Marktschau Viognier International: Eine echte Diva

Gefühlte Heimat der Sorte Viognier ist Frankreich, wo sie überwiegend an der Rhône angebaut wird. Wurde, muss man fast sagen, denn in den 1960er Jahren standen hier gerade mal noch 14 Hektar unter Ertrag. Doch wie diese Marktschau aufzeigt, überzeugt die Sorte auch in Italien, der Schweiz, den USA, Spanien und Südafrika mit ihren Qualitäten. Das ist erstaunlich, da heute weniger wuchtige und intensive Weine im Trend liegen. Und der unkomplizierte Charakter ist Viognier mitnichten. Die Rebsorte verlangt Toplagen, und zwar nur jene, die Madame Viognier angenehm sind: ideale Sonneneinstrahlung, steile Terrassen, bevorzugt windstill, und der Frühjahrsfrost soll sich zum Teufel scheren. Man könnte einen ganzen Aufsatz darüber schreiben. Eine echte Diva. Die, wenn sie zufriedengestellt wird, mit kraftvollen, hochkomplexen, intensiven Weinen mit Fülle und einem Facettenreichtum belohnt, wie er selten zu finden ist. Damit sie ihr Potenzial zeigen kann, nimmt sie sich für die perfekte Reife im Rebberg Zeit. Früh gelesen, bringt sie gute, frische Weine, doch der beschriebene Charakter geht dann grösstenteils flöten. Interessanterweise differenzieren die Stile in den Ländern deutlich. So ist Viognier aus Spanien oder Südafrika aromatisch schlanker. Überhaupt, und das trotz ihrer Allüren, scheint die Sorte verschiedene Terroirs anzunehmen. Klassische Rhône-Weine zeigen Wärme, deutliche Cremigkeit, Konzentration und betörende Fülle. Dazu bringen sie ein grundsätzlich grosses Alterungspotenzial mit. Die Zeit wandelt dann Üppigkeit und Intensität in Komplexität, Balance und dosierte Kraft um. Dessen ungeachtet war in dieser Marktschau nicht alles Gold, was glänzte. Kann und muss auch nicht so sein. Doch auf jeden Fall zeigt die Sorte heute höchst unterschiedliche Facetten. Zum Glück ist sie nach den 1960er Jahren wieder in Gang gekommen!