Expats punkten mit Petite Arvine & Co.
«Üsserschwiizer» im Wallis: «Hüeru güet!»
Text: Eva Zwahlen, Fotos: Hans-Peter Siffert
Sie stammen aus Bern oder aus Rumänien, aus Südfrankreich oder aus der Champagne, die Immigrantinnen und Immigranten, die ihren Traum vom Weinmachen im grössten Weinkanton der Schweiz verwirklichen. Sie haben Wurzeln geschlagen und sich so nachhaltig integriert, dass sie sogar von den Walliser Kollegen schon fast als Einheimische akzeptiert werden. Und das will bekanntlich etwas heissen…
Valentina Andrei, Saillon
Ein neuer Stern ist geboren
Wie so viele andere Walliser Winzer ist auch Valentina Andrei mit Fendant, Pardon!: mit Chasselas, gross geworden. Allerdings nicht in Saillon, wo ihr Keller steht, sondern in Botoșani, im Norden Rumäniens. «Rumänien ist das Land mit der weltweit grössten Chasselas-Fläche», stellt Valentina klar. Neben den 13 000 Hektar Chasselas in Rumänien (von total 190 000 Hektar) wirken die 914 Hektar Fendant, die im Wallis wachsen, bescheiden.
In einer Bauernfamilie gross geworden, die neben Getreide, Mais und Sonnenblumen auch Chasselas kultivierte, half Valentina schon als Kind mit bei der Weinlese, um sich etwas Taschengeld zu verdienen. «Das gefiel mir so gut, dass ich schon bald wusste: Ich werde Winzerin!» Da war sie zwölf. Das grosse Vorbild für jede weinaffine Rumänin, damals wie heute: Bordeaux. Klar, dass Valentina nur dieses Ziel kannte.
«Bei der Gärung arbeite ich nur mit eigenen Hefen; das ist ein Risiko, dafür werden die Weine komplexer, individueller.»
Was also hat die ernsthafte junge Frau ins Wallis verschlagen? In die Schweiz, in den Jura, kam sie nach der Matura bloss, um Französisch zu lernen. Bei einem Ausflug ins Wallis sah sie dann zum ersten Mal die steilen Rebterrassen, die kunstvollen Trockensteinmauern. «Ich war total begeistert, einfach hingerissen von der Schönheit dieser Landschaft», erinnert sie sich, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Liebe auf den ersten Blick!
Valentina bleibt in der Schweiz, macht Stages bei diversen Winzern, unter anderem bei den Biodynamik-Pionieren Jacques und Marion Granges, dann eine dreijährige Ausbildung an der Landwirtschaftsschule von Châteauneuf, gefolgt von einem Önologiestudium in Changins. Sechs Jahre lang arbeitet sie als Kellermeisterin bei der grossen Marie-Thérèse Chappaz, bevor sie 2015 ihren Traum vom eigenen Weingut realisieren kann.
Heute bewirtschaftet sie ohne Dogmatismus, aber inspiriert von biodynamischen Grundsätzen vier Hektar, zerstückelt in etliche kleine Parzellen; allein in Fully sind es 19. «Mir werden immer wieder schwierig zu bearbeitende, steile kleine Rebberge angeboten.» Die sind weniger teuer als andere, aber verlangen deutlich mehr Handarbeit. Dafür liefern sie grossartige Qualitäten. Genau das Richtige für Valentina, die sehr genau weiss, was sie will. Und einen geheimen Draht zu jedem Rebstock, zu jedem Stückchen Erde zu haben scheint. Auf das Bestimmen von pH-Wert oder Zuckergehalt der Beeren legt sie keinen Wert, «es ist der Geschmack der Beeren, der zählt».
Die meisten ihrer Weine reifen in Barriques, neben denen auch ein paar Tonamphoren stehen. «Meine liebsten Sorten sind Petite Arvine und Gamay», doch als waschechte Wahlwalliserin kultiviert sie auch Spezialitäten wie Humagne Blanche, Païen oder Cornalin. Nicht zu vergessen Chasselas: «Ich liebe Chasselas», meint sie mit Nachdruck. Drei Terroirchasselas hat sie im Sortiment, «plus einen Fendant für die Walliser…»
Ihre Weine, allen voran die Weissen, sind schlicht hinreissend. Weine mit Persönlichkeit, die Zeit und Luft brauchen, um sich zu öffnen und ihre Seele zu offenbaren. «Bei der Gärung arbeite ich nur mit eigenen Hefen; das ist ein Risiko, dafür werden die Weine komplexer, individueller. Und ich kann mit den Terroirs spielen.» Schnell hat sich herumgesprochen, dass mit Valentina Andrei ein hell leuchtender Stern am Walliser Weinfirmament aufgegangen ist. Deshalb sind ihre Weine jeweils rasend schnell ausverkauft…!
Unsere Favoriten
Valais AOC
Chasselas Les Bans 2015
17.5 Punkte | 2018 bis 2028
In Martigny, auf Granitterrassen mit alten Rebstöcken gewachsen. Ein charaktervoller Wein mit duftiger, mineralisch geprägter Nase, im Gaumen gradlinig, mit kribbelnder Säure, Noten von reifen Früchten und Bienenwachs; salziges Finale. Ein Terroirwein von grosser Rasse, der Zeit braucht, um sich zu entfalten.
Valais AOC
Petite Arvine Combe de Noutse 2016
19 Punkte | 2018 bis 2028
Auf den Granitböden der Combe de Noutse in Fully entwickelt die Petite Arvine eine ganz besondere Energie: unglaublich kristalline, reintönige und vornehm zurückhaltende Nase von hinreissender Finesse, im Gaumen präzise, sortentypisch, mit einer charakteristischen Salznote im langen Finale. Ein Wurf!
AOC Valais
Gamay Vieilles Vignes 2016
17.5 Punkte | 2018 bis 2025
Von 42 bis 64 Jahre alten Rebstöcken und teilweise mit den Stielen vergoren, wird dieser auf Granitböden in Martigny gewachsene Gamay lange und ohne Stösseln vergoren und in Barriques ausgebaut. Sehr intensive, beerige und würzige Nase, im Gaumen dicht, würzig und pfeffrig, von ansteckender Jugendlichkeit.
Caroline Frey, Fully
Der geheime Garten in Fully
Caroline Frey zu erreichen ist gar nicht so einfach. Denn die Neo-Walliserin ist viel unterwegs, irgendwo zwischen dem waadtländischen Lutry, wo sie mit ihrer kleinen Tochter lebt, den familieneigenen Weindomänen in Bordeaux (Château La Lagune), den nördlichen Côtes du Rhône (Domaines Jaboulet Aîné) oder im Burgund (Château Corton C), die sie als Chefönologin betreut, und natürlich dem Wallis, wo sie kürzlich ihr Herz an einen ganz besonderen kleinen Rebberg verloren hat.
«In Fully wurde ich sehr gut aufgenommen! Die Leute begegnen mir freundlich und offen, die Winzerkollegen unterstützen mich.»
Carolines «geheimer Garten» ist ein schwer zugänglicher, zauberhafter alter Rebberg von 2000 Quadratmetern Fläche, bestockt mit knorrigen, von Wind und Sonne gegerbten Stöcken und gesäumt von wild wucherndem Gebüsch. Von Trockensteinmauern gestützt, liegt er hoch über Fully am Steilhang und ist nur über schmale Pfade, windschiefe kleine Treppen und rutschiges Geröll zu erreichen. «Ich mache hier alles selber», betont Caroline, die in Frankreich 60 Mitarbeiter führt, «ich liebe dieses Stückchen Erde!» Der Blick schweift weit über die Reben hinunter ins Tal und hinauf zu den schroffen Felsen und den schneebedeckten Gipfeln. «Meinen ersten Jahrgang habe ich aus den bestehenden Sorten gekeltert, vorwiegend Chasselas und wenig Johannisberg. Doch künftig wird hier Petite Arvine wachsen, aufgepfropft auf die alten, tief verwurzelten Stöcke.» Vinifiziert wird die homöopathische Menge an ihrem Wohnort in Lutry.
Was Caroline fasziniert, ist nicht nur die Sorte Petite Arvine, sondern das einzigartige Granit- und Lössterroir – es ist ja immer das Terroir, um das sich alles dreht, ob in Hermitage, im Haut-Médoc, in Aloxe-Corton oder in Fully. Ihre kleine Parzelle hat sie dank einem Freund entdeckt, der in Fully wohnt und mit dem die begeisterte Sportlerin und Alpinistin trainiert. «Ich habe schon als Kind von einem Chalet in den Bergen geträumt…»
Die schöne Tochter aus reichem Haus, halb Französin, halb Schweizerin, wird in der Champagne geboren und macht sich zuerst im Reitsport, in der französischen Nationalequipe, einen Namen. «Das war eine gute Schule. Und eine der wenigen Sportarten, bei denen es keine Geschlechtertrennung gibt.» An der Universität Bordeaux studiert sie beim charismatischen Denis Dubourdieu Önologie. Als sie die Leitung der exklusiven Châteaux ihrer Familie übernimmt, stellt sie rasch auf biologischen und biodynamischen Weinbau um.
«In Fully wurde ich sehr gut aufgenommen! Die Leute begegnen mir freundlich und offen, die Winzerkollegen unterstützen mich. Ich komme ja mit einem ganz neuen Blick hierher, frei von Vorurteilen und mache vieles anders als sie, probiere Neues, Ungewohntes. Sicher werden mir auch Fehler unterlaufen und ich muss noch viel lernen, über die Region, die Rebsorte und über das Terroir», sagt Frey. Nie käme es ihr beispielsweise in den Sinn, die Rebstöcke zu bewässern, wie es hier an diesen trockenen Bergflanken ansonsten üblich ist. «In Frankreich ist das verboten, und es widerstrebt mir zutiefst. Dank den tief wachsenden Wurzeln überstehen alte Stöcke auch Trockenperioden.»
Das Abenteuer Wallis hat für Caroline Frey erst gerade begonnen. Sie möchte weitere spektakuläre Arvine-Parzellen kaufen. Und interessiert sich brennend für den Cornalin, den Alten Landroten. Frey hat schon konkrete Vorstellungen: «Drei, vier Hektar mit autochthonen Sorten, das wäre ideal…»
Carolines Premiere
Vin de Pays Suisse
Les Grains Blancs de Mon Jardin Secret 2016
17 Punkte | 2018 bis 2025
Der erste Walliser Wein von Caroline Frey ist eine für die Region ungewöhnliche Assemblage aus Chasselas und etwas Johannisberg. Die Trauben werden früh gelesen, da Caroline grossen Wert auf den pH-Wert und eine saftige Säure legt. Ein kleiner Teil der Beeren wird mittels Passerillage getrocknet, was den Zuckergehalt auf natürliche Weise erhöht. Vinifiziert wird «Les Grains Blancs de Mon Jardin Secret» ohne biologischen Säureabbau und in einer homöopathischen Auflage von lediglich 500 Flaschen.
Helles, leicht trübes Gelb mit grünlichen Reflexen. Eher diskrete, sehr mineralische, anfangs fast strenge Nase mit Anklängen von Zitrusfrüchten und Mandeln. Im Gaumen rassiger Auftakt, sehr präsente, aber elegante, reife Säure. Der anfangs schlank und feingliedrig wirkende Wein entwickelt zunehmend Tiefgang und Fülle, getragen von straffem Gewebe und sehr aufrechtem Rückgrat. Ein noch jugendlicher, aber verblüffend komplexer, ernsthafter Wein voller Rasse, der von seinem einzigartigen Terroir erzählt. Vielversprechend!
Isabella und Stéphane Kellenberger, Vin d’œuvre, Leuk
Standfestes Berner Duo
Zunehmend kurzatmig erklimmen wir die stotzige Rarnerchumme, eine prachtvolle, von Rebterrassen und Gebüschgruppen überzogene Geländemulde hoch über Raron. Weit oben warten Isabella und Stéphane Kellenberger auf uns, die sich wie junge Bergziegen durch den steilen Hang bewegen. «Das täuscht», meint Isabella und lacht ihr unvergleichliches Lachen, «manchmal kommen hier auch junge Bergziegen ins Schnaufen…»
Stolz zeigen uns die beiden ihr Werk: frisch angelegte Terrassen, neu gepflanzte Rebanlagen und sorgfältig ausgebesserte Trockensteinmauern. Keine Frage: hier braucht es viel schweisstreibende «Main d’œuvre», Handarbeit, bis ein «Chef d’œuvre», ein flüssiges Meisterwerk, in die Flasche abgefüllt werden kann.
«Dank unserem Vorgänger wurden wir freundlich empfangen und fühlen uns gut integriert im Dorf.»
Weder Isabella noch Stéphane wurde es in die Wiege gelegt, dass sie dereinst als Walliser Winzerpaar von sich reden machen würden. Keiner von beiden stammt aus einer Winzerfamilie. Der Stadtberner Stéphane beginnt ein JusStudium, das er sich durch einen Job bei der Weinhandlung Mövenpick finanziert. «Jus war mir aber bald zu trocken und so war ich immer öfter in der Weinhandlung anzutreffen…» Isabella beginnt nach der Handelsmatura Wirtschaft zu studieren, merkt aber ebenfalls relativ schnell, dass ihr das nicht gefällt. «Bei einem Glas Wein überlegte ich hin und her, ob Önologie für mich in Frage käme. Und stiess im Internet auf die Seite von Changins!» Und in Changins trifft sie dann auf Stéphane…
Doch bevor aus den beiden beruflich und privat ein Paar und mit der Geburt der zwei Kinder eine Familie wird, zieht es Isabella in die Ferne, nach Neuseeland, Chile und Kalifornien, wo sie in gigantischen Weinhäusern ihre Sporen abverdient. «Der kleinste Betrieb kellerte vier Millionen Liter ein, und in Chile war ich die einzige Frau…» Zurück in der Schweiz, arbeitet sie im Weinverkauf und -marketing, während Stéphane als Kellermeister beim Vennerhus und später bei Nicolas Zufferey in Sierre tätig ist.
Dem Traum vom eigenen Weingut kommen sie 2009 ein kleines Stückchen näher: Sie kaufen ihre erste Rebparzelle in Fully und bewirtschaften sie als Samstagswinzer, wie das im Wallis üblich ist, denn hier «hat jeder ein paar Rebstöcke». 2010 entdecken sie in Visperterminen einen völlig verwilderten Rebberg; der Besitzer, Wildhüter im Simplongebiet, ist überglücklich, die Parzelle an tüchtige junge «Üsserschwiizer» verpachten zu können. 2012 kommt der stotzige Rebberg in Raron dazu.
Und 2013 steht plötzlich das Glück vor der Tür, in Form eines Chiffreinserats: ein Weingut mit 1,5 Hektar Reben, Wohnhaus und Keller in Leuk Stadt (einem beschaulichen Dorf am Nordhang des Rhônetals) sucht neue Besitzer. «Eine Riesenchance für uns! Dank unserem Vorgänger, einem sehr weltoffenen, weit gereisten Mann, wurden wir freundlich empfangen. Und fühlen uns gut integriert im Dorf.»
Gut integriert sind sie auch in der Weinwirtschaft. Stéphane Kellenberger ist mittlerweile Präsident von Vitival, dem Walliser Verband für nachhaltige Entwicklung. Und Isabella engagiert sich als Verwaltungsrätin bei Swiss Wine Promotion und im Vorstand der unabhängigen Walliser Selbsteinkellerer.
Mit ihren Weinen, bei denen sie auf Eleganz und Finesse setzen, haben die beiden sich schnell Respekt verschafft, nicht nur im Wallis.
Unsere Favoriten
Valais AOC
Humagne Blanc born to be wise 2016
17.5 Punkte | 2018 bis 2025
Von 15-jährigen Reben, relativ früh geerntet, damit der Wein nicht zu viel Alkohol hat und bei zwölf Grad vergoren. Das Resultat? Ein vielschichtiger Wein mit feiner, frischer Nase, geprägt von Zitrusnoten, Granny-Smith-Äpfeln und einer Prise Pfeffer. Der Gaumen ist gradlinig, mit knackiger Säure und charmantem Schmelz.
Valais AOC
Heida reach the highest 2016
18 Punkte | 2018 bis 2030
In Visperterminen auf knapp 1000 Metern über dem Meer mit Blick aufs Matterhorn gewachsen: wunderschöne, exotisch anmutende Nase mit Akzenten von Zitronen, Weinbergspfirsichen, Honig und Rosen, im Gaumen weicher Auftakt, dann filigran, getragen von saftiger, pikanter Säure und in einem würzigen Finale ausklingend.
Valais AOC
Humagne Rouge born to be wild 2015
17.5 Punkte | 2018 bis 2030
45 Jahre alte Rebstöcke in einer Parzelle in Leuk plus ein Superweinjahr, das ergibt eine charaktervolle, sortentypische Humagne Rouge mit schöner, wilder Nase (Waldbeeren, Gewürze, Unterholz und leicht animalische Noten), im Gaumen erdig, von angenehmer Fülle und gut strukturiert. Ein idealer Begleiter zu Wild!
Mathilde Roux, Cave de l’Orlaya, Fully
Den Wein in den Genen
Dass Mathilde Roux Winzerin geworden ist, braucht nicht zu erstaunen. Sie hat den Wein in den Genen, betrieben doch ihre Eltern schon zwei Weingüter – allerdings nicht im Wallis, sondern 500 Kilometer rhôneabwärts, in Gigondas, in den südlichen Côtes du Rhône. «Ich bin in den Reben aufgewachsen», erzählt Mathilde, «und habe das von Anfang an geliebt. Zwar habe ich gesehen, dass meine Eltern unermüdlich arbeiten, auch am Sonntag, trotzdem war für mich schon als kleines Mädchen klar, dass ich Winzerin werden will. Mit sieben wünschte ich mir einen Traktor mit Pedalen…» Den hat sie natürlich bekommen.
Prägende Erfahrungen. Ebenso prägend wie der Umzug der Familie in die Schweiz, nach Lausanne, wo sie eine Privatschule besucht. Oder der spätere Verkauf der Familienweingüter im Jahr 2006. «Das war hart für uns alle. Ich war damals erst 18 Jahre alt und wollte unbedingt zurück nach Frankreich.»
«Mit den typischen Walliser Sorten wie Petite Arvine habe ich noch nicht so viel Erfahrung, dafür bin ich frei von Vorurteilen.»
Sie studiert an der ETH Lausanne Life Science und wechselt nach dem Bachelor nach Montpellier an die Ecole d’Agronomie, wo sie ihren Master in Weinbau und Önologie macht. Nach zwei Stages in den Côtes du Rhône (einer davon auf den Domaines Paul Jaboulet Aîné, deren Weine heute von einer gewissen Caroline Frey vinifiziert werden) sammelt Mathilde Roux Erfahrungen in drei Waadtländer Weinhäusern (unter anderem im Spezialitätenkeller von Hammel, «das war superinteressant!»), bevor sie sich ihre Sporen auch in Neuseeland und Südafrika abverdient. «Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es spannender ist, in der Schweiz ein Weingut zu übernehmen als in Frankreich. Ich habe hier mehr Möglichkeiten, und das Potenzial ist riesengross. Wenn man jung ist, macht es Spass, Neues zu wagen!»
Durch Vermittlung eines Bekannten lernt sie einen Winzer kennen, der eine Nachfolge für sein Weingut in Fully sucht und sie einlädt, die Weinlese 2015 mit ihm zu bestreiten. «Nach zwei Wochen sagte er mir, ich könne das Gut haben, wenn ich wolle…» Und ob sie wollte!
Im Januar 2016 hat sie den Betrieb übernommen, in Cave de l’Orlaya umgetauft, das Sortiment gestrafft, die Wein-etiketten neugestaltet und auch im Keller einiges geändert.
Moderne und temperaturkontrollierte Tanks haben Einzug gehalten, nebst zwei Betoneiern, in denen sie künftig die Humagne Rouge ausbauen will. Ein schmucker kleiner Kellerraum wartet auf weitere Barriques, in denen weisse wie rote Spezialitäten reifen sollen, alle reinsortig ausgebaut (mit Ausnahme des Klassikers Dôle), darunter auch die Sorten aus ihrer Heimat: Marsanne und Syrah. In den acht Hektar Reben (1,2 davon eigene) setzt Mathilde zunehmend auf biologischen und biodynamischen Weinbau, mit Herbiziden hat sie ganz aufgehört.
Und wie wurde sie aufgenommen im Wallis? «Von den Vignerons sehr gut. Mit den typischen Walliser Sorten wie Petite Arvine habe ich noch nicht so viel Erfahrung, dafür bin ich frei von Vorurteilen. Ich lerne viel von meinen Winzerkollegen und höre ihnen gerne zu.» Nichts Negatives erlebt, also? Sie überlegt einen Moment, dann lacht sie: «Einige Leute hier nannten mich zu Anfang ein bisschen gönnerhaft la petite française. Wenn ich aber erzähle, dass ich im Kanton Waadt aufgewachsen bin, finden viele: Französin, das geht ja noch. Aber Waadtländerin, mon dieu…!»
Unsere Favoriten
Valais AOC
Humagne Blanche 2016
17 Punkte | 2018 bis 2022
Diese Humagne Blanche wird im Inoxstahltank auf den Feinhefen ausgebaut. Diskrete, subtile Nase mit Anklängen von Zitrusfrüchten. Der Gaumen ist überraschend rund und füllig, mit viel Schmelz und aromatisch dominiert von reifen Fruchtaromen. Eine kleine strukturierende Bitternote prägt das Finale.
Valais AOC
Petite Arvine 2016
18 Punkte | 2018 bis 2025
Auch die Petite Arvine wird im Tank ausgebaut. Die Nase ist noch etwas verhalten, die sortentypischen Noten von Rhabarber und Grapefruit machen sich erst im Gaumen richtig bemerkbar. Sehr schöner, intensiver Körper, kraftvoll und dynamisch. Ein saftiger, rassiger Wein, der Lust macht auf mehr.
Valais AOC
Gamay de Branson 2016
16.5 Punkte | 2018 bis 2028
Im Schnitt 45 Jahre alte Rebstöcke; die Trauben werden entrappt. Eine «Saignée» konzentriert den Wein, der mit schöner, würziger Nase gefällt, in der man Noten von Kirschen und Pfingstrosen erschnuppert. Der Gaumen ist sympathisch rustikal, frisch und fruchtig. Ideal zu unkomplizierter Küche.