López de Heredia, Spanien

Was lange währt, wird...

 

Text: Thomas Vaterlaus

Es hat fanatische Bewunderer, aber auch Gegner: Das legendäre Rioja-Gut López de Heredia provoziert mit seiner radikal traditionellen Philosophie. Jeder Wein ist ein Pamphlet gegen die groteske Beschleunigung unserer Zeit.

 

Das Kellerlabyrinth von López de Heredia ist ein Paradies zum Erforschen von Spinngeweben. In fetten schwarzen Strängen, aber auch feinsten Fäden hängen sie an den Decken.Und wie filzige Lampenschirme umhüllen sie auch die Glühbirnen, sodass sich die Frage stellt, wie denn diese Dinger ausgewechselt werden, ohne die jahrelange Arbeit der Spinnen zu zerstören. «Eine gute Frage», meint die quirlige Maria José López de Heredia. «Aber vielleicht halten die Glühbirnen hier unten auch viel länger als anderswo…» Ab und zu streicht sie mit ihrer Hand über den Sandstein oder ein altes, längst schwarz gewordenes Fass, hält einem dann den Abrieb, der auf ihrer Hand zurückgeblieben ist, unter die Nase und sagt: «Erst wer gemerkt hat, dass dies kein Dreck, sondern ein wertvoller Bestandteil einer einzigartigen Kelleraura ist, kann unsere Weine verstehen.»

Während der Schreiber verzweifelt versucht, ihre rasanten mikrobiologischen Ausführungen zur Luftqualität in diesem Sandsteinkeller festzuhalten, hat sie schon das Thema gewechselt und spricht jetzt von den jahrzehntealten, über 60 000 Liter fassenden Holzstanden, die so wichtig für die Vinifikation seien, dass sie vom Kellermeisterteam in aufwendigster Kleinarbeit immer wieder geflickt und ausgebessert würden, mit Arbeitstechniken, die man nur noch hier bei López de Heredia beherrsche. Edelstahl wird der Besucher hier übrigens nirgends finden. Er wäre ein störender Fremdkörper.

Wer die Bodegas López de Heredia besucht, lernt vor allem eines: Würde sich der Mensch vor der Einführung neuer Arbeitstechniken konsequent überlegen, ob sie letztlich das Produkt wirklich besser machen oder ob sie nur ein rationelleres Arbeiten ermöglichen, würden viele alte Praktiken nicht so sang- und klanglos verschwinden. Heute sind es mit Maria José als Geschäftsleiterin, ihrer Schwester Mercedes als Kellermeisterin und ihrem Bruder Julio als Verantwortlichem für die Reben gleich drei Geschwister, die diese im besten Sinne des Wortes urkonservative Strategie weiterführen. Sie sind mit diesen Werten so eng aufgewachsen, dass sie in ihre DNA übergegangen sind. Ihr Vater Pedro López de Heredia, der das Familienunternehmen alleine führte, nahm sie von klein auf jeden Sonntag mit auf einen Spaziergang durch die Reben. Er arbeitete 365 Tage im Jahr für seine Mission eines klassischen Riojas, der erst dann auf den Markt kommt, wenn andere Weine der gleichen Prädikatsstufe schon lange ausgetrunken sind. Noch im Alter von 80 Jahren kletterte er auf die über fünf Meter hohen Holzstanden. 2013 starb er im Alter von 84 Jahren.

Gran Reserva 2013 als Hommage

Als Hommage an den Vater werden seine drei Kinder versuchen, aus den Trauben des schwierigen Jahres 2013 eine Gran Reserva zu keltern, die dann 2033 auf den Markt kommen wird. «Den Begriff Gran Reserva gibt es offiziell erst seit 1981. Vorher gab es bei uns lediglich zwei Kategorien von Weinen: die Crianzas, die regulär in den Verkauf kamen, und die Reservas, die für besondere Familienanlässe zur Seite gelegt wurden. Es war unser Urgrossvater, der mit dieser Tradition begann, und er legte viele Weine zur Seite, denn er hatte 14 Kinder», sagt Maria José.

«Heute wollen alle Gran Reserva, das Teuerste, das Exklusivste, aber sie verstehen nicht, wovon sie sprechen», klagt sie. Tatsächlich könnte López de Heredia alle ihre Weine, selbst die Crianzas, als Gran Reservas verkaufen, weil alle ihre Weine so lange ausgebaut werden, dass sie die gesetzlichen Anforderungen an eine Gran Reserva erfüllen. «Aber es geht nicht um diese Bezeichnungen, es geht darum, dass wir grundsätzlich gereifte Weine auf den Markt bringen.» Dann kommt sie zum Kern der Sache: «Weine altern ähnlich komplex wie Menschen. Es geht darum, den Weinen Luft zu geben und sie gleichzeitig vor Luft zu schützen. Ein grosser Wein entsteht immer in einem Balanceakt zwischen Atmen lassen und gleichzeitigem Schutz vor Oxidation. Dieser Prozess dauert bis zum finalen Moment, in dem unser Wein entkorkt und getrunken wird.»

Die erste Phase dieses Prozesses, die Zeit bis zur Verkaufsfreigabe, dauert in keiner Kellerei in der Rioja so lange wie bei López de Heredia. Selbst der jüngste Wein des Gutes, der Viña Cubillo Crianza, liegt mindestens drei Jahre im Fass und reift dann nochmal ähnlich lange in der Flasche. Zurzeit wird der 2006er verkauft. Und selbst die Gran Reservas sind, wenn sie dann nach 20 Jahren in den Verkauf kommen, noch nicht auf ihrem Höhepunkt, sondern wirken immer noch eine Spur sperrig und unnahbar. Um zu zeigen, wie ihre Gran Reserva schmeckt, wenn sie wirklich völlig ausgereift ist, wird Maria José nach dem Rundgang durch den Keller einen 1970er entkorken, einen Wein mit der unglaublich erdigen Finesse eines grossen Pinots aus dem Burgund.

Die grösste Sensation, die dieses Weingut zu bieten hat, sind übrigens seine weissen Reservas und Gran Reservas. Sie haben das gleiche Alterungspotenzial wie die Roten, begeistern mit der gleichen Filigranität und einer unglaublich komplexen Aromatik. Wer Bodegas Lópezde Heredia im alten Bahnhofsviertel von Haro besucht, sieht zuerst das Türmchen, das heute längst als Wahrzeichen der ganzen Rioja dient. Dann fällt der Blick auf den kühn geschwungenen Pavillonneubau der irakische Stararchitektin Zaha Hadid. Genau in dem Moment, wenn der Besucher beim Betreten dieser futuristischen Kiste, die das Besucherzentrum beherbergt, denkt, dass diese Familie wohl doch nicht ganz so konservativ ist, wie gerne gesagt wird, entdeckter die tatsächliche Funktion des Gebäudes: Es dient eigentlich «nur» als Hülle für den aus edlem Holz geschnitzten Jugendstil-Präsentationsstand, mit dem sich López de Heredia im Jahr 1910 an der Weltausstellung in Brüssel präsentierte. Das Ultramoderne hat also die Funktion, das bewährte Alte ins rechte Licht zu rücken.

Weine des Winzers

 

Viña Tondonia Blanco Reserva 2000

Viura (90%), Malvasia (10%) | 2015 bis 2020

Vielschichtige, zurückhaltende Aromatik, Noten von Gebäck und frischen Blüten. Im Gaumen lebendig, elegant. Getragen von einer saftigen Säure. Wirkt nach 12-jähriger Reife noch immer jugendlich.

Mariage: Reifer Käse, Jamón Ibérico, Risottos, Meeresfrüchte

 

Viña Bosconia Tinto Reserva 2004

Tempranillo (80%), Garnacha (15%), ergänzt mit Mazuelo und Graciano | 2015 bis 2020

Ausgereifter Cru mit Aromen von reifen roten Beeren, Wiesenkräutern, Unterholz. Im Gaumen ausgewogen; angepasster, feinkörniger Gerbstoff . Lebendige, aber saftig-reif wirkende Säure.

Mariage: Wildschwein, Kaninchen, Pasta mit Pilzen oder Ragout, gereifter Hartkäse

 

Viña Tondonia Tinto Reserva 2002

Tempranillo (75%), Garnacha (15%), dazu Graciano und Mazuelo | 2015 bis 2024

Edles Aromenspektrum mit reifen Waldbeeren, Veilchen, Unterholz und einer Spur Minze. Im Gaumen komplex, mit feinkörnigem Gerbstoff und einer angepassten Säure.

Mariage: Klassische Fleischgerichte, Risotto mit Pilzragout, reifer Rohmilch-Hartkäse