Neustart für L'Homme Cheval
Text: Nicole Harreisser | Veröffentlicht: 1. Juli 2022
In den vergangenen Jahren war es still geworden um die Domaine Léandre Chevalier, deren Begründer Dominique Léandre-Chevalier ein genialer Weintüftler, aber leider kein erfolgreicher Geschäftsmann war und so musste das Weingut Konkurs anmelden. Aber wenn eine Tür zugeht, öffnet sich meist eine neue Tür. Der Schweizer Reto Erdin war nach viele Jahren im Bankwesen als Westernreiter erfolgreich gewesen. Doch das war ihm nicht genug, er absolvierte auch die Ausbildung zum Biowinzer. Als er davon hörte, dass die Domaine zum Verkauf stand, setzt er sich kurz entschlossen in den Flieger und traf Dominique.
Ohne wirklichen Businessplan, aber mit gutem Bachgefühl übernahm er die Domaine und setzt nun mit dem Jahrgang 2020 neue Massstäbe. Er ist glücklich, wenn er vor Ort ist und seine Liebe und Leidenschaft finden sich in den Weinen wieder. Ihm ist es nicht wichtig als Bordeaux klassifiziert zu sein, er will Weine machen, die berühren und bringt sie als Vin de France auf die Flasche. Neben dem ungeheuren Qualitätsanspruch an die Weine, ist ihm das ökologische und biologische Arbeiten ein Anliegen. Viele Weinbergsarbeiten erledigt der passionierte Reiter wie auch schon Vorbesitzer Dominique mit Pferden. Das Weingut ist als klimaneutral zertifiziert. Auch kommen dünnwandigere Flaschen und kleinere Korken aus recyceltem Kork, die mit Druck gepresst werden. Auch die Zinnkapsel ist kürzer, um Ressourcen zu sparen.
Das ambitionierte Vorhaben von Reto Erdin, der Domaine zu neuem Glanz mit gleichzeitig solider wirtschaftlicher Basis, wird noch einige Jahrgänge erfordern. Die Weine überzeigen schon heute und stehen mit Ihrer Langlebigkeit auf soliden Beinen.
Flagschiff des Hauses ist der "Le Joyau", eine Cuvée aus jeweils 46 Prozent Merlot und Cabernet Sauvignon sowie 8 Prozent Petit Verdot, die zu 100 Prozent in neuen Barriques ausgebaut wird. Die Trauben stammen von sehr alten Reben der «Sélection Massale» (Stockvermehrung, nicht geklont).
Weltweit einzigartig ist zudem die höchstgelegene Parzelle der Domaine, die mit Merlot der «Sélection Massale» in einer Dichtbepflanzung von 33333 Reben pro Hektar angepflanzt wurden. Die Wurzeln gehen bis zum 20 Meter tief, um die Rebe zu versorgen. Der Wein ist sehr konzentriert und dicht,
Zwei «klassische» Weissweine wurden im Jahr 2020 ausgebaut, beide aus Sauvignon Blanc von 65-jährigen Rebstöcken und mit moderatem Alkoholgehalt von 11 Vol. %. Der «Le Séducteur» wird für 10 Monate in neuen Barriques ausgebaut, der «Vin d’Amphore» hat eine Maischestandzeit von 10 Tagen und wird in der Amphore ausgebaut.
Alle weiteren Weissweine der Kollektion sind Blanc de Noir aus unterschiedlichen Rebsorten, teils reinsortig, teils als Cuvée verarbeitet. Seine Rotweine, aus Petit Verdot, teils auch wurzelechte Rebstöcke, Merlot und Cabernet Sauvignon lassen auch die Herzen passionierter Bordeaux-Liebhaber höherschlagen. Ein Weingut, das man nicht aus den Augen bzw. dem Glas verlieren sollte.