als ein Barolo, nicht selten etwas filigraner, geschmeidiger und weniger gerbstoff dominiert. «Das tut aber seiner Langlebigkeit keinen Abbruch», versichert Giorgio Pelissero. «Ganz im Gegenteil: Manche Barbareschi können auch Jahrzehnte überdauern.» Gerade in einem Jahrgang wie 2014, meint er und schwärmt weiter. «Ich habe selten einen solch guten Nebbiolo produziert wie 2014. Er hat alles, was ein Nebbiolo haben sollte: Aromen, Antioxidantien, Poliphenole – und das im Übermass.»

1990 übernahm Giorgio das Weingut seiner Eltern. Er baute einen neuen Keller, von dem man weit über die Hügel der Langhe blicken kann. Den Besitz vergrösserte er seither von einer Handvoll Hektar auf über 40 Hektar, kürzlich kamen weitere vier Hektar dazu. Sie liegen auf der östlichen Talseite in Richtung Neviglie, die sich stark von der westlichen, dem Fluss Tanaro zugeneigten Seite unterscheidet. Die westliche Seite fällt in Stufen zum Talboden hin ab, die Böden der einzelnen Lagen und Terrassen unterscheiden sich zum Teil stark. Die östlichen Rebberge sind steiler, die Bodenstruktur ist dadurch homogener.

Moscato, Dolcetto und Barbera

Hier – zwischen den kleinen und idyllisch gelegenen Gemeinden von Neviglie und Treiso – hat Giorgio unlängst wieder Nebbiolo gepflanzt: Mit ihrem hohen Kalkanteil ist die Lage ideal für die Rebsorte. Ein Teil der Trauben soll in einen seiner Barbareschi wandern, den anderen Teil will Pelissero als Nebbiolo d’Alba in die Flaschen bringen. Je nachdem, ob sie im Gemeindegebiet von Treiso liegen – in der Barbaresco-Zone – oder ausserhalb –in Neviglie.

In anderen Lagen keltert Pelissero aber (fast) die ganze Bandbreite an autochthonen piemontesischen Rebsorten: von Favorita über Freisa, Dolcetto und Barbera bis zum süssen Moscato. Darunter alle DOC- beziehungsweise DOCG-Weine, die in den Rebbergen möglich sind: Dolcetto d’Alba, Nebbiolo d’Alba, Barbera d’Alba, Moscato d’Asti und Barbaresco. Darunter sind Charakterweine wie der Barbera Piani von einem Rebberg im Nordosten seiner Kellerei, eine fruchtig-elegante Interpretation der Rebsorte, oder der Dolcetto Augenta, der durch seine traditionelle Machart gefällt.

 

«Es sind die kalkhaltigen Böden, die dem Nebbiolo seine charakte-ristischen Aromen verleihen.»

Giorgio Pelissero Winzer

Das Aushängeschild der Kellerei ist und bleibt der Barbaresco. Davon kreiert Giorgio gar drei verschiedene Etiketten: Nubiola, Tulin und Vanotu. Der Nubiola entspricht dem klassischen Konzept des Barbaresco, dessen Komplexität sich aus einem Blend verschiedener Terroirs ergibt. «Das unterscheidet ihn von den Barolo», meint Giorgio Pelissero, «die in ihrer Jugend stark vom Tannin geprägt sind. Ein traditioneller Barbaresco ist ein Wein, der durch die frischeren Tannine und die Fruchtigkeit schon trinkig ist, es aber trotzdem nicht an Langlebigkeit vermissen lässt.» Tulin und Vanotu sind hingegen Lagen-Selektionen, Interpretationen zweier spezieller Rebberge gleichen Namens. Die Trauben werden erst gelesen, wenn sie die optimale Reife erreicht haben– der späte Nebbiolo im Oktober.

Die Zunahme an warmen Jahrgängen wird immer wieder durch sehr kühle, regnerische Jahre ausgeglichen, die zwar mehr Arbeit des Winzers in Rebberg und Keller erfordern, aber elegante, langlebige Weine hervorbringen. Gerade ältere Reblagen – wie vor allem Vanotu mit seinen 1964 gepflanzten Stöcken – haben eine ausgewogene Balance erreicht, die weniger empfindlich auf Witterungseinflüsse reagiert. Nubiola und Tulin werden in einer Kombination aus kleinem Holz und 50-Hektoliter-Fässern ausgebaut, der Vanotu bleibt 20 Monate in der Barrique, grösstenteils in neuen Fässern. Denn gerade beim Holz sieht sich Giorgio Pelissero weder als Traditionalist noch als Modernist: «Das Holz ist nur ein Mittel zum Zweck», sagt er. «Wie ich welches Fass einsetze, richtet sich nach den Anforderungen des Weines.»

2010, zum 50-jährigen Jubiläum der ersten Flaschenabfüllung seines Vaters Luigi, hat Giorgio Pelissero übrigens einen ganz speziellen Barbaresco kreiert: eine Riserva 2004 von den besten Reben des Rebbergs Vanotu. Fein und elegant ist sie, knackig, mit schöner Frucht und viel Frische. Die einzige Riserva bislang im Portfolio der Kellerei. Wann er wieder eine auf den Markt bringen wird, weiss Giorgio Pelissero noch nicht. «Vielleicht 2020 zum 60. Jubiläum der Kellerei», schmunzelt er. Der passende Jahrgang 2014 läge schon im Keller.

Weine des Winzers

 

Barbera d’Alba DOC Piani 2011

100% Barbera | 2016 bis 2019

In der Lage Piani, in einer sonnenverwöhnten Westlage nahe des Weingutes Pelissero, reifen die Barbera-Trauben für diesen komplexen Wein, der reife Fruchtigkeit mit viel Fülle und Charakter kombiniert.

Mariage: Dunkles Fleisch, Wildgeflügel und Gegrilltes

 

Barbaresco DOCG Vanotu 2009

100% Nebbiolo | 2017 bis 2022

Langlebiger Terroirwein von 55 Jahre alten Reben eines Rebberges in 300 bis 350 Meter Seehöhe. Vereint in diesem Jahrgang eine opulente Aromatik mit einer komplexen Textur und viel Schliff.

Mariage: Rinderbraten, Steak, Wildgerichte, Käse

 

Moscato d’Asti DOCG 2014

100% Moscato | 2016 bis 2017

Frischer, saftiger Moscato, dessen Trauben aus drei verschiedenen Rebbergen bei Treiso stammen: exotische Fruchtaromatik, die Süsse am Gaumen optimal mit der knackigen Säure ausbalanciert.

Mariage: Panettone, frische Erdbeeren

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