Manzanilla/Fino und Oloroso öffnen die Tür zu einem faszinierenden Aromen-Universum
Wineguide Sherry: Ein ganzes Universum im Glas
Degustation: Thomas Vaterlaus, Miguel Zamorano, Text: Miguel Zamorano
Sherry und Vino Generoso werden oft als Synonym verwendet. Doch nur mit letztem Begriff sind alle gespriteten Weine Spaniens gemeint. Sie in der gegebenen Kürze in ihrer gesamten Mannigfaltigkeit zu beschreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Zumal in der Welt der Ports oder der Marsalas die Sherrys eine Sonderposition einnehmen. Vielfach kopiert und imitiert, sind sie doch nirgends so facettenreich wie am südlichen Zipfel Andalusiens gekeltert worden. Der Historie nach waren die Weine aus dieser Region die ersten, die in die Neue Welt gelangten. Den Wein, den die Eroberer damals aus der alten Heimat nach Mexiko mitbrachten, war wohl nicht der Sherry, den wir heute geniessen. Es waren die Engländer, die mit dem Aufspriten der Weine diese für lange Seefahrten konservierten. Dank des regen Interesses britischer Konsumenten für Sherry wurde er im 19. Jahrhundert weltweit gern und viel getrunken. Seitdem erlebte dieser Weinstil mehrere Auf und Abs, die produzierte Menge befindet sich seit 1980 im konstanten Rückgang. Im Jahrgang 2020 wurden 420'000 Hektoliter erzeugt; knapp 30 Jahre zuvor waren es noch doppelt so viel.
Mit seinem hohen Alkohol- und Zuckergehalt ist die Stilistik gespriteter Weine sicherlich eine permanente Provokation an einen Zeitgeist, der alles low haben möchte. Wohlmeinende Kritiker sehen in den rückläufigen Zahlen hingegen eine notwendige Korrektur, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Das Interesse hat die DO in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Food-Pairing-Kampagnen aufrechterhalten. Nach dieser Verkostung sind wir uns sicher: Wer sich mit der Vielzahl der Sherry-Stile auseinandersetzt, wird tolle Erfahrungen machen. Manzanilla/Fino und Oloroso sind nicht nur frisch, sie öffnen auch die Tür zu einem faszinierenden Aromen-Universum.
Resultate, Analysen, Statements
«Der Fino kam ultrakalt in einer Halbliterflasche und war so muntermachend, wie ein Wein nur sein kann.»
Thomas Vaterlaus VINUM-Chefredaktor
Beim ersten Besuch in der Sherry-Metropole Jerez de la Frontera sassen wir an einem extrem heissen Sommer-Nachmittag im Innenhof der Tapas Bar «Juanito». Die spanischen Kollegen, mit denen wir damals an der von VINUM mitorganisierten Sherry- und Süssweinmesse Vinoble teilnahmen, orderten sofort Fino. Aber 35 Grad Celsius in der Luft und 15 Volumenprozent Alkohol im Glas schienen mir zu viel des Guten, darum fragte ich nach Cava. «Cava?», fragte der Kellner. «Das kannst du in Katalonien trinken, wir sind hier in Andalusien. «Fein, dann Fino», dachte ich. Der Wein kam als Halbliterflasche ultrakalt in einem Eiskübel auf den Tisch, und er war so frisch und muntermachend, wie ein Wein nur sein kann.
Als wir die Tapas-Bar ziemlich aufgedreht verliessen, hatte jeder mindestens eine Halbliterflasche intus. Ich nahm mir vor, künftig auch zuhause das Fino-Ritual zu zelebrieren, tat es auch zwei, drei Mal, aber die restlichen Flaschen verstaubten im Keller. Einige Jahre später bei einer Sherry-Verkostung in Zürich für den VINUM-Guide begeisterten die Weine wieder, nicht nur die Finos und Manzanillas, sondern auch die Amontillados, Olorosos, Palo Cortados und Creams. «Weltklasse für fast kein Geld», lautete das Fazit. In der Euphorie kaufte ich erneut einige Flaschen, aber der Grossteil verstaubte unerklärlicherweise abermals in meinem Keller.
Womit wir zu der Verkostung kommen, deren beste Weine wir Ihnen auf diesen Seiten vorstellen. Die Qualität ist nochmals besser geworden, bei nur in Einzelfällen höheren Preise. Keine Frage: Ich muss wieder ein paar Flaschen kaufen, in der Hoffnung, dass ich es diesmal endlich schaffe, ein permanenter Sherry-Geniesser zu werden. Zu meinem Wohl!
« Sherry fasziniert ungemein mit seiner Vielfalt und Aromentiefe, er kann richtig glücklich machen.»
Miguel Zamorano Redaktion VINUM
Warum wird Sherry überhaupt noch erzeugt? Weil die Whiskey-Produzenten sonst nicht an ihre begehrten Sherry-Fässer kommen. So oder so ähnlich klingt der Unkenruf, den man immer wieder hört, wenn es darum geht, den Zustand eines der ältesten Fortified Wines der Welt zu beschreiben. Das ist nicht fair. Sherry ist ein Wein, der mit seiner Vielfalt und Aromentiefe fasziniert und uns Verkostende sehr glücklich macht.
Was indes richtig ist: Seine Breite in der Stilistik ist ein Hindernis für interessierte Konsumenten, die noch am Anfang ihrer Sherry-Erfahrung stehen. Zahl- und variantenreich sind die Stile und die Namen auf den Etiketten, die sich einem bei der Sichtung eines Sortiments präsentieren. Hier den Überblick zu behalten, ist eine Herausforderung, die erschwert wird durch die unterschiedlichen Flaschengrössen (0,375 Liter, 0,5 Liter und 0,75 Liter), die einem zur Verfügung stehen. Von der Grösse vergangener Tage zehrt das Image dieser gespriteten Weine, die Erzeuger begegnen diesem Umstand, indem sie sich in die Mikroproduktion flüchten. Sie ahmen gewissenhaft so manche Künstler nach: Sie bringen Cuvées in Kleinsteditionen heraus, durchnummeriert und mit immer neuen Namen.
Das Potenzial eines Sherrys liegt besonders in der Begleitung zu Speisen. Legendär sind die Menüs des einstigen Avantgarde-Restaurants «El Bulli» in Barcelona, wo ganze Menüs nur mit Sherry serviert wurden. Ein Aficionado am heimischen Herd muss nicht in den Künsten der molekularen Küche versiert sein, aber warum nicht mal einen Manzanilla zum Aperitif reichen? Oder einen Oloroso zum Entenconfit? Sherry eröffnet einem eine Aromenwelt, die viele sicher noch nicht erahnt haben.
Rang | Beschreibung | |
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1 | 19,5/ 20 Punkte | Andalusien, Spanien Bodegas Emilio Lustau |
2 | 19,0/ 20 Punkte | Andalusien, Spanien Bodegas Emilio Lustau |
3 | 18,5/ 20 Punkte | Andalusien, Spanien Bodegas Barbadillo |
Die Verkostung
Thomas Vaterlaus und Miguel Zamorano verkosteten die Weine in den Zürcher VINUM-Räumlichkeiten. Alle Sherrys wurden verdeckt serviert. Zuvor wurden alle Weine beim Fachhandel angefragt.