Carte Blanche für Sauvignon
Guide Sauvignon Blanc
Degustation: Harald Scholl, Miguel Zamorano; Text: Harald Scholl
In den letzten 40 Jahren dürfte es keine zweite Rebsorte gegeben haben, die einen vergleichbaren Siegeszug durch die Rebberge der Welt angetreten hat wie Sauvignon Blanc. Von der lokalen Spezialität an der Loire zur zweitwichtigsten weissen Rebsorte überhaupt – das kann man durchaus eine steile Karriere nennen. Vor allem in der Neuen Welt, speziell in Neuseeland, hat die Rebsorte eine zweite Heimat gefunden. Inklusive ganz eigener Stilistik, die deutlich zugänglicher und fruchtbetonter ist als die Weine von den Kalkböden in Sancerre oder Pouilly-Fumé.
Wobei spöttische Weinzungen behaupten, dass der internationale Erfolg des Sauvignon Blanc vor allem an seiner klaren Wiedererkennbarkeit läge und nicht an der Qualität der Weine. Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen, mit seiner sehr typischen Aromatik ist Sauvignon auch für weniger geübte Weintrinker leicht zu identifizieren: In 90 Prozent der Fälle ist der Wein trocken, zeigt grüne Noten, Stachelbeere, grüne Paprika, etwas Exotik. Das ist verlässlich und nicht übermässig anspruchsvoll.
Dabei kann er auch ganz andere Töne anschlagen. Nicht umsonst rechnen die Franzosen «ihren» Sauvignon Blanc zu den «Cépages nobles», den nobelsten Rebsorten der Welt. Wie nur wenige andere kann die Sorte den Boden, auf dem sie steht, ins Glas transportieren. Und wie so häufig im Wein kommt es vor allem auf den Standort an: ob aus dem Sauvignon ein süffiger Alltagswein oder ein fordernder, reifebedürftiger Grand Vin wird. Erstklassige Lagen mit eher kargen Böden, gerne Kalk oder Granitverwitterung, das ist der bevorzugte Standort der Rebsorte. Also Lagen, wie sie in der Südsteiermark, in der Pfalz oder auch in Franken vorkommen. Da schlummert noch einiges an Potenzial
Das persönliche Statement der Verkoster
«Der Stil aus der Steiermark ist unverwechselbar, sofort zu verstehen. Aber nicht jeder wird diese karge Art lieben.»
Harald Scholl stv. VINUM-Chefredakteur Deutschland
Fast 300 Sauvignon Blanc aus der Schweiz, Österreich und Deutschland – es war in diesem Fall eine Mammutprobe. Die sich für uns gelohnt hat, einen so umfassenden Überblick über eine Rebsorte bekommt man nicht alle Tage. Die Bandbreite war definitiv beeindruckend, ebenso wie das qualitative Niveau. Auf der einen Seite das Gros der Weine: verlässliche Alltagsqualitäten, ideale Begleiter auf der Terrasse und zum leichten Abendessen. Am anderen Ende der Skala viele hochklassige Weine, straff, mineralisch, fast schon abweisend in ihrer Kühle und Präzision, fordernd und sicher auch nicht jedermanns Sache, aber mit Potenzial für viele Jahre.
Auffällig war der Jahrgang 2017, besonders in der Südsteiermark. Was Tement, Neumeister oder auch der Sattlerhof da abgeliefert haben, dürfte noch in einem Jahrzehnt für Aufsehen sorgen. Hier scheint die Frage der Stilistik klar beantwortet zu sein, die Weine zeichnet die gleiche klare Fokussierung auf den Boden aus. Aus welchem Material das Fass gebaut wurde, in dem der Wein vinifiziert wurde, ist nebensächlich. Die holzwürzige Aufdringlichkeit einiger junger Weine aus Deutschland sucht man hier vergebens, die Weine aus der Südsteiermark sind auch in der Jugend schon zugänglich und delikat. Was die besten deutschen Sauvignons erst in einigen Jahren sein dürften. Dann werden sie – wenn auch mit anderer Stilistik – den Vorsprung zur österreichischen Konkurrenz aufholen. Einige der besten Sauvignons aus Deutschland standen zum Zeitpunkt der Verkostung nicht zur Verfügung. Viele Winzer lassen ihre besten Weine länger auf der Hefe liegen, um ihnen mehr Struktur, Tiefe und Schmelz zu geben. Wir begrüssen diese Entwicklung.
«Schweizer Sauvignon Blanc ist eher piano als forte, die Winzer streicheln die Tasten, sie hämmern nicht.»
Miguel Zamorano VINUM-Redakteur
Unter allen verkosteten Weinen war die Schweiz mit 49 Exemplaren vertreten, die mindestens 14.5 Punkte erhielten. Das ist eine ordentliche Menge, zieht man in Betracht, dass in der Schweiz lediglich 190 Hektar damit bestockt sind. Die Sorte, in Deutschland und Österreich mit grosser Freude angebaut, führt in der Alpenrepublik ein Dasein im Schatten von Chasselas, Chardonnay und Petit Arvine. Umso überraschender die zahlreichen Muster, die wir verkosten durften.
Vorab: Schweizer Sauvignon Blanc pendelt zwischen den exotischen Fruchtnoten der Neuen Welt und karger Loire-Stilistik. Auf den ersten Schluck ist eine eigenständige Schule nicht zu schmecken; die Weine aus dem Wallis oder Schaffhausen springen nicht aus dem Glas. Das ist erfreulich, denn die aufdringliche Neue-Welt-Schule, die Winzer vielerorts imitieren, benötigt nicht neue Nachahmer. Hört man indes genauer auf seine Sinne, kommt bei den besten Weinen eine durchaus komplexe Aromatik zum Vorschein; es sind Weine mit Cassis-Noten, Zitronenabrieb und Waldkräutern. Weingüter wie Erich Meier, Strada oder François Desponds spielen weit vorne. Unter den Besten ist auch das Weingut Treib aus Graubünden, das einen beachtlichen Sauvignon Blanc keltert. Natürlich spielen einige eidgenössische Winzer auch auf der lauten, einfach zu verstehenden Neue-Welt-Klaviatur, doch sie streicheln eher die Tasten, als dass sie die hämmern, sie spielen piano, nicht forte. Hat Swiss Sauvignon Blanc nun im internationalen Vergleich noch eine Strecke vor sich? Vor drei Jahren kam auf einem VINUM-Profipanel die Weine aus den drei CHAD-Ländern auf den Tisch. Am Ende hatten die Schweizer Sauvignon Blanc die Nase vorn.
Die Verkostung
Die Muster wurden alle direkt von Winzern (Deutschland und Italien/ Südtirol) angefordert sowie beim Fachhandel. Harald Scholl und Johannes Bucej verkosteten die Weine in den VINUM-Redaktionsräumen in München unter optimalen Bedingungen.