Lebensmittel-Kennzeichnung für Alkohol
Italien tobt wegen Nutri-Score-Vorschlag für Wein
Text: Alice Gundlach | Veröffentlicht: 9. Februar 2022
Bisher ist es nur eine Idee, die ein französischer Medizin-Professor in Bezug auf die europaweite Kennzeichnung alkoholischer Getränke – und damit auch Wein – mit dem «Nutri-Score» geäussert hat. Dennoch ist das Echo aus dem Nachbarland Italien donnernd.
Serge Hercberg, Professor für Ernährung an der medizinischen Fakultät der Pariser Universtät Sorbonne, war einer der führenden Wissenschaftler, die den sogenannten «Nutri-Score» entwickelt haben. Dabei handelt es sich um ein System, das Lebensmittel mit den Ampelfarben und den Buchstaben A bis E anhand ihres Nährwertes kategorisiert. Neben Frankreich haben auch zum Beispiel Deutschland, Spanien und Portugal diesen bereits eingeführt. Bisher sind Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Prozent von der Regelung ausgenommen.
Schwarzes «F» für Alkohol
Nun plädiert Hercberg für eine EU-weite Verpflichtung zu diesem System – und schlägt überdies eine Erweiterung vor. Mit einem schwarzen «F», fordert der Professor, sollten dann alle alkoholischen Getränke gekennzeichnet werden. Damit wären sie als besonders ungesund ausgewiesen.
Davon wäre auch Wein betroffen. Das hat nun insbesondere italienische Weinproduzenten und -verbände sowie Politiker auf den Plan gerufen. Sie lehnen dieses Ansinnen strikt ab. Manche fordern sogar eine Stellungnahme von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch der für Wein zuständige Unterstaatssekretär für Agrarpolitik, Gian Marco Centinaio, erwartet eine Stellungnahme.
Macron, so Centinaio, habe immer wieder seine Leidenschaft für Wein und seine Nähe zu diesem Sektor bekundet, der in Frankreich wie in Italien kulturell und identitätsstiftend sei, aber auch wirtschaftlich sehr viel darstelle. «Ich würde gerne wissen, was Macron von dem jüngsten Vorschlag der Macher von Nutri-Score hält. Stimmt der französische Präsident zu?» Der Verbandschef lud Professor Hercberg ein, seinen Vorschlag noch einmal «nach einem guten Glas Wein zu überdenken - italienischen, versteht sich».
Noch harscher ist die Reaktion des italienischen Landwirtschaftsverbandes Confagricoltura, angeführt von Massimiliano Giansanti: «Jetzt haben wir wirklich alle Grenzen überschritten. Eine politische Klärung ist erforderlich, wenn man bedenkt, dass das Nutri-Score-Logo Eigentum der französischen Nationalen Gesundheitsbehörde ist. Das offensichtlichste Manko des Nutri-Score-Systems besteht darin, dass Lebensmittel auf der Grundlage eines Algorithmus klassifiziert werden, der die normalerweise konsumierten Mengen völlig ignoriert. Im speziellen Fall von Weinen wird nicht auf den Unterschied zwischen Missbrauch und moderatem Genuss eingegangen.»
«Affront gegen die Intelligenz der Verbraucher»
Und es geht sogar noch härter: «Das ist in erster Linie ein echter Affront gegen die Intelligenz der Verbraucher und ein Schlag ins Gesicht einer Branche, die seit Jahrhunderten nicht nur einen wirtschaftlichen Reichtum, sondern vor allem ein Lebens- und Zivilisationsmodell darstellt», erklärte Micaela Pallini, Vorsitzende von Federvini, dem italienischen Verband der Weinproduzenten. «Ein Lebensmittel oder ein Getränk rot oder sogar schwarz zu kennzeichnen, bedeutet, ein Produkt an den Pranger zu stellen und zu kriminalisieren, ohne es mit den Methoden oder Anlässen des Konsums in Verbindung zu bringen.»
Albiera Antinori, Mitinhaberin des historischen toskanischen Weinunternehmens Antinori, fügte hinzu: «Dies ist eine feindselige Herangehensweise an die Welt des Weins. Sie ist ein weiterer Ausdruck von einem wahrhaft törichten und verantwortungslosen Kreuzzug gegen einen grundlegenden Sektor unseres Landes, bestehend aus landwirtschaftlichen Produkten, Qualität, Einzigartigkeit, Herkunftsbezeichnungen, und lässt uns wirklich ratlos und besorgt zurück. Wir hoffen, dass die Vertreter unserer Institutionen uns stark und klar verteidigen werden.»