VINUM-Profipanel Aargau
Sensationell: Crus aus dem Aargau
Text: Ursula Geiger, Fotos: Linda Pollari
Stille Schaffer sind sie, die Aargauer Winzer und Selbstkelterer. Ehrliche Handwerker, die mit Akribie und Herzblut an der Qualität ihrer Weine arbeiten. Sie zählen auf die Typizität der Region. Und wenn sie einen internationalen Stil pflegen, eifern sie nicht den vom Markt diktierten Geschmacksbildern nach. Diese vorbildliche Haltung katapultiert die Weine in die Topliga des Schweizer Weinkosmos.
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn die Rede vom Aargau ist? Rüebli-Torte? Oder nehmen Sie die Region als Wasserschloss der Schweiz wahr? Als die Auenlandschaft, in der sich Limmat und Reuss mit der Aare vereinen? Oder fällt Ihnen ganz profan der «Fressbalken» ein, der bei Würenlos die A1 überspannt und unter dem pausenlos der Verkehr fliesst? Wenn Sie hingegen das malerische Fricktal vor Augen haben oder an die imposanten Kalksteinmauern denken, welche die Rebterrassen bei Schloss Kasteln im Schenkenbergertal stützen, dann haben Sie wahrscheinlich schon den einen oder anderen Aargauer Pinot Noir, Riesling x Sylvaner, Chardonnay oder Sauvignon Blanc getrunken und wissen: Die Reblandschaft im Kanton Aargau ist nicht so spektakulär wie die Rebterrassen im Lavaux oder im Wallis. Die Reben spiegeln sich nicht in riesigen Seen und sind auch nicht von Dreitausendern umgeben. Die Reblandschaft im Kanton Aargau gibt es auch nicht, denn sie ist verteilt auf die sieben Regionen Aarau und Schenkenbergertal, Fricktal, Geissberg, unteres Aaretal, Limmattal, Reusstal und Seetal. Sieben Kleinode mit bezaubernd beschaulichen Landschaften. Eine jede geprägt von verschiedenen Böden und zahlreichen Mikroklimata, in denen sagenhafte 65 Rebsorten wachsen. Daraus resultiert ein Variantenreichtum, den die Aargauer Winzer aus dem Effeff beherrschen. Wenn es passt, setzen sie gekonnt den Ausbau in der Barrique ein und schaffen nochmals eine zusätzliche Dimension. Veritable Tüftler, die gerne Neues ausprobieren. Dabei gehören Aargauer Winzer zu den leisen, zurückhaltenden ihrer Zunft. Hier wird nicht geprotzt. Niemand geht nach Aufmerksamkeit heischend mit Superlativen hausieren. Und so haben sich die Aargauer Weine still und leise in den letzten zehn Jahren zu Spitzengewächsen entwickelt, die – bis auf Ausnahmen – über die Kantonsgrenze hinaus wenig bekannt sind. Dessen bewusst ist sich auch Winzer Pirmin Umbricht: «Wir haben nicht das gleiche Renommee wie die Bündner Herrschaft, die international bekannt ist, oder wie die Zürcher Weine, die von der Metropole gleich um die Ecke profitieren. Darum müssen wir uns ein wenig mehr zur Decke strecken, um auf uns aufmerksam zu machen.» Wein & Gemüse Umbricht in Untersiggenthal im Limmattal steht exemplarisch für einen gemischtwirtschaftlichen Betrieb: Pirmin betreut die drei Hektar Reben und die Vinifikation, während Bruder Fredy Rüebli-Salat und Tomaten anbaut.
Sauvignon Blanc für Oslo
Im Fricktal, nahe der Grenze zum Kanton Basel-Landschaft, bewirtschaften Andrea und Gerhard Wunderlin-Bachmann vier Hektar Reben. Die Önologin und der Winzermeister haben 1984 zum ersten Mal ihren Wein auf Flaschen gefüllt. Ihr Sauvignon Blanc aus Zeiningen, der im Profipanel den zweiten Platz in der Kategorie Weisswein belegte, wurde von Bundesrätin Doris Leuthard vor einigen Jahren anlässlich eines Staatsbesuches im nicht weinproduzierenden Norwegen ausgeschenkt. Der elegante, zart duftende Wein kam an. Die 120 Flaschen wurden in Oslo leergetrunken, die Stimmung war gelöst. Das Duo Wunderlin-Bachmann ist detailversessen und pflegt seine Reben akribisch von Hand. Selbst die Arbeiten in der Laubwand überlassen sie nicht Heftmaschine und Laubschneider. Wer seine Rebstöcke während der Vegetationszeit so oft im Auge hat, weiss auch genau, wann die optimale Reifezeit gegeben ist. «Wir sind klein und flexibel und können darum jede Sorte ernten, wenn sie optimal reif ist», sagt Andrea Wunderlin-Bachmann. Auch die verschiedenen Böden werden berücksichtigt: «In Zeiningen dominieren tiefgründige, von Steinen durchsetzte Lehmböden, was elegante, geradlinig strukturierte Weine ergibt.» Der rote Siegerwein, der übrigens auch als bester Wein des Panels bewertet wurde, stammt aus Magden, von eher flachgründigen Lössböden, die auf Mergelschichten liegen. Pinot Noir gerät hier weicher, mit zarten Tanninen und je nach Jahrgang feiner Extraktsüsse. Mit Cabernet Cubin, einer Neuzüchtung aus Blaufränkisch und Cabernet Sauvignon, erhält der Wein mehr Tiefe und Tanninstruktur.
Aargauer Erfolgsgeschichte
Warum die Aargauer Winzer Schritt für Schritt in Sachen Qualität nun ganz oben auf der Leiter angelangt sind, erklärt Pascal Furer, Geschäftsführer des Branchenverbandes Aargauer Wein: «Die vom Verband organisierten Workshops mit den Winzern und Vergleichsverkostungen mit Degustatoren aus der ganzen Schweiz haben dazu beigetragen, die Qualität in den letzten Jahrzehnten massiv zu verbessern.» Kein Wunder, setzt die regionale Spitzengastronomie heute vermehrt auf Aargauer Wein. Ein Blick auf die Internetseiten der Winzer zeigt: Etliche Spitzenweine sind kurz nach der Lancierung ausverkauft. Wer etwas davon ergattern möchte, muss sich sputen. Andreas Meier führt das Weingut zum Sternen in Würenlingen in der 17. Generation und setzt auf Konstanz: «Wir folgen unserer Stilistik und berücksichtigen das Potenzial unserer Lagen.» Sein Chardonnay Wannenberg wurde als bester Wein im Panel in der Kategorie Weisswein bewertet. Acht von neun Verkostern klassierten die Stilistik des Wannenbergs als international. Andreas Meier erklärt das mit den Böden dieser Lage: «Die Alluvialböden mit den runden Steinen, geformt von dem Geschiebe eines einstigen Aare-Laufes, haben einen sehr geringen Kalkanteil und sind etwas üppiger, während sich die Qualitäten von kalkhaltigen Böden lebhafter präsentieren.» Auch der stilistische Wandel der Weine trage zum Erfolg bei, so Meier, Säureabbau bei den Weissweinen sei heute kaum mehr ein Thema. Die Bekanntheit der Aargauer Weine ausserhalb des Kantons hängt mit der Grösse des Betriebs zusammen. Kleinere Produzenten verkaufen ihre Weine einem lokalen Publikum ab Hof. Darum ist auch die immense Menge von über 65 verschiedenen Sorten kein Problem. «Kunden, die direkt ab Hof kaufen, schätzen es, wenn wir ihnen Weine aus neuen Sorten zeigen», so Andreas Meier. Zu all dem Neuen gibt es im Aargau auch Puristen, die sich auf Pinot Noir, Riesling x Sylvaner und Chardonnay konzentrieren und einen ganz eigenen Stil pflegen. Tom Litwan ist die Speerspitze dieser Bewegung. Als Quereinsteiger ist er frei von traditionellen Zwängen, die eine stilistische Kehrtwende oft erst in mehreren Zügen ermöglichen. Seine Weine sind in ihrer Jugend weniger zugänglich, ja beinahe karg und dabei extrem auf das Terroir ausgerichtet. Es braucht Zeit und Geduld, der Geniesser muss arbeiten, um die ganze fantastische Vielfalt der Litwan-Weine zu ergründen. Die stilistisch gleiche Richtung pflegt der Fotograf und Winzer Michel Jaussi (siehe Seite 42), dessen Pinot Noir Grand Cru 2013 zwar nicht im Profipanel vertreten war, aber nach der Verkostung in der Weinhandlung Cortis von Dani Cortellini zum Essen ausgeschenkt wurde und die Degustatoren beeindruckte: glasklare Frucht, elegant und mit einem gekonnten, sorgfältigen Ausbau im Holz, der die Frucht und Struktur des Weines stützt und nicht dominiert. Im Aargau tut sich also viel, und wer in den Frühlingsmonaten eine Fahrt ins Blaue plant und dabei Neues entdecken will, dem seien die sieben Weinlandschaften im Aargau ans Herz gelegt.
Resultat
Weingut zum Sternen, Würenlingen
Chardonnay Würenlingen Wannenberg 2015
18 Punkte | 2018 bis 2024 | 24.80 Franken
FrankenGelungener Holzeinsatz, die Röstnoten stützen die reife Aprikosenfrucht, dazu Noten von reifer Birne und Bergamotte. Am Gaumen überaus komplex, saftig und mit hervorragend integrierten Würznoten vom Holz.
www.weingut-sternen.ch
Weinbau Gerhard
Wunderlin, Zeiningen
Zeiningen Sauvignon Blanc 2015
17.5 Punkte | 2017 bis 2019 | 18 Franken
Zarte, fruchtbetonte Nase: Quitte, grüne Melone, Zitrusfrucht. Reife, aus-
balancierte und gut
integrierte Säure. Elegante Stilistik und mit den feinen Mandelnoten im Finish ein hervorragender Essensbegleiter.
www.wubaweine.ch
Weingut Goldwand, Ennetbaden
Chardonnay
Reserve 2015
17.5 Punkte | 2018 bis 2022 | 21.50 Franken
Fruchtbetontes Bouquet, Honigmelone, Quitte, reifer Apfel und ein Hauch von Agrumen. Vereint Eleganz und Kraft, die griffige Säure verleiht Länge, ist überaus animierend und macht Lust auf den zweiten Schluck.
www.weingut-goldwand.ch
Baumgartner Weinbau, Tegerfelden
Traminer Loch
Tegerfelden 2015
17 Punkte | 2017 bis 2020 | 19.50 Franken
FrankenRose, Litschi – alles da, was einen guten Gewürztraminer auszeichnet. Geschmeidig im Ansatz, Schmelz und reife Säure am Gaumen, gute Länge und ein feines Finish auf Bittermandel.
www.baumgartner-weinbau.ch
Weingut Umbricht, Untersiggenthal
Chardonnay 2015
17 Punkte | 2017 bis 2022 | 15 Franken
Zurecht attestierte das Gros des Panels diesem Chardonnay eine internationale Stilistik: Auftakt mit gelbfleischiger Frucht, Honigmelone, dazu Noten von Kamille. Schöne Fülle am Gaumen, beinahe cremig, Noten von Karamell im Finish.
www.wugu.ch
ck-Weine – Claudio & Kathrin Hartmann, Schinznach-Dorf
Schinznacher Häldeli Riesling x Sylvaner 2016
17 Punkte | 2017 bis 2019 | 15 Franken
Delikate Leichtigkeit: florale Noten, Mirabellen, am Gaumen komplex, aromatisch und mit einer frischen Säure versehen. Das Häldeli wird seit 50 Jahren von Hart-manns bewirtschaftet.
www.ck-weine.ch
Weingut FiBL, Frick
Aargau AOC Fricker Cuvée Blanche 2015
17 Punkte | 2017 bis 2019 | 15 Franken
Die Cuvée aus Piwi-Sorten (Johanniter, Bronner, Seyval Blanc und Solaris) zeigt viel gelbfleischige Frucht, eine diskrete Kräuterwürze und ätherische Noten von Kiefernnadeln, gute Länge und straffe, reife Säure gefallen am Gaumen. .
weingut.fibl.org
Besserstein Wein, Villigen
Pinot Gris, Limited Edition 2015
17 Punkte | 2017 bis 2018 | 22.50 Franken
Klassiker mit feiner Balance zwischen Säure und Süsse. Ausgeprägte Frucht, zarte Würze, weisse Blüten. Am Gaumen ausgewogen und reichhaltig, mit der feinen Pfeffernote im Finale ein ausgezeichneter Speisenbegleiter.
www.besserstein-wein.ch
Weinbaugenossenschaft Döttingen, Döttingen
Grand Chardonnay 2015
17 Punkte | 2017 bis 2019 | 21 Franken
Was hier gefällt, ist die kraftvoll-elegante Stilistik: feine Kernobstnoten in der Nase, dazu Ananas und Aprikose, weisser Pfeffer, Liebstöckel und Minze. Dicht und lang, mit beinahe cremiger Textur am Gaumen.
www.doettingerweine.ch
Wehrli Weinbau, Küttigen
Pinot Gris, Brestenberg 2015
17 Punkte | 2017 bis 2020 | 20.50
FrankenDer Pinot Gris zum Essen, animierend, stoffig, reif und komplex, mit einer sehr eigenständigen Aromatik, die auf feine Kräuterwürze gebaut ist. Ausbalanciertes Säurespiel am Gaumen verleiht Frische und Länge.
www.wehrli-weinbau.ch
Weinbau Gerhard , Wunderlin, Zeiningen
Cuvée Andrea , Réserve 2013
18 Punkte | 2017 bis 2023 | 28 Franken
Pflaumen, Teer, Zedernholz und eine intensive Würzaromatik prägen diese Cuvée aus Pinot Noir und Cabernet Cubin. Am Gaumen saftige Säure, feinkörniges Tannin. Was für ein gelungener Speisenbegleiter!
www.wubaweine.ch
Baumgartner Weinbau, Tegerfelden
Pinot Noir Klingnau Grand Cru Schwändi 2013
17.5 Punkte | 2018 bis 2024 | 32 Franken
Frische, rotbeerige Frucht, Johannisbeere, dazu reife Weichseln. Am Gaumen feinmaschig, mit kernigen Tanninen, geradlinige Struktur mit reifem Säure-
nerv und feinster Kirschfrucht im Finale.
www.baumgartner-weinbau.ch
Meinrad Steimer , Weinbau, Wettingen
Aargau AOC Wettingen Pinot Noir, Barrique 2014
17.5 Punkte | 2017 bis 2022 | 25 Franken
In der Nase ein Hauch von Cassis, dazu Sauerkirsche, Gebäck und sehr diskrete Röstnoten. Ausgewogen am Gaumen, sehr lang, Himbeernoten sowie feine Eichenwürze prägen das Finish.
www.wettingerweine.ch
Weingut zum Sternen, Würenlingen
Pinot Noir Klingnau Kloster Sion Réserve 2014
17 Punkte | 2018 bis 2025 | 32 Franken
Was für ein feinziselierter Pinot! Trumpft mit brillanter, reifer Frucht, ist frisch und saftig am Gaumen sowie feinmaschig eingefasst von feinen Röstnoten. Hervorragender Essensbegleiter.
www.weingut-sternen.ch
Weingut Umbricht, Untersiggenthal
Pinot Noir Barrique Enora 2014
17 Punkte | 2017 bis 2022 | 19 Franken
In der Nase Eichenwürze, dann Preiselbeeren und Hagebutte. Saftig und weich im Ansatz, ausgewogene Frucht am Gaumen, das Holz ist gut integriert, animierender Pinot mit hervorragendem Trinkfluss.
www.wugu.ch
Wehrli Weinbau, Küttigen
Pinot Noir, Stierenblut 2015
17 Punkte | 2018 bis 2023 | 23.50 Franken
Tiefgründige, dunkelbeerige Frucht, dazu Noten von Tabak und ein Hauch Nougat. Lang im Ansatz und mit saftiger Säure versehen. Hervorragender Essensbegleiter. Passt zu einem Plättli mit Speck ebenso wie zum Braten.
www.wehrli-weinbau.ch
Weinbaugenossenschaft Döttingen, Döttingen
Pinot Noir, Lustgarten 2015
17 Punkte | 2017 bis 2022 | 15 Franken
Typischer Aargauer: Fruchtcocktail von roten Beeren, dazu reife Sauerkirschen. Füllig am Gaumen mit kräftigem, passendem Süsskomplex, lang und auf balsamisch-kräuterwürzigen Noten endend.
www.doettingerweine.ch
Weingut Goldwand, Ennetbaden
Optimus Garanoir-Malbec 2014
17 Punkte | 2017 bis 2021 | 19.50 Franken
Duftet nach Waldbeeren und Unterholz, dazu leicht speckige Noten. Saftig im Ansatz, muskulös und dennoch feingliedrig mit schlanken 12,5 Vol.-%. Endet lang auf feiner Frucht.
www.weingut-goldwand.ch
Weingut FiBL, Frick
Fricktaler Cuvée Noire 2015
17 Punkte | 2017 bis 2020 | 15 Franken
Dunkles Purpur, Noten von Pflaumenmus, Cassis, Lakritze. Weicher, aber dennoch frischer Auftakt, dicht strukturiert, Noten von Rosenblättern, Leder und Weihrauch im Finale dieser Piwi-Cuvée aus Maréchal Foch, Léon Millot und Chambourcin.
weingut.fibl.org
Litwan Wein, Schinznach-Dorf
Thalheim Pinot Noir Chalofe 2012
17 Punkte | 2018 bis 2025 | 42.50 Franken
Sehr würzig mit Noten von Zedernholz, dazu ein Hauch von Lakritze, die feine Weichselfrucht zeigt sich noch etwas zögerlich. Am Gaumen hervorragend strukturiert, mit straffem Säurenerv. Braucht unbedingt noch Zeit.
www.vinothek-brancaia.ch