Entdeckungsreise Veneto
Etappe 5
Von den Lessiner Bergen in die Euganeischen Hügel – Veneto für Entdecker
Ob man die Basilika von Padua besucht, um den Unterkiefer, die Zunge und andere Reliquien des heiligen Antonius zu betrachten, ob man die Palladio-Villen von Vicenza entdeckt, oder in Euganeischen Hügeln wandert und in Thermalwasser planscht: Zum Wein ist es nie weit.
Für Franco Zanovello ist Moscato eine Leidenschaft: Ob weisse oder rote, goldene oder gelbe, die Rebsorte hat es ihm angetan. In seinen 25 Hektar Rebbergen des Weingutes Cá Lustra in den Hügeln der Colli Euganei kultiviert er daher auch Moscato in verschiedenen Versionen: von der Moscato Giallo – unserem Goldmuskateller – bis zum Moscato Rosso, den er Nero Musqué nennt. Und natürlich produziert er die wohl eigenständigste Version, den Fior d’Arancio aus den Colli Euganei – als Spumante und als Passito. Der Fior d’Arancio ist eine Eigenheit der Colli Euganei im Süden von Padua. Die Hügel sind vulkanischen Ursprungs, berühmt sind sie vor allem, weil das Wasser der Alpen 200 Kilometer weiter nördlich in der Erde verschwindet und hier – angereichert mit gesundheitsfördernden Mineralien und dampfend – wieder an die Oberfläche tritt. Deshalb kommen Touristen aus der ganzen Welt in Kurorte wie Abano Terme und in die Nachbarorte.
Davon merkt man allerdings wenig, wenn man sich im Hinterland bei Cinto Euganeo befindet, wo Franco Zanovello seine Trauben kultiviert. Eine grüne Landschaft mit Wäldern, kleinen Dörfern und einem Naturpark, eingesprenkelt immer wieder Rebberge. Ihre schönste Zeit erleben diese Rebberge im Herbst, wenn sich nicht nur die Blätter verfärben, sondern auch die Trauben des Fior d’Arancio die goldgelbe Farbe ihrer Vollreife angenommen haben. Gelesen werden die Trauben erst in diesem Augenblick und sind dann – als Wein – ein Ausdruck dieser einzigartigen Landschaft im Herzen des Veneto. Das Veneto ist in seiner Mitte reich an einzigartigen Weinen. Die Palette reicht von den Schaumweinen von Lessini Durello über die Rotweine aus Gambellara und Breganze bis in die Euganeischen Hügel mit ihren Süss-, Schaum- und Stillweinen: ein Teil des Veneto, den es zu entdecken lohnt.
Der Wein
Cà Lustra Zanovello
Colli Euganei Fior d’Arancio
DOCG Passito 2015
18 Punkte | 2018 bis 2025
Der «Fior d’Arancio ist dreimal so aromatisch wie Moscato», sagt Franco Zanovello, «deshalb ist ein Passito aus dieser Traube etwas ganz Besonderes.» Das beweist er mit seinem Jahrgang 2015, aus Trauben gekeltert, die zuvor vier Monate angetrocknet sind: Der Wein duftet nach Nüssen und Orangen, am Gaumen ist er geschliffen, die Süsse und die Säure sind perfekt ausbalanciert, auch die feinen Gerbstoffe geben den 240 Gramm Restzucker Kontra. Schwierig als Speisenbegleiter, aber als Meditationswein grandios.
Interview
«Man muss in der Sprache der Nahrung lesen»
Massimiliano «Max» Alajmo ist der Padovaner in der kleinen, aber feinen Gruppe der italienischen Drei-Sterne-Köche. Im Interview erzählt uns der Küchenchef des «Le Calandre» von seinen ersten Geschmackserfahrungen und spricht über die Beziehung von Milch und Tastsinn.
Signore Alajmo, wie wichtig ist Ihnen die Küchentradition des Padovano und des Veneto?
Sehr wichtig, denn sie repräsentiert unsere Historie, die uns zeigt, woher wir kommen, und die es uns erlaubt, mit Sicherheit und Offenheit in die Zukunft zu blicken. Meine Beziehung mit der Tradition ist gierig, neugierig, unersättlich. Die Küche des Veneto ist reich und vielfältig, die Nähe zu Venedig hat ihr noch einen zusätzlichen mediterranen Aspekt hinzugefügt.
Wann hat sich aus diesen Einflüssen die Küchenphilosophie des Max Alajmo entwickelt?
Als meine Eltern 1994 beschlossen haben, mir die Küche des «Le Calandre» anzuvertrauen, war das sicherlich ein wichtiger Schritt: Mit gerade mal 20 Jahren sollte ich auf einmal erwachsen sein. Mein Zugang zur Küche war immer von Neugier und Spielerischem geprägt, schon als Kind zog ich es vor, meiner Mutter in der Küche zu helfen und nicht mit den anderen Kindern zu spielen.
Haben Sie als Koch ein Lieblingsgericht?
Meine Lieblingsgerichte als Chef sind jene, die eine starke milchig-taktile Sensation haben, die ich gerne als «primo gusto» bezeichne:
Man geht von der scheinbar banalen Erfahrung aus, dass die Milch die erste Nahrung darstellt; die Muttermilch ernährt das Kleinkind, bewirkt eine Beziehung zwischen Geschmack und Tastsinn und schafft es, Emotionen und Informationen zu liefern, die das ganze Leben in Erinnerung bleiben. In diesem Sinne ist dieses Milchige und Tastende eines Gerichts eine wichtige Zutat, um eine Art Sicherheit und Schutz zu schaffen, die jeder Mensch in seinem Innersten sucht. Wie könnte man sonst den Erfolg eines Dolce wie des Tiramisu oder des Caprese oder eines einfachen Cappuccino erklären? Die Mutter und die Erde geben uns ständig eine Reihe von Möglichkeiten, in der Sprache der Nahrung zu lesen und uns selbst zu suchen.
Und was mögen Sie als Gast am liebsten?
Wenn Sie mich nach meinem Lieblingsessen fragen, dann ist das die Zuppa Padovana, ein Gericht aus Gerste und Bohnen mit Fleisch, das mit Äpfeln, Paprika, Rotwein und Bier gekocht wird und das von meinem Onkel kreiert wurde und schon vor Jahrzehnten im «Aurora» – dem heutigen «Le Calandre» – auf der Karte stand. Ich erinnere mich: Das Gericht wurde immer kochend heiss in Geschirr mit blauem Dekor serviert. Die Düfte und die Erinnerungen an die Cremigkeit und die Intensität des Geschmacks dieser Zuppa sind unauslöschlich.
Wie wichtig ist für Sie die Beziehung zwischen Essen und Wein?
Sehr wichtig, deshalb vertraue ich meinen Sommeliers.