Guide Best of Lava: Rossi und Bianchi des italienischen Südens

Zwischen den Kontinentalplatten von Europa und Afrika knarrt’s. Die Folgen sind Erdbeben und vulkanische Aktivitäten im Mittelmeerraum. Vor allem in Süditalien haben die Eruptionen der vergangenen Jahrtausende Spuren hinterlassen: am Ätna in Sizilien, am Vesuv in Kampanien und am Vulture in der Basilikata. Die Weintrauben wachsen dort umso besser. Der Platzhirsch, der ein paar Mal pro Jahr Vulkanstaub über die Landschaft spuckt, ist der Ätna in Sizilien. Der mit 3350 Metern höchste aktive Vulkan Europas ist dadurch auch die Boomregion im Weinbau: Von etwas mehr als einer Handvoll Kellereien noch vor 30 Jahren hat sich das Anbaugebiet, das Etna-DOC-Weine und über dessen Grenzen hinaus auch Terre-Siciliane-IGP-Weine umfasst, auf mehr als 200 vervielfacht. Die zahlreichen Eruptionen haben dafür gesorgt, dass kaum ein Rebberg an den Hängen des Ätna dem anderen gleicht. Jede Eruption fördert Metalle und mineralische Komponenten zutage. Um Ordnung in das Chaos zu bringen, wurden die Rebberge in Contrade (Lagen) unterteilt. Mehr als 130 sind es mittlerweile. Auf dem italienischen Festland dominiert der Vesuvio hingegen das Panorama über der Stadt Neapel. Sein denkwürdigstes Lebenszeichen gab er vor 2000 Jahren, als er die Stadt Pompei zerstörte. Aber der Vesuv ist nur der kleinere Teil des vulkanischen Erbes Kampaniens: Unter Neapel brodelt ein grösserer, gefährlicherer unterirdischer Vulkan vor sich hin, der sich (hoffentlich noch lange) nur schüchtern in den Geysiren der Campi Flegrei im Westen Neapels oder in den heissen Quellen Ischias bemerkbar macht. Die rote Aglianico, die man auch als Nebbiolo des Südens bezeichnet, ist im Hinterland von Neapel in der Provinz Avellino bei Taurasi auf vulkanisch-sandigen Böden die Basis von langlebigen DOCG-Rossi. Auch jenseits der Regionsgrenzen, in der Basilikata, ist Aglianico von grosser Bedeutung: Am längst erloschenen Vulkan Vulture werden aus ihr Aglianico-del- Vulture-Rotweine gekeltert.

Man vergisst gerne, dass auch im Süden Italiens würzige und elegante Weine entstehen, die man nur nördlich der Alpen erwarten würde. Zu verdanken haben sie das oft der Tätigkeit von Vulkanen, die den Böden Mineralität und den Weinen Langlebigkeit verleiht. Das ist nicht nur in Sizilien am Ätna, auf den Eolischen Inseln und auf Pantelleria so, sondern auch am Vulture in der Basilikata und ganz besonders in Kampanien: Rund um den Vesuv liegen einige der renommiertesten und traditionsreichsten Weinbaugebiete Süditaliens.

«Man vergisst gerne, dass auch im Süden Italiens würzige und elegante Weine entstehen. »

Christian Eder VINUM-Autor

Böden vulkanischen Ursprungs findet man nicht nur in den Rebbergen am Vesuv, sondern auch innerhalb der Stadtgrenzen: Zu Füssen des Monte Novo dampft der Boden, schiesst in regelmässigen Abständen ein Geysir gen Himmel. Gleich daneben liegt der Krater von Astroni: Erst vor 4000 Jahren entstanden, ist er heute mit seinem uralten Baumbestand eine WWF-Oase. Reben findet man auch auf der Insel Ischia. Und Winzer, die den steilen terrassierten Lagen ihre Früchte abtrotzen.

Die weissen Rebsorten Falanghina oder Biancolella und die rote Per’ e Palummo, die im Rest Kampaniens Piedirosso heisst, sind vor allem die Basis von frischen mediterranen Weinen, aber Betriebe wie Mastroberardino und La Sibilla beweisen, dass manche Kreszenzen auch reifen können: Piero Mastroberardino bringt seinen Villa dei Misteri, dessen Reben in den Ruinen von Pompei wachsen, erst nach zehn Jahren auf den Markt. Langlebigkeit ist natürlich auch ein Markenzeichen der Weine aus Taurasi in der Provinz Avellino und am Vulture in der Basilikata. In beiden Zonen erreicht die Aglianico-Traube, die reinsortig verwendet wird, eine Noblesse, die man sonst nur bei Nebbioloweinen im Piemont findet.